Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Verkäufers von GmbH-Geschäftsanteilen auf Gewinnauszahlung
Leitsatz (amtlich)
1. Haben die Parteien in einem Kaufvertrag über GmbH-Geschäftsanteile vereinbart, dass der für einen bestimmten Stichtag festzustellende Gewinn der Gesellschaft dem Verkäufer zustehen soll, so ist es den Gesellschaftern im Regelfall verwehrt, gem. § 29 Abs. 2 GmbHG eine anderweitige Gewinnverwendung zu beschließen.
2. Vereiteln die Gesellschafter durch einen Beschluss über eine anderweitige Gewinnverwendung den Gewinnauszahlungsanspruch des Anteilsverkäufers, so sind sie diesem gegenüber unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung zum Schadensersatz verpflichtet.
Normenkette
GmbHG § 29 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG Rostock (Urteil vom 10.11.2003; Aktenzeichen 3 U 14/03) |
LG Stralsund (Urteil vom 25.09.2002; Aktenzeichen 7 O 124/02) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Rostock v. 10.11.2003 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Gewinnauszahlungsanspruch aus einem Vertrag über den Verkauf von GmbH-Geschäftsanteilen.
Die Klägerinnen waren Gesellschafterinnen der im Jahre 1993 gegründeten G. GmbH (künftig: GmbH). Mit notarieller Urkunde v. 27.12.1996 boten sie den Beklagten den Abschluss eines Geschäftsanteilkaufvertrages über die von ihnen gehaltenen Anteile an der GmbH an; an dieses Angebot hielten sie sich bis zum 31.12.1996 gebunden. In den §§ 3 und 4 des vorgesehenen Kaufvertrages waren die Übertragung der einzelnen Geschäftsanteile sowie die Höhe und Fälligkeit des Kaufpreises geregelt. § 5 enthielt neben weiteren Bestimmungen für die Durchführung des Vertrages folgende Klausel:
"2. Jeder Erwerber ist ab 1.1.1997 mit dem erworbenen Geschäftsanteil am Gewinn und Verlust beteiligt."
Mit notarieller Erklärung v. 30.12.1996 nahmen die Beklagten das Angebot der Klägerinnen ohne Änderungen oder Einschränkungen an.
Nach dem Jahresabschluss 1996 betrug der Gewinn der GmbH in diesem Jahr 129.892,21 DM. In der Gesellschafterversammlung v. 14.11.1997 stellten die Beklagten den Gewinn in dieser Höhe fest und beschlossen zugleich, ihn zur Bildung einer Rücklage i.H.v. 136.000 DM zu verwenden.
Die Klägerinnen sind der Auffassung, nach der Bestimmung des § 5 Nr. 2 des Kaufvertrages stehe der Gewinn des Jahres 1996 ihnen und der weiteren, am Rechtsstreit nicht beteiligten Anteilsveräußerin H. zu gleichen Teilen zu. Diesen Anspruch hätten die Beklagten schuldhaft vereitelt, indem sie den Gewinn nicht ausgeschüttet, sondern für eine Rücklage verwendet hätten; sie seien daher ihnen - den Klägerinnen - zum Schadensersatz wegen positiver Vertragsverletzung verpflichtet. Dem halten die Beklagten entgegen, § 5 Nr. 2 des Kaufvertrages erlaube nicht den vom gesetzlichen Leitbild der Neufassung des § 29 GmbHG abweichenden Umkehrschluss, dass den Klägerinnen ein Anspruch auf Vollausschüttung des vor dem 1.1.1997 erzielten Gewinns zustehe. Die Bildung einer Rücklage sei betriebswirtschaftlich und kaufmännisch zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der Gesellschaft notwendig gewesen.
Das LG hat den Gewinnauszahlungsanspruch der Klägerinnen dem Grunde nach als gerechtfertigt angesehen, den festgestellten Gewinn jedoch um eine Körperschaftssteuer von 30 % sowie die Geschäftsführertantieme von 10 % gekürzt und von den verbleibenden 81.832,08 DM jeweils ein Viertel, mithin 20.458,02 DM (10.460,02 EUR) den Klägerinnen als Schadensersatz zugesprochen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das OLG zurückgewiesen und zugleich die Revision zur grundsätzlichen Klärung der Frage zugelassen, ob die Beklagten mit ihrer Zustimmung zu der nach § 29 GmbHG zulässigen Gewinnthesaurierung gegen ihre Pflichten aus dem Geschäftsanteilskaufvertrag verstoßen haben.
