Entscheidungsstichwort (Thema)
Finanzamt als Insolvenzgläubiger bei umsatzsteuerlicher Organschaft; Insolvenzanfechtung der Zahlung der insolventen Organgesellschaft auf die Umsatzsteuerschuld des solventen Organträgers
Leitsatz (amtlich)
Zieht das Finanzamt in Fällen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft der Steuerschuld des Organträgers entsprechende Beträge aufgrund einer Lastschriftermächtigung vom Konto der Organgesellschaft ein, so macht es den steuerrechtlichen Haftungsanspruch aus § 73 AO gegen die Organgesellschaft geltend. Gerät diese in Insolvenz, erlangt das Finanzamt die Zahlung als deren Insolvenzgläubiger.
Erbringt der Schuldner einer noch nicht durchsetzbaren steuerrechtlichen Haftungsverbindlichkeit eine Zahlung an das Finanzamt, ist davon auszugehen, dass er dadurch seine Haftungsverbindlichkeit und nicht die ihr zugrunde liegende Steuerschuld des Dritten tilgen will.
Kommt der Zahlung des Schuldners an einen Insolvenzgläubiger eine Doppelwirkung zu, weil dadurch neben der Forderung des Empfängers zugleich der gegen den Schuldner gerichtete Anspruch eines mithaftenden Dritten auf Befreiung von dieser Verbindlichkeit erfüllt wird, kann die Leistung nach Wahl des Insolvenzverwalters sowohl gegenüber dem Leistungsempfänger als auch gegenüber dem Dritten als Gesamtschuldner angefochten werden (Bestätigung von BGH WM 2008, 363).
Leitsatz (redaktionell)
Abgrenzung zum Urteil des BFH vom 23.09.2009, VII R 43/08, BFHE 226, 391, BStBl II 2010, 215, BFH/NV 2010, 276. Es handelt sich im Streitfall im Unterschied zu dem vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall nicht um eine freiwillige Zahlung der Organgesellschaft vor Fälligkeit der Steuerschuld, sondern um eine im Wege des Lastschrifteinzugs von der Finanzverwaltung selbst ausgelöste Zahlung. Das Finanzamt hat in den Tatsacheninstanzen eingeräumt, durch den Lastschrifteinzug gegen die Schuldnerin den Haftungsanspruch durchgesetzt zu haben. Kann die Zahlung mithin allein dem Haftungsanspruch zugeordnet werden, ist die Anfechtung gegen die Finanzverwaltung begründet.
Normenkette
InsO §§ 131, 131 Abs. 1 Nr. 1, § 143 Abs. 1 S. 1; AO §§ 44, 73, 191 Abs. 1 S. 1, § 219 S. 1; UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2; BGB § 421
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 27. Zivilsenats des OLG Hamm vom 2.12.2010 wird auf Kosten des beklagten Landes zurückgewiesen. Es trägt auch die Kosten der Streithilfe.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 19.12.2008 über das Vermögen der S. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) am 1.2.2009 eröffneten Insolvenzverfahren.
Rz. 2
Zwischen der Schuldnerin und ihrem Alleingesellschafter/Geschäftsführer A. S., dem Streithelfer des Klägers, bestand eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft, bei der die Schuldnerin als Organgesellschaft und A. S. als Organträger fungierte. Das beklagte Land zog am 14.10.2008 von dem bei einer S. geführten Konto der Schuldnerin aufgrund einer ihm erteilten Einzugsermächtigung eine Umsatzsteuerzahlung von 60.735,73 EUR ein, die auf der Geschäftstätigkeit der Schuldnerin beruhte. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der S. bestand die Möglichkeit, gegen die Lastschrift binnen einer Frist von sechs Wochen nach Rechnungsabschluss Widerspruch einzulegen.
Rz. 3
Der Kläger verlangt unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung von dem beklagten Land Erstattung des Betrages von 60.735,73 EUR. LG und OLG haben der Klage stattgegeben. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 4
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Rz. 5
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, in der Genehmigung der Lastschriften durch die Schuldnerin, die zu einer mittelbaren Gläubigerbenachteiligung geführt habe, liege eine anfechtbare Rechtshandlung. Zu Unrecht mache das beklagte Land unter Hinweis auf die Entscheidung BFHE 226, 391 geltend, nicht Gläubigerin der Schuldnerin, sondern nur des Organträgers gewesen zu sein. Die Eigenschaft als Insolvenzgläubiger bestimme sich nach zivilrechtlichen und nicht nach steuerrechtlichen Maßstäben. Aus der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft ergebe sich, dass sowohl der Organträger als auch die Organgesellschaft Steuerschuldner seien. Die nur subsidiäre Haftung der Organgesellschaft lasse die Stellung des Finanzamts als deren Insolvenzgläubiger nicht entfallen. Zwar sei ein Haftungsbescheid gegen die Schuldnerin nicht ergangen. Der Haftungsanspruch entstehe aber mit der Erfüllung der Voraussetzungen der Haftungsnorm unabhängig von dem Erlass eines Haftungsbescheids, dem nur deklaratorische Bedeutung zukomme. Die Finanzbehörde könne ihre Forderung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des nachrangig Haftenden als aufschiebend bedingt anmelden. Dann werde die Quote auf den Ausfallbetrag berechnet.
