Entscheidungsstichwort (Thema)
Indexierte Zweitwohnungssteuer der Stadt Westerland verfassungsgemäß
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Indexierung der Zweitwohnungssteuer der Stadt Westerland verletzt keine Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG.
2. Aufwandsteuern erfassen die aufgrund der Vermögens- oder Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf vermutete besondere Zahlungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, ob im Einzelfall die Leistungsfähigkeit überschritten wird, ist für die Steuerpflicht unerheblich.
3. Eine Indexregelung in einem Steuergesetz ist danach nur dann mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar, wenn der Bürger den Umfang seiner steuerlichen Verpflichtung hinreichend deutlich aus der Norm entnehmen kann; das Nominalwertprinzip ist kein Verfassungsprinzip
Normenkette
GG Art. 20 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 31, 73 Nr. 4, Art. 105 Abs. 2a, Art. 109 Abs. 2b; BewG § 79 Abs. 1; KAG SL §§ 1, 3; StabG §§ 1, 16; WährG § 3
Verfahrensgang
BVerwG (Beschluss vom 10.02.1988; Aktenzeichen 8 B 163/87) |
OVG für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 02.09.1987; Aktenzeichen 13 A 344/85) |
VG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 02.12.1985; Aktenzeichen 6 A 892/85) |
Tatbestand
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die Heranziehung zur Zweitwohnungsteuer durch die Stadt Westerland in den Jahren 1984 und 1985. Gegenstand der Steuer ist das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet. Für den Steuermaßstab regelt § 4 der „Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer in der Stadt Westerland” vom 20. Juni 1984:
„(1) Die Steuer bemißt sich nach dem Mietwert der Wohnung.
(2) Als Mietwert gilt die Jahresrohmiete. Die Vorschriften des § 79 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes in der Fassung vom 26. 9. 1974 (BGBl. I S. 2370 ff.) finden mit der Maßgabe Anwendung, daß die Jahresrohmieten, die gemäß Artikel 2 des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom 13. 8. 1965 (BGBl. I S. 851) vom Finanzamt auf den Hauptfeststellungszeitpunkt 1. 1. 1964 festgestellt wurden, jeweils für das Erhebungsjahr auf den Oktober des Vorjahres hochgerechnet werden. Diese Hochrechnung erfolgt entsprechend der Steigerung der Wohnungsmieten nach dem Preisindex der Lebenshaltung aller privaten Haushalte im Bundesgebiet, der monatlich vom Statistischen Landesamt Schleswig-Holstein veröffentlicht wird.
(3) und (4)…”
In ihrer Verfassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin insbesondere geltend, daß die „Indexierung” der Zweitwohnungsteuer sie in ihren Grundrechten verletze.
Die Deutsche Bundesbank hat zur Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Sie hat insbesondere auf die währungspolitischen Bedenken gegen eine Indexbindung in Steuergesetzen hingewiesen und die Frage aufgeworfen, ob die angegriffene Regelung mit dem Rechtsstaatsprinzip und mit Art. 31 GG vereinbar ist.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, denn die Beschwerdeführerin wird durch die Verwaltungsentscheidungen und die diese bestätigenden Gerichtsentscheidungen nicht in ihren Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt.
1. a) Bei der Zweitwohnungsteuer der Stadt Westerland handelt es sich um eine örtliche Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2 a GG, die bundesgesetzlichen Steuern nicht gleichartig ist. Diese Zweitwohnungsteuer erfüllt im Hinblick auf den Steuergegenstand die Anforderungen, die das BVERFG für die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer aufgestellt hat (vgl. BVerfGE 65, 325 ≪343 ff.≫ (= WM 1984,53 L.)).
b) Die Regelung des Steuermaßstabes nimmt der Zweitwohnungsteuer der Stadt Westerland nicht den Charakter einer örtlichen Aufwandsteuer. Örtliche Steuern sind Abgaben, die an örtliche Gegebenheiten, insbesondere an die Belegenheit einer Sache oder an einen Vorgang im Gebiet der steuererhebenden Gemeinde anknüpfen und wegen der Begrenzung ihrer unmittelbaren Wirkungen auf das Gemeindegebiet nicht zu einem die Wirtschaftseinheit berührenden Steuergefälle führen können (BVerfGE 65, 325 ≪349≫; 16, 306 ≪327≫). Zwar knüpft die Bestimmung der Jahresrohmiete in der Zweitwohnungsteuersatzung der Stadt Westerland an einen bundeseinheitlichen Maßstab an. Der die Steuerpflicht auslösende Tatbestand ist jedoch das Innehaben einer Zweitwohnung im Gemeindegebiet. Damit erfaßt der Steuertatbestand eine örtliche Gegebenheit, einen auf das Gemeindegebiet begrenzten Aufwand.
c) Die Satzungsbefugnis der Stadt Westerland zur Regelung des Steuermaßstabes leitet sich aus Art. 105 Abs. 2 a GG ab. Der schleswig-holsteinische Gesetzgeber hat die ihm zustehende Kompetenz zur Erhebung von örtlichen Steuern in §§ 1 und 3 KAG den Gemeinden übertragen. Diese Kompetenz umfaßt die Bestimmung des Steuermaßstabes. Eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes läßt sich entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin insoweit nicht aus Art. 73 Nr. 4 GG (Währungs-, Geld- und Münzwesen) herleiten.