Mit ihrer Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hält - ebenso wie bereits das LG - einen Schadensersatzanspruch der Klägerinnen wegen positiver Verletzung des Geschäftsanteilskaufvertrages v. 27./30.12.1996 für gegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Die Regelung in § 5 Nr. 2 des Kaufvertrages sei im Umkehrschluss dahin auszulegen, dass der Gewinn aus dem Geschäftsjahr 1996 noch den Altgesellschaftern zustehen solle. Eine solche Vereinbarung sei rechtlich möglich und zulässig. Zwar sei das Gewinnbezugsrecht an den Geschäftsanteil gebunden, der hiervon zu trennende Anspruch der Gesellschafter auf Ausschüttung ihres jährlichen Gewinnanteils könne jedoch auch schon vor seiner Entstehung - durch die Feststellung des Jahresabschlusses und Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses - abgetreten werden. Behalte sich der Veräußerer eines Geschäftsanteils das Gewinnbezugsrecht vor, so liege in der entsprechenden vertraglichen Vereinbarung die Rückabtretung des Gewinnanspruchs durch den Anteilserwerber. Dem stehe auch nicht die gesetzliche Abkehr von dem früheren Prinzip der Vollausschüttung durch die hier anwendbare Neufassung des § 29 GmbHG entgegen. Allerdings weise die Klausel in § 5 Nr. 2 des Kaufvertrages insofern eine Lücke auf, als sie eine ausdrückliche Regelung nur für die Zeit ab dem 1.1.1997, nicht jedoch für den Zeitraum davor enthalte. Diese Lücke sei aber im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung im Sinne eines Umkehrschlusses zu schließen. Entgegen der Auffassung der Beklagten lasse sich auch nicht feststellen, dass der Gewinn aus 1996 bereits bei der Bemessung des Kaufpreises für die Geschäftsanteile berücksichtigt worden sei. Die vertragliche Verpflichtung der Beklagten, für die Auskehrung des Gewinns an die Klägerinnen Sorge zu tragen, entfalle schließlich auch nicht deshalb, weil die beschlossene Rücklage nach § 29 Abs. 2 GmbHG zulässig sei, zumal der jetzt geltend gemachte Investitionsbedarf der Gesellschaft den Beklagten bereits bei Abschluss des Anteilskaufvertrages bekannt gewesen sei oder jedenfalls hätte bekannt sein müssen. Da die Beklagten schuldhaft gegen ihre Verpflichtung zur Auszahlung des Gewinns 1996 verstoßen hätten, seien sie den Klägerinnen unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der sich - wie bereits vom LG berechnet - auf jeweils 20.458,02 DM (10.460,02 EUR) belaufe.
II.
Diese Erwägungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht zunächst davon ausgegangen, dass der Anspruch eines Gesellschafters auf Auszahlung des Gewinns (§ 29 Abs. 1 GmbHG) erst mit der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung und mit der Beschlussfassung über die Verwendung des ausgewiesenen Gewinns entsteht (BGH v. 14.9.1998 - II ZR 172/97, BGHZ 139, 299 [302] = MDR 1998, 1421 = GmbHR 1998, 1177 = AG 1999, 79). Als künftiger Anspruch kann er jedoch im Voraus abgetreten werden (RGZ 98, 318 [320]). Behält sich der Veräußerer eines Geschäftsanteils in dem Anteilskaufvertrag die Auszahlung des für ein bestimmtes Geschäftsjahr zu erwartenden Gewinns an ihn selbst vor, so liegt in der entsprechenden vertraglichen Vereinbarung die rechtlich mögliche Rückabtretung des - von dem an den Geschäftsanteil gebundenen Gewinnstammrecht zu unterscheidenden - Anspruchs auf Auszahlung des Gewinns (Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 17. Aufl., § 29 Rz. 48, 49).