Rz. 6
Die Insolvenzanfechtung sei nicht wegen einer vorrangigen Anfechtung gegenüber dem Organträger verschlossen. Es gelte nicht der Grundsatz, dass der Insolvenzverwalter stets zuerst gegen den solventen Organträger im Wege der Anfechtung vorgehen müsse. Stünden zwei Anfechtungsansprüche gleichstufig nebeneinander, liege eine Gesamtschuld (§ 426 Abs. 1 BGB) vor. Dann sei es Sache des Insolvenzverwalters, welchen Anfechtungsschuldner er in Anspruch nehme. Die Monatsfrist des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO sei gewahrt. Es handele sich um eine inkongruente Deckung, weil dem Land eine Befriedigung gewährt werde, die es mangels eines Haftungsbescheids nicht zu der Zeit zu beanspruchen gehabt habe.
II.
Rz. 7
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand.
A.
Rz. 8
Die Klageforderung findet in § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO ihre Grundlage. Die Vorschrift gestattet eine Anfechtung nur gegenüber einem Gläubiger des Schuldners (BGH, Urt. v. 20.7.2006 - IX ZR 44/05, ZIP 2006, 1591 Rz. 10; v. 29.11.2007 - IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 Rz. 14).
I.
Rz. 9
Das beklagte Land ist im hier gegebenen Fall des mittels einer Lastschrift bewirkten Einzugs einer Haftungsforderung (§ 73 AO) als Gläubiger der Schuldnerin zu betrachten. Der Senat vermag nicht der Rechtsauffassung zu folgen (BFH, Urt. v. 23.9.2009 - VII R 43/08, BFHE 226, 391, 396), dass die Finanzbehörde im Falle der Leistungsfähigkeit des primären Steuerschuldners keine Insolvenzgläubigerin des Haftungsschuldners sei, wenn dieser vor Erlass eines Haftungsbescheids Zahlung an sie entrichte.
Rz. 10
1. Eine Anfechtung wäre gegen das beklagte Land als Gläubiger der empfangenen Leistung selbst dann begründet, wenn diesem überhaupt keine Forderung gegen die Schuldnerin zugestanden hätte.
Rz. 11
a) Der im Rahmen der Deckungsanfechtung (§§ 130 Abs. 1, 131 Abs. 1 InsO) verwendete Begriff des Insolvenzgläubigers setzt nicht voraus, dass dem Leistungsempfänger als Anfechtungsgegner eine rechtsbeständige Forderung gegen den Schuldner zusteht. Erbringt der Schuldner auf eine vermeintliche, tatsächlich aber nicht bestehende Forderung eine Zahlung, ist der Empfänger in Anwendung der §§ 130, 131 InsO als Insolvenzgläubiger zu betrachten, wenn die Leistung aus seiner Warte bei objektiver Betrachtung zur Tilgung der nicht bestehenden Forderung bestimmt ist. Bereits dem Wortlaut des § 131 Abs. 1 InsO, der Deckungen der Anfechtung unterwirft, die der Insolvenzgläubiger "nicht", "nicht in der Art" oder "nicht zu der Zeit" zu beanspruchen hatte, kann entnommen werden, dass auch der Empfänger einer Zuwendung, die eines Rechtsgrundes entbehrt, Insolvenzgläubiger ist. Diese Auslegung gilt ebenfalls für § 130 InsO, weil diese Vorschrift als Auffangtatbestand auch inkongruente Deckungen i.S.d. § 131 InsO erfasst (Kirchhof in MünchKomm/InsO, 2. Aufl., § 130 Rz. 6; Jaeger/Henckel, InsO, § 130 Rz. 13; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 130 Rz. 5).