2. Die Bemessung der Mietwerte gemäß § 4 der Zweitwohnungsteuer-Satzung der Stadt Westerland verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz; insbesondere war der Satzungsgeber berechtigt, eine typisierende Regelung der Bemessungsgrundlage zu treffen. Die Grenzen einer Typisierung im Steuerrecht sind nicht überschritten, solange der Satzungsgeber lediglich die im Grundgesetz (Art. 105, 106 GG) anerkannten Steuerarten nachzeichnet und fortentwickelt. Aufwandsteuern erfassen die aufgrund der Vermögens- oder Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf vermutete besondere Zahlungsfähigkeit des Steuerpflichtigen (vgl. BVerfGE 16, 64 ≪74≫; 49, 343 ≪354≫; 65, 325 ≪346 f.≫). Tatbestandsmerkmal ist der für die Allgemeinheit ersichtliche Konsum, ohne daß die persönlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Steuerpflichtigen ermittelt werden. Aufwandsteuern belasten somit eine im Aufwand typischerweise angelegte finanzielle Leistungsfähigkeit. Ob dieser Aufwand im Einzelfall die Leistungsfähigkeit überschreitet, ist für die Steuerpflicht unerheblich (BVerfGE 65, 325 ≪348≫). Die Typisierung der Bemessungsgrundlage der Zweitwohnungsteuer bleibt in diesen Grenzen der verfassungsrechtlich anerkannten Aufwandsteuer.
3. Die Indexierung der Zweitwohnungsteuer verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG.
a) Das Nominalwertprinzip ist weder ein Verfassungsprinzip, noch ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip die Unwirksamkeit der angegriffenen Regelung. Im System einer modernen Volkswirtschaft, die notwendig eine Geldwirtschaft ist, stellt das Nominalwertprinzip ein tragendes Ordnungsprinzip der geltenden Währungsordnung und Wirtschaftspolitik dar (BVerfGE 50, 57 ≪92≫ m.w.N.). Eine Indexbindung in Steuergesetzen wie auch in anderen Gesetzen wird daher grundsätzlich als währungspolitisch bedenklich und unerwünscht angesehen. Eine Indexierung im Steuerrecht ist insbesondere mit der Gefahr verbunden, daß die Indexklausel auf andere Rechtsgebiete übergreifen könnte und die Inflationsbekämpfung erschwert (Deutsche Bundesbank, Berücksichtigung der Geldentwertung bei der Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen, in: Monatsbericht August 1979, S. 20 ≪33≫).
Auch wenn die Indexierung in einer kommunalen Steuersatzung daher aus währungspolitischen Gründen höchst bedenklich erscheint, führt dies nicht notwendig zur Verfassungswidrigkeit der Satzung. Das Nominalwertprinzip ist kein Verfassungsprinzip, das zur Unwirksamkeit einer Indexregelung führen könnte. Aus Art. 20 Abs. 3 GG läßt sich kein Grundsatz ableiten, der generell das Nominalprinzip gebietet und eine Durchbrechung dieses Ordnungsprinzips in Ausnahmefällen verwehrt.
Die Regelung des § 4 Abs. 2 der Zweitwohnungsteuer-Satzung der Stadt Westerland verstößt auch im übrigen nicht gegen das Rechtsstaatprinzip. Die Grundsätze des Rechtsstaates erfordern, daß die Norm, die eine Steuerpflicht begründet, nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzbar ist, so daß die Steuerlast meßbar und für den Staatsbürger voraussehbar und berechenbar wird (BVerfGE 50, 57 ≪93≫; 13, 153 ≪160≫). Eine Indexregelung in einem Steuergesetz ist danach nur dann mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar, wenn der Bürger den Umfang seiner steuerlichen Verpflichtung hinreichend deutlich aus der Norm entnehmen kann. Insoweit bestimmt die Satzung der Stadt Westerland, daß die Jahresrohmiete gemäß § 79 BewG auf den Oktober des Vorjahres nach dem Preisindex der Lebenshaltung aller privaten Haushalte im Bundesgebiet hochgerechnet wird. Im Hinblick darauf, daß diese Daten bereits vor der Entstehung der Steuerschuld feststehen und aus öffentlichen Quellen entnommen werden, kann der Steuerpflichtige seine Steuerschuld hinreichend deutlich der Satzung über die Zweitwohnungsteuer entnehmen. Ein Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Bestimmtheitsgebot liegt nicht vor.