2. Die vom LG vorgenommene und vom OLG ausdrücklich gebilligte Auslegung der Klausel in § 5 Nr. 2 des Kaufvertrages, wonach sie nicht nur die Gewinn- und Verlustbeteiligung der Beklagten ab 1.1.1997, sondern im Umkehrschluss zugleich auch die Beteiligung der Klägerinnen für den Zeitraum vor diesem Stichtag regelt, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dabei kann dahinstehen, ob es sich insoweit, wie die Klägerinnen meinen, um die allgemeinen Grundsätzen folgende Auslegung einer konkludenten Regelung oder aber - nach Auffassung des OLG - um die Schließung einer Regelungslücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung handelt. Auch wenn man Letzteres annimmt, ist das vom Tatrichter für richtig gehaltene Verständnis dieser Bestimmung mindestens nahe liegend. Denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Parteien, wenn sie insoweit eine ausdrückliche Regelung getroffen hätten, diese nach Treu und Glauben in dem vom Berufungsgericht dargelegten Sinne formuliert hätten. Nach dem erkennbaren Zweck des Vertragsangebotes und des Vertrages selbst kam es den Parteien darauf an, - dem gesetzlichen Leitbild der §§ 101 Nr. 2 2. Halbs., 99 Abs. 2 BGB entsprechend - den Übergang der Geschäftsanteile einschließlich der Nutzen und Lasten zum 1.1.1997 als maßgebenden Stichtag herbeizuführen. Dementsprechend hatten sich die Klägerinnen bis zum 31.12.1996 an ihr Vertragsangebot gebunden, und die erste Hälfte des Kaufpreises sollte spätestens am 31.12.1996 bezahlt werden. Im Übrigen ist es weithin üblich, zur Schaffung möglichst klarer und einfacher Abgrenzungen die Wirkungen eines Anteilskaufvertrages an den Beginn eines neuen Geschäftsjahres zu knüpfen, das i.d.R. - so auch hier (§ 3 S. 2 des Gesellschaftsvertrages) - mit dem Kalenderjahr identisch ist. Die Ansicht der Beklagten, mit der Bestimmung des § 5 Nr. 2 des Kaufvertrages hätten die Beteiligten lediglich den Tag des Anteilsübergangs unabhängig vom Datum des Vertragsabschlusses festlegen wollen, erscheint vor diesem Hintergrund konstruiert und ist überdies auch mit dem Wortlaut der Klausel nicht zu vereinbaren.
Ohne Erfolg bleibt der Einwand der Revision, das Berufungsgericht habe mit rechtsfehlerhafter Begründung eine relevante Bedeutung der Gewinnerwartung für 1996 bei der Kaufpreisbemessung verneint. Die Revision meint, der Umstand, dass die Klägerinnen ihren Gewinnauszahlungsanspruch erst im Februar 1999 geltend gemacht haben, deute darauf hin, dass sie zunächst selbst davon ausgegangen seien, der zu erwartende Gewinn sei bereits bei der Festsetzung des Kaufpreises erhöhend berücksichtigt worden und stehe ihnen deshalb nicht mehr zu. Die Ursache für diese Verzögerung hat das Berufungsgericht nicht geklärt und brauchte es mangels entsprechenden Tatsachenvortrags der Beklagten auch nicht zu klären. Hierbei können vielfältige Gründe eine Rolle gespielt haben. Es stellt daher keinen Rechtsfehler dar, wenn das Berufungsgericht im Zusammenhang mit seiner (ergänzenden) Auslegung der Bestimmung in § 5 Nr. 2 des Kaufvertrages nicht eigens die von der Revision erwähnte mögliche Indizwirkung der späten Geltendmachung des Gewinnanspruchs gewürdigt hat.