Rz. 12
b) Es ist allgemein anerkannt, dass eine Deckung "nicht" zu beanspruchen ist, wenn unvollkommene (§ 762 f BGB), verjährte (§§ 194 ff. BGB), durch Irrtum, Täuschung oder Drohung (§§ 119, 123 BGB) anfechtbar begründete sowie solche Verbindlichkeiten beglichen werden, bei denen ein Formmangel durch die Leistungsbewirkung (§ 311b Abs. 1 Satz 2 BGB, § 15 Abs. 4 Satz 2 GmbHG) geheilt wird (vgl. BGH, Urt. v. 5.2.2004 - IX ZR 473/00, WM 2004, 932, 933; Jaeger/Henckel, a.a.O., § 131 Rz. 8). Aber auch im Fall der Leistung auf eine nach objektiver Rechtslage unabhängig von einer Einwendung oder Einrede von vornherein nicht bestehende Forderung ist der Zuwendungsempfänger, weil er die Deckung "nicht" zu beanspruchen hat, als Insolvenzgläubiger zu erachten (Kirchhof in MünchKomm/InsO, a.a.O., § 131 Rz. 6; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2008, § 131 Rz. 23, 24; HmbKomm-InsO/Rogge, 3. Aufl., § 130 Rz. 5, § 131 Rz. 4; Jaeger/Henckel, a.a.O., § 130 Rz. 35; a.A. FK-InsO/Dauernheim, 6. Aufl., § 131 Rz. 7; Uhlenbruck/Hirte, a.a.O., § 131 Rz. 4). Es wäre nicht gerechtfertigt, einen Gläubiger, der eine rechtsgrundlose Leistung erlangt, im Vergleich zu einem Gläubiger, der für einen rechtlich begründeten Anspruch lediglich eine inkongruente Deckung erhält, von der Deckungsanfechtung freizustellen (Kirchhof in MünchKomm/InsO, a.a.O., § 131 Rz. 6; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, a.a.O., § 131 Rz. 24; vgl. auch Jaeger/Henckel, a.a.O., § 131 Rz. 8). Wäre der Empfänger im Falle der Wirksamkeit der geltend gemachten Forderung als Insolvenzgläubiger zu behandeln, bleibt es bei dieser Bewertung, wenn die beanspruchte Forderung eines Rechtsgrundes entbehrt (Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, a.a.O., § 130 Rz. 49). Da das beklagte Land als Inhaber des Haftungsanspruchs aus § 73 AO Insolvenzgläubiger der Schuldnerin gewesen wäre, wird diese Rechtsstellung nicht dadurch berührt, dass die gesetzlichen Haftungsvoraussetzungen tatsächlich fehlen.
Rz. 13
2. Bei zutreffender rechtlicher Beurteilung folgt deshalb die Stellung des beklagten Landes als Insolvenzgläubiger, die durch innerstaatliche Abführungspflichten an andere Rechtsträger nicht berührt wird (BGH, Beschl. v. 11.10.2007 - IX ZR 87/06, WM 2007, 2158 Rz. 4), aus dem ihm gegen die Schuldnerin gem. § 73 AO zustehenden Haftungsanspruch. Dieser war infolge der Zahlungsfähigkeit des Organträgers als Steuerschuldner (§ 219 Satz 1 AO) "nicht zu der Zeit" i.S.d. § 131 Abs. 1 InsO begründet.
Rz. 14
a) Ist der Leistungsempfänger bei Zahlung auf eine nicht bestehende Forderung als Insolvenzgläubiger anzusehen, gilt dies gleichfalls im Falle der Befriedigung einer einredebehafteten Forderung. Der im Verhältnis zu dem Organträger bestehende Haftungsnachrang der Organgesellschaft führt nicht dazu, dass bei einer Zahlung durch die Organgesellschaft die Finanzbehörde die Eigenschaft einer Insolvenzgläubigerin verliert.
Rz. 15
aa) Eine Insolvenzforderung i.S.d. § 38 InsO liegt vor, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand schon vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen ist, mag sich eine Forderung des Gläubigers daraus auch erst nach Beginn des Insolvenzverfahrens ergeben. Nur die schuldrechtliche Grundlage des Anspruchs muss schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sein (ständige Rechtsprechung des BGH; vgl. zuletzt BGH, Beschl. v. 22.9.2011 - IX ZB 121/11, ZVI 2011, 408 Rz. 3). Unerheblich ist, ob die Forderung selbst schon entstanden oder fällig ist. Entsprechend geht auch der BFH davon aus, dass für die Frage, ob Steuerforderungen Insolvenzforderungen sind, entscheidend ist, ob die Hauptforderung ihrem Kern nach bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Auf die Frage, ob der Anspruch zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im steuerrechtlichen Sinne entstanden ist, kommt es dagegen nicht an (BFH, Beschl. v. 1.4.2008 - X B 201/07, ZIP 2008, 1780 Rz. 17 m.w.N.). Zu den Insolvenzgläubigern gehört jeder, der in der Insolvenz nur eine Forderung i.S.d. § 38 InsO oder einen nachrangigen Anspruch (§ 39 InsO) gehabt hätte, weil dessen Erfüllung geeignet ist, die Befriedigungsaussichten der Gläubigergesamtheit zu schmälern. Ob der Empfänger der Leistung des Schuldners tatsächlich an dem Verfahren teilnehmen würde, spielt keine Rolle, weil davon die Gläubigerbenachteiligung durch die Rechtshandlung des Schuldners nicht abhängig ist (BGH, Urt. v. 20.7.2006 - IX ZR 44/05, ZIP 2006, 1591 Rz. 10; v. 9.10.2008 - IX ZR 59/07, WM 2008, 2178 Rz. 15).