Soweit die Bemessungsgrundlage der Zweitwohnungsteuer durch die Indexierung an Faktoren gebunden wird, die durch Statistische Ämter ermittelt werden, ist ebenfalls kein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip ersichtlich. Die Verweisung eines Gesetzgebers auf Tatsachen oder Erkenntnisse begegnet jedenfalls dann keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sie durch öffentlich-rechtliche Institutionen ermittelt oder bestimmt werden. Besonderheiten, die im vorliegenden Fall eine andere Beurteilung geböten, sind nicht ersichtlich.
b) Die Zweitwohnungsteuer der Stadt Westerland ist auch im übrigen mit der verfassungsmäßigen Ordnung vereinbar. Sie verstößt nicht gegen Art. 109 Abs. 2 GG. Es kann offenbleiben, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Gemeinden bei ihren hauswirtschaftlichen Maßnahmen und der Satzungsgeber bei steuerrechtlichen Regelungen durch Art. 109 Abs. 2 GG verpflichtet werden können, denn Art. 109 Abs. 2 GG ist durch die Indexierungsregelung in einer kommunalen Steuersatzung nicht verletzt. Das BVerfG kann hauswirtschaftliche Maßnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 109 Abs. 2 GG nur begrenzt überprüfen. Ein Verstoß gegen das Gebot des Art. 109 Abs. 2 GG kann erst festgestellt werden, wenn bei einer Maßnahme offensichtlich die Belange des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts der Bundesrepublik Deutschland nicht beachtet werden und dadurch das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht beeinträchtigt werden wird. Ob die jeweilige haushaltspolitische ist oder dem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht am besten dient, hat das Gericht nicht zu prüfen. Die Indexierung der Bemessungsgrundlage der Zweitwohnungsteuer könnte zwar negative Auswirkungen auf die Stabilität des Preisniveaus haben. Daß diese Regelung einer kommunalen Steuersatzung jedoch das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht beeinträchtigt, kann nicht festgestellt werden. Zu einer kommunalen Zweitwohnungsteuer wird nur ein relativ kleiner Personenkreis herangezogen, so daß generelle negative Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland ausgeschlossen sind. Die Indexierung bezieht sich im übrigen auf einen zurückliegenden Zeitpunkt und versucht, der Besteuerung zeitnahe Bemessungswerte zugrunde zu legen. Die möglichen negativen Auswirkungen auf die Preisstabilität sind daher begrenzt. Schließlich hat die Hochrechnung der Bemessungsgrundlage im vorliegenden Fall nur eingeschränkte Auswirkungen, da der Steuersatz lediglich 8 % des Mietwertes beträgt. Eine offensichtliche Mißachtung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts läßt sich nicht feststellen.
4. Die Indexierung der Bemessungsgrundlage in der Zweitwohnungsteuer der Stadt Westerland verstößt nicht gegen Art. 31 GG. Art. 31 GG ist eine Vorschrift, die Normenkollisionen lösen soll. Voraussetzung für die Anwendung des Art. 31 GG ist daher, daß die Rechtsvorschriften beider Rechtsetzungsorgane auf denselben Sachverhalt anwendbar sein müssen. Beide Gesetzgeber (Bund und Land) müssen denselben Gegenstand, dieselbe Rechtsfrage geregelt haben (BVerfGE 26, 116 ≪135≫; 36, 342 ≪363≫).
Soweit die Deutsche Bundesbank insoweit auf das Nominalwertprinzip als einen ungeschriebenen, von der Rechtsprechung bekräftigten Rechtsgrundsatz des Bundesrechts verweist, sind die Voraussetzungen des Art. 31 GG nicht gegeben. Selbst wenn das Nominalwertprinzip als ein (bundes-)gewohnheitsrechtlicher Rechtssatz angesehen würde, läßt sich diesem Prinzip kein absolutes Verbot einer Indexierung in einer steuerlichen Bemessungsgrundlage entnehmen. Es handelt sich beim Nominalwertprinzip lediglich um einen allgemeinen Grundsatz, dem sich keine konkreten Gebote und Verbote entnehmen lassen. Ein gewohnheitsrechtliches Regelungsverbot der Indexierung einer steuerlichen Bemessungsgrundlage und damit eine Normenkollision besteht nicht, so daß ein Verstoß gegen Art. 31 GG ausscheidet.
Soweit sich die Beschwerdeführerin auf § 3 WährG und §§ 1 und 16 StabG beruft, ist Art. 31 GG ebenfalls nicht anwendbar, da diese Vorschriften nicht die Indexierung einer steuerlichen Bemessungsgrundlage regeln. Die