3. An die in § 5 Nr. 2 des Kaufvertrages getroffene Ergebnisabgrenzungsvereinbarung waren die Beklagten gebunden. Zwar trifft es zu, dass § 29 GmbHG in der hier maßgebenden Fassung des Bilanzrichtliniengesetzes v. 19.12.1985 (BGBl. I, 2355) mit der Abkehr von dem früheren Vollausschüttungsprinzip den Anspruch der Gesellschafter auf Auszahlung des Bilanzgewinns eingeschränkt und die Bildung von Reserven erleichtert hat (vgl. dazu insgesamt Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 17. Aufl., § 29 Rz. 1 ff.). Diesem Ziel dient insb. die Vorschrift des § 29 Abs. 2 GmbHG, die es den Gesellschaftern erlaubt, den Gewinn ganz oder teilweise in Gewinnrücklagen einzustellen oder als Gewinn vorzutragen. Das bedeutet jedoch entgegen den Ausführungen der Revision keineswegs, dass die neuen Gesellschafter sich auf Grund dieses ihnen nunmehr vom Gesetz eingeräumten Spielraums hinsichtlich der Gewinnverwendung nach Belieben über eine vertragliche Gewinnverteilungsabrede hinwegsetzen können. Kollidieren wie hier eine derartige Vereinbarung und das in § 29 Abs. 2 GmbHG den Gesellschaftern zugebilligte Ermessen, so hat grundsätzlich die vertragliche Regelung Vorrang ggü. der Kann-Bestimmung des Gesetzes und beschränkt mithin jedenfalls im Verhältnis zum Altgesellschafter den Entscheidungsspielraum des Anteilserwerbers.
Ob unter besonderen Umständen ausnahmsweise etwas Anderes zu gelten hat und deshalb der Gewinnauszahlungsanspruch des früheren Gesellschafters hinter die wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft zurücktreten muss, bedarf hier keiner Entscheidung, weil die Beklagten solche Umstände nicht dargetan haben. Zu Recht hat das Berufungsgericht insb. darauf hingewiesen, dass der von den Beklagten geltend gemachte Investitionsbedarf der Gesellschaft keinen derartigen Grund darstellt. Immerhin war der Beklagte zu 1) seit der Errichtung der GmbH deren Geschäftsführer. Zumindest er war daher über den Zustand des Anlagevermögens der Gesellschaft, bei dem es sich nach dem Vorbringen der Beklagten um weitgehend verbrauchte Wirtschaftsgüter gehandelt hat, genau informiert; dass er die beiden Miterwerber, die Beklagten zu 2) und 3), hierüber im Unklaren gelassen hat, ist kaum vorstellbar. Was den Ausfall einer Forderung der GmbH gegen ihre Schwestergesellschaft - die B. GmbH, deren Gesellschafter die Ehemänner der Klägerinnen waren - i.H.v. rund 55.000 DM betrifft, würde dieser Umstand ohnehin nur zum Teil die vertragswidrige Gewinnverwendung erklären; im Übrigen hatte sich hierdurch lediglich das unternehmerische Risiko verwirklicht, das die Beklagten den Klägerinnen allenfalls dann entgegenhalten könnten, wenn diese bei Abschluss des Anteilskaufvertrages Zweifel an der Werthaltigkeit der betreffenden Forderung gehabt und ihre Bedenken den Beklagten als Anteilskäufern pflichtwidrig verschwiegen hätten. Dafür ist indessen nichts festgestellt.
Da das Berufungsgericht auch im Übrigen die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches wegen positiver Vertragsverletzung rechtsfehlerfrei bejaht hat, erweist sich die Revision als unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1205656 |
BB 2004, 1759 |
DB 2004, 1987 |
DStR 2004, 1713 |
DStZ 2004, 735 |
DStZ 2006, 388 |
NWB 2004, 2852 |
BBK 2004, 778 |
BGHR 2004, 1560 |
EBE/BGH 2004, 3 |
NJW-RR 2004, 1343 |
DNotI-Report 2004, 170 |
EWiR 2005, 705 |
NZG 2004, 912 |
StuB 2004, 1084 |
WM 2004, 1684 |
WuB 2004, 849 |
ZIP 2004, 1551 |
DNotZ 2005, 64 |
MDR 2004, 1125 |
NJ 2004, 509 |
GmbHR 2004, 1223 |
ZNotP 2004, 406 |
BBV 2005, 35 |
UM 2004, 325 |