Rz. 16
bb) Wegen der damit verbundenen Gläubigerbenachteiligung ist eine Anfechtung anzuerkennen, wenn der Schuldner vorzeitig einer Mitverpflichtung nachkommt und dadurch den Gläubiger befriedigt. Ein Bürge haftet neben dem Hauptschuldner - abgesehen von dem Fall einer selbstschuldnerischen Bürgschaft, in dem die Einrede der Vorausklage ausgeschlossen ist (§ 771 BGB; vgl. dazu BGH, Urt. v. 9.10.2008, a.a.O., Rz. 16) - nicht gleichstufig, sondern im Verhältnis zu diesem nachrangig. Die Forderung gegen den Bürgen kann bei dessen Insolvenz nur als aufschiebend bedingt angemeldet werden, so dass der Bürgschaftsgläubiger eine Quote lediglich auf den Ausfallbetrag erhält (OLG Köln, ZInsO 2006, 1329, 1330; MünchKomm/InsO/Bitter, a.a.O., § 43 Rz. 11 i.V.m. Rz. 6; Uhlenbruck/Knof, a.a.O., § 43 Rz. 4). Bis zum Eintritt der Bedingung nimmt der Bürgschaftsgläubiger nicht an einer Verteilung teil; ihm wird aber eine Sicherung gewährt, indem der auf ihn entfallende Teil gem. § 198 InsO hinterlegt wird (Uhlenbruck/Knof, a.a.O., § 42 Rz. 7). Gleichwohl ist auch der Inhaber einer aufschiebend bedingten Forderung als Insolvenzgläubiger i.S.d. §§ 130, 131 InsO anzusehen, weil nach § 191 Abs. 1 InsO selbst bedingte Forderungen einen Vermögensanspruch gegen den Schuldner begründen (Ehricke in MünchKomm/InsO, a.a.O., § 38 Rz. 17; Jaeger/Heckel, a.a.O., § 38 Rz. 87; Holzer in Kübler/Prütting/Bork, a.a.O., § 38 Rz. 28; Eickmann in HK/InsO, a.a.O., § 38 Rz. 18). Darum ist der Bürgschaftsgläubiger Insolvenzgläubiger eines Bürgen, der unter Verzicht auf die Ausübung der ihm eröffneten Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB) freiwillig Zahlung geleistet hat (RGZ 152, 321, 322 f.;) Kirchhof in MünchKomm/InsO, a.a.O., § 130 Rz. 19). Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Sachverhalt ohne Weiteres zu übertragen, weil nicht anders als bei einem Bürgen gem. §§ 73, 219 Satz 1 AO nur eine nachrangige Haftung der Schuldnerin stattfindet. Zahlt der Haftungsschuldner trotz Leistungsfähigkeit des primären Steuerschuldners, ist die Finanzverwaltung folglich Insolvenzgläubiger.
Rz. 17
cc) Diese Würdigung entspricht der rechtlichen Eigenart des hier gegebenen steuerrechtlichen Haftungsanspruchs. Mit dem Steueranspruch gegen den Organträger wird zugleich der Haftungsanspruch gegen die Organgesellschaft begründet. Ein Haftungsanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Wegen der Akzessorietät des Haftungsanspruchs ist hierfür im Regelfall erforderlich, dass auch die Steuerschuld, für die gehaftet werden soll, entstanden ist und noch besteht. Für die Entstehung des Haftungsanspruchs als abstrakten, materiell-rechtlichen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis bedarf es nicht des Erlasses eines Haftungsbescheids. Der Haftungsbescheid konkretisiert lediglich den bereits entstandenen Haftungsanspruch und bildet die Grundlage für die Verwirklichung dieses Anspruchs. Der Haftungsbescheid hat demnach ebenso wie der Steuerbescheid keine konstitutive, sondern nur deklaratorische Bedeutung (BFH, Urt. v. 15.10.1996 - VII R 46/96, BFHE 181, 392, 394 f.). Die Entstehung des Haftungstatbestandes als materiell-rechtlicher Anspruch aus dem Steuerverhältnis erfordert nach dieser weiter maßgeblichen Rechtsprechung des BFH also nicht den Erlass eines Haftungsbescheides (OLG Nürnberg ZInsO 2010, 207). Im Streitfall war der Haftungsanspruch mit Begründung der ihm zugrunde liegenden Umsatzsteuerschuld entstanden. In der Subsidiarität des § 219 Satz 1 AO liegt kein Entstehungshindernis der Haftpflicht. Selbst ein Haftungsbescheid gem. § 191 AO kann - trotz aussichtsreicher Vollstreckung gegen den Steuerschuldner - ergehen. Nur das Leistungsgebot gem. § 254 AO hat dann als Folge der Subsidiarität zu unterbleiben (Alber in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 219 Rz. 10, 12). Da der Schuldnerin gegen den von dem beklagten Land verfolgten Haftungsanspruch wegen der Zahlungsfähigkeit des Organträgers ein Leistungsverweigerungsrecht (vgl. etwa § 273 BGB) eröffnet war, konnte das beklagte Land als Haftungsgläubiger die im Lastschriftverfahren erlangte Deckung "nicht zu der Zeit" beanspruchen (vgl. Kirchhof in MünchKomm/InsO, a.a.O., § 131 Rz. 40; HmbKomm-InsO/Rogge, a.a.O., § 131 Rz. 18; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, a.a.O., § 131 Rz. 68). Dieser Umstand lässt aber die Stellung der Finanzbehörde als Gläubigerin der Schuldnerin unberührt.
Rz. 18
b) Die Deckungsanfechtung setzt ferner voraus, dass die Leistung aus objektiver Warte des Empfängers die Tilgung einer gegen den Schuldner gerichteten Forderung bezweckte (vgl. BGH, Urt. v. 9.10.2008 - IX ZR 59/07, WM 2008, 2178 Rz. 21).
Rz. 19
aa) Soweit auf das Verständnis des Empfängers für die Bewertung abgestellt wird, ob der Schuldner eine Eigen- oder eine Fremdverbindlichkeit tilgt, entsprechen die insolvenzrechtlichen Zuordnungskriterien (BGH, Urt. v. 16.9.1999 - IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284, 287; Urteil vom 9.10.2008, a.a.O., Rz. 21) denen des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs (vgl. BGH, Urt. v. 31.10.1963 - VII ZR 285/61, BGHZ 40, 272, 277 f.;) v. 24.2.1972 - VII ZR 207/70, BGHZ 58, 184, 188 zum bereicherungsrechtlichen Leistungsempfänger). Der Anspruch aus dem Steuerverhältnis und der Haftungsanspruch bestehen unabhängig voneinander (Schwarz, AO, 2007, Vor §§ 69 bis 77 Rz. 22). Der Steuerschuldner und der Haftende sind gem. § 44 AO Gesamtschuldner (BFH, Beschl. v. 11.7.2001 - VII R 28/99, BFHE 195, 510, 514 f.;) Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 44 Rz. 13; Schwarz, a.a.O., § 44 Rz. 13). Da die Zahlung durch den Haftungsschuldner gem. § 44 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 AO zugunsten des Steuerschuldners wirkt (BFH, a.a.O., S. 515), geht das Gesetz bei einer Zahlung durch den Haftenden nicht von der Notwendigkeit einer zum Erlöschen der Steuerschuld führenden Tilgungsbestimmung aus. Überdies geht bei Zahlung durch den Haftenden die Steuerforderung auf diesen über, wenn er im Innenverhältnis gem. § 426 Abs. 2 BGB von dem Steuerschuldner Ausgleich verlangen kann (BGH, Urt. v. 2.4.1973 - VIII ZR 108/72, NJW 1973, 1077, 1078; BFH, Urt. v. 12.5.1976 - II R 187/72, BFHE 119, 188, 191; Schwarz, a.a.O., 2009, § 44 Rz. 35; Boeker, a.a.O., § 44 Rz. 64).
Rz. 20
bb) Lässt sich aus den dem Finanzamt bei Zahlung erkennbaren Umständen nicht erschließen, wessen Steuerschuld der zahlende Gesamtschuldner begleichen wollte, so wird im allgemeinen angenommen, dass der Gesamtschuldner nur seine eigene Steuerschuld tilgen wollte (BFH, Urt. v. 25.7.1989 - VII R 118/87, BFHE 157, 326, 327 f.;) vom 18.2.1997 - VII R 117/95, DStRE 1997, 658, 659; Tipke/Drüen, AO, 2010, § 37 Rz. 69 m.w.N.; Madle in Leopold/Madle/Radler, AO, 2008, § 37 Rz. 4). Da durch die Zahlung auf den Haftungsanspruch die Steuerforderung entweder kraft Gesetzes erlischt oder im Falle eines Ausgleichsanspruch auf den Haftenden übergeht, kann die Finanzbehörde Zahlungen des Haftungsschuldners allein dem Haftungsanspruch zuordnen (Schwarz, a.a.O., 2005, § 37 Rz. 13; Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 37 Rz. 69 f.;) Boeker, a.a.O., § 37 Rz. 64). Nähme man in Fällen der vorliegenden Art eine Zahlung auf die Steuerforderung und den Haftungsanspruch an, würde die Unterscheidung zwischen beiden Rechtsinstituten aufgegeben und der Haftende generell als Steuerschuldner behandelt. Ein solches Verständnis liegt der gesetzlichen Regelung der Abgabenordnung fern.
II.
Rz. 21
Auch die weiteren Anfechtungsvoraussetzungen des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind im Streitfall gegeben.
Rz. 22
1. Infolge der "nicht zu der Zeit" zu beanspruchenden Befriedigung ist ein Erstattungsanspruch gegen das beklagte Land wegen inkongruenter Deckung unter den erleichterten Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 InsO, welche die Anfechtung nicht an besondere subjektive Merkmale (BT-Drucks. 12/2443, 158) knüpfen, begründet. Danach ist wegen der im letzten Monat vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen Rechtshandlung § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO einschlägig.
Rz. 23
a) Die Rechtshandlung der Schuldnerin wurde innerhalb der Frist von einem Monat vor Antragstellung vorgenommen. Bei einer Zahlung im Wege des Einziehungsermächtigungsverfahrens liegt die anfechtbare Rechtshandlung erst in der Genehmigung der Lastschriftbuchung, nicht bereits in dieser Buchung selbst, weil die Belastung des Kontos bis zur Genehmigung ohne materielle Wirkung bleibt (BGH, Urt. v. 30.9.2010 - IX ZR 178/09, WM 2010, 2023 Rz. 21; v. 30.9.2010 - IX ZR 177/07, WM 2010, 2167 Rz. 11). Die Schuldnerin hat den Einzug aufgrund der Genehmigungsfiktion des Nr. 7 Abs. 4 AGB-Spk mit Ablauf von sechs Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses vom 31.10.2008 am 12.12.2008 genehmigt (vgl. BGH, Urt. v. 30.9.2010 - IX ZR 178/09, WM 2010, 2023 Rz. 19).
Rz. 24
b) Soweit sich das beklagte Land im Revisionsrechtszug auf eine ausschließlich die Anwendung des § 131 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InsO gestattende, bereits vor Eintritt der Genehmigungsfiktion erteilte konkludente Genehmigung der Lastschrift durch die Schuldnerin beruft, kann dieses Vorbringen gem. § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht berücksichtigt werden. Der Kläger hat in der Klageschrift vorgetragen, dass die Zahlung auf der Grundlage einer fiktiven Genehmigung der Belastungsbuchung durch die Schuldnerin am 12.12.2008 erbracht wurde. Diese Darstellung hat das beklagte Land in der Klageerwiderung ausdrücklich unstreitig gestellt. Darin liegt ein Geständnis i.S.d. § 288 Abs. 1 ZPO, das sich auch auf eine juristisch eingekleidete Tatsache und mithin die Frage beziehen kann, ob eine Lastschrift durch ausdrückliche Erklärung oder konkludentes Verhalten genehmigt worden ist (BGH, Urt. v. 22.2.2011 - XI ZR 261/09, WM 2011, 688 Rz. 12). Durch die in der nachfolgenden Antragstellung liegende stillschweigende Bezugnahme wurde die Geständniswirkung des § 288 ZPO verwirklicht (BGH, Urt. v. 14.4.1999 - IV ZR 289/97, NJW-RR 1999, 1113; v. 18.6.2007 - II ZR 89/06, NJW-RR 2007, 1563 Rz. 16). Da zu den Voraussetzungen des § 290 ZPO nichts vorgetragen ist, bleibt das beklagte Land auch im Revisionsrechtszug an dieses Geständnis gebunden.
Rz. 25
2. Eine Gläubigerbenachteiligung ist eingetreten. Auch soweit die Zahlung aus einem nur geduldeten Überziehungskredit erfolgte, liegt eine Gläubigerbenachteiligung vor (BGH, Urt. v. 6.10.2009 - IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 Rz. 11 ff.).
III.
Rz. 26
Die Anfechtung gegen das beklagte Land nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO scheitert schließlich im Streitfall entgegen der Auffassung des BFH (Urteil vom 23.9.2009, a.a.O., S. 397 ff.) nicht daran, dass dem Kläger ein Anfechtungsanspruch auch gegen den Streithelfer als Organträger zustehen kann und diesem im Verhältnis zu dem mit der Klage verfolgten Anfechtungsanspruch Vorrang zukäme.
Rz. 27
1. Der Anfechtungsanspruch ist gegen das beklagte Land als neben dem Organträger verpflichtetem Gesamtschuldner (§ 421 BGB) begründet.
Rz. 28
Die Schuldnerin hatte gem. § 73 AO als Haftungsschuldner für die Umsatzsteuerschuld des Organträgers gegenüber dem beklagten Land einzustehen. Im Innenverhältnis zu dem Organträger musste freilich die Schuldnerin die durch ihre eigene Geschäftstätigkeit ausgelöste Umsatzsteuer tragen (vgl. BGH, Urt. v. 22.10.1992 - IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50, 54 ff.). Das interne Ausgleichsverhältnis ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Organgesellschaft im Rahmen einer Organschaft Zahlungen an die Finanzverwaltung allein auf der Grundlage des gegen sie gerichteten Haftungsanspruchs (§ 73 AO) erbringt. Darum greift die Deckungsanfechtung gegen den Zahlungsempfänger durch, wenn der Schuldner diesem aufgrund einer von ihm übernommenen Sicherung im Rahmen einer eigenen Rechtsbeziehung zur Zahlung der gegen einen Dritten gerichteten Verbindlichkeit verpflichtet ist (BGH, Urt. v. 5.2.2004 - IX ZR 473/00, WM 2004, 932, 933; vom 9.10.2008 - IX ZR 59/07, WM 2008, 2178 Rz. 23 a.E.; Kirchhof in MünchKomm/InsO, a.a.O., § 130 Rz. 19; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, a.a.O., § 130 Rz. 51; HmbKomm-InsO/Rogge, a.a.O., § 130 Rz. 3; HK-InsO/Kreft, a.a.O., § 130 Rz. 10; ähnlich im Ergebnis Jaeger/Henckel, a.a.O., § 130 Rz. 19 a.E.).
Rz. 29
2. Allerdings bestand hier - sofern die weiteren Voraussetzungen eingreifen - auch ein Anfechtungsanspruch aus §§ 130, 131 InsO gegen den Streithelfer als Organträger. Wenn der Schuldner eine Verbindlichkeit tilgt, für die ein Dritter eine Sicherung bestellt hat, wird mit seiner Leistung zugleich der Anspruch des Dritten auf Befreiung von der Verbindlichkeit erfüllt. Dann ist der Sicherungsgeber ebenfalls Insolvenzgläubiger, und die Leistung kann auch ihm gegenüber angefochten werden (RG LZ 1911, 944, 945 f.;) MünchKomm/InsO/Kirchhof, a.a.O., § 130 Rz. 17; Jaeger/Henckel, a.a.O., § 130 Rz. 18; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, a.a.O.; HmbKomm-InsO/Rogge, a.a.O., § 130 Rz. 3; vgl. BGH, Urt. v. 20.7.2006 - IX ZR 44/05, ZIP 2006, 1591). Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar, weil die Schuldnerin die Umsatzsteuerschuld im Innenverhältnis zu dem Streithelfer zu tragen hatte und deshalb mit ihrer Zahlung an das beklagte Land zugleich den Befreiungsanspruch des Streithelfers (vgl. BGH, Urt. v. 22.10.1992 - IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50, 54 ff.) beglichen hat.
Rz. 30
3. Angesichts der Doppelwirkung der von der Schuldnerin geleisteten Zahlung ist keine mittelbare Zuwendung des Organträgers gegeben, bei welcher der Organträger Vermögensbestandteile mit Hilfe einer Mittelsperson an den gewünschten Empfänger verschiebt, ohne mit diesem äußerlich in unmittelbare Rechtsbeziehungen zu treten (vgl. BGH, Urt. v. 19.2.2009 - IX ZR 16/08, WM 2009, 809 Rz. 7 m.w.N.).
Rz. 31
a) Hier fehlt es infolge des Lastschrifteinzugs durch das beklagte Land bereits an einer Veranlassung der seitens der Schuldnerin bewirkten Zahlung durch den Streithelfer als Voraussetzung einer mittelbaren Zuwendung (BGH, Urt. v. 8.12.2005 - IX ZR 182/01, WM 2006, 190, 191). Ferner war für das beklagte Land nicht erkennbar, dass es sich um eine Leistung des Organträgers hätte handeln sollen (vgl. BGH, Urt. v. 9.10.2008, a.a.O., Rz. 21). Eine mittelbare Zuwendung scheidet der Sache nach aus, wenn die Zwischenperson mit ihrer Leistung an den Gläubiger auch eine eigene Verbindlichkeit als Mitschuldner zu tilgen sucht (Kirchhof in MünchKomm/InsO, a.a.O., § 129 Rz. 49a; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, 2010, S. 330). Wird durch die Leistung des Schuldners an den Gläubiger außerdem ein Mitverpflichteter befreit, fehlt es, weil der Vermögenswert aus Sicht des Schuldners letztlich allein dem Gläubiger zukommen soll, an einer mittelbaren Zuwendung (HmbKomm-InsO/Rogge, a.a.O., § 129 Rz. 29). Für eine mittelbare Zuwendung ist daher kein Raum, wenn der Leistende - wie hier - einem Dritten zur Schuldbefreiung und dem Empfänger kraft Gesetzes zur Zahlung verpflichtet ist (BGH, Urt. v. 24.9.1962 - VIII ZR 18/62, BGHZ 38, 44, 46 f.).
Rz. 32
b) Die Annahme einer mittelbaren Zuwendung des Organträgers unter Einschaltung der Organgesellschaft an die Finanzbehörde würde ferner zu dem unangemessenen Ergebnis führen, dass die Organgesellschaft nach einer Zahlung an die Finanzbehörde im Falle der Insolvenz des Organträgers die Anfechtung der von ihr bewirkten Leistung zu befürchten hätte und in diesem Fall kraft ihrer Haftungsverpflichtung für die nach § 144 InsO wieder auflebende Steuerschuld abermals herangezogen werden könnte (vgl. BGH, a.a.O., S. 48). Mithin kann aus dem Grundsatz, dass in Fällen einer Doppelinsolvenz die Anfechtung des Insolvenzverwalters des Leistenden der Anfechtung durch den Insolvenzverwalter des Leistungsmittlers vorgeht (vgl. BGH, Urt. v. 16.11.2007 - IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 Rz. 34 ff., 37), für den Streitfall nichts hergeleitet werden.
Rz. 33
4. Bei Doppelwirkung einer Leistung hat der Verwalter vielmehr die Wahl, welchen Leistungsempfänger er in Anspruch nimmt. Es können, sofern die Voraussetzungen vorliegen, beide belangt werden und haften ggf. als Gesamtschuldner (BGH, Urt. v. 29.11.2007 - IX ZR 165/05, WM 2008, 363 Rz. 17; v. 26.6.2008 - IX ZR 47/05, WM 2008, 1442 Rz. 23; v. 26.6.2008 - IX ZR 144/05, WM 2008, 1512 Rz. 33; vgl. auch BGH, Urt. v. 29.11.2007 - IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 Rz. 25 ff; v. 9.10.2008 - IX ZR 59/07, WM 2008, 2178 Rz. 23 a.E.). Dies gilt ohne Weiteres auch dann, wenn die Leistung des Schuldners - wie hier - zugleich einem im Verhältnis zu ihm nachrangig Mitverpflichteten zugutekommt (BGH, Urt. v. 29.4.1999 - IX ZR 163/98, ZIP 1999, 973, 974 unter 2d). Daher ist außer dem Zahlungsempfänger der Dritte gleichfalls Insolvenzgläubiger. Ist das beklagte Land neben dem Organträger Gesamtschuldner des Anfechtungsanspruchs, steht es dem Kläger gem. § 421 Satz 1 BGB frei, welchen Verpflichteten er in Anspruch nimmt (Urt. v. 29.11.2007 - IX ZR 165/05, a.a.O., Rz. 17).
B.
Rz. 34
In vorliegender Gestaltung ist infolge der auf dem Haftungsanspruch des § 73 AO beruhenden Zahlungsverpflichtung der Schuldnerin für eine Schenkungsanfechtung gegen das beklagte Land innerhalb der Vierjahresfrist des § 134 Abs. 1 InsO kein Raum.
I.
Rz. 35
Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH ist die Tilgung einer fremden Schuld als unentgeltliche Leistung anfechtbar, wenn die gegen den Dritten gerichtete Forderung des Zuwendungsempfängers wertlos war; dann hat der Zuwendungsempfänger wirtschaftlich nichts verloren, was als Gegenleistung für die Zuwendung angesehen werden kann (BGH, Urt. v. 22.10.2009 - IX ZR 182/08, WM 2009, 2283 Rz. 8; vom 17.6.2010 - IX ZR 186/08, WM 2010, 1421 Rz. 7 jeweils m.w.N.). Diese Grundsätze gelten lediglich in Fällen einer freiwilligen Drittleistung, hingegen nicht auch, wenn den Dritten gegenüber dem Zahlungsempfänger eine eigene Verbindlichkeit trifft. Denn dann tilgt er mit der fremden Schuld zugleich eine eigene. In dem Freiwerden von der eigenen Schuld liegt der Ausgleich, der die Anwendung des § 134 Abs. 1 InsO ausschließt (BGH, Urt. v. 5.6.2008 - IX ZR 163/07, WM 2008, 1459 Rz. 13).
II.
Rz. 36
Die Zahlungsverpflichtung der Schuldnerin folgt hier aus § 73 AO, der einen eigenständigen gesetzlichen Anspruch gegen die Organgesellschaft begründet. Die Tilgung von Ansprüchen aus gesetzlichen Schuldverhältnissen ist jedoch nicht unentgeltlicher Natur (BGH, Urt. v. 18.3.2010 - IX ZR 57/09, WM 2010, 851 Rz. 9). Ließe man in Fällen der Zahlungsunfähigkeit des Organträgers die Anfechtung des Insolvenzverwalters der Organgesellschaft nach § 134 Abs. 1 InsO durchgreifen, würde der Zweck des § 73 AO, eine umfassende Sicherung des Steueranspruchs zu gewährleisten (BFH, Urteil vom 23.9.2009, a.a.O., S. 397), insolvenzrechtlich verfehlt, weil die Organgesellschaft wie ein bloßer Drittzahler behandelt würde. Eine Entgeltlichkeit der Leistung der Schuldnerin kann hingegen nicht daraus hergeleitet werden, dass sie im Innenverhältnis zu dem Organträger verpflichtet war, für die aus ihrer eigenen Geschäftstätigkeit herrührende Steuerschuld aufzukommen (vgl. BGH, Urt. v. 22.10.1992 - IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50, 54 ff.), weil für die Beurteilung, ob eine nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbare Rechtshandlung vorliegt, allein auf das Rechtsverhältnis zwischen dem verfügenden Insolvenzschuldner und dem Zuwendungsempfänger abzustellen ist (BGH, Urt. v. 4.3.1999 - IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96, 100).
C.
Rz. 37
Danach ist die Revision gem. § 561 ZPO zurückzuweisen, weil sich das angefochtene Urteil als zutreffend darstellt. Der Senat kann in der Sache entscheiden, ohne im Blick auf das Urteil des BFH vom 23.9.2009 (VII R 43/08, BFHE 226, 391) den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes anzurufen. Der vorliegende Sachverhalt ist im Vergleich zu der von dem BFH entschiedenen Sache in wesentlichen Punkten anders gelagert: Es handelt sich im Unterschied zu dem von dem BFH entschiedenen Fall nicht um eine freiwillige Zahlung der Organgesellschaft vor Fälligkeit der Steuerschuld, sondern um eine im Wege des Lastschrifteinzugs von der Finanzverwaltung selbst ausgelöste Zahlung. Das Finanzamt hat in den Tatsacheninstanzen eingeräumt, durch den Lastschrifteinzug gegen die Schuldnerin den Haftungsanspruch durchgesetzt zu haben. Kann die Zahlung mithin allein dem Haftungsanspruch zugeordnet werden, ist die Anfechtung gegen die Finanzverwaltung begründet.
Fundstellen
Haufe-Index 2906823 |
BFH/NV 2012, 910 |
BGHZ 2012, 221 |
DB 2012, 399 |
DStR 2012, 527 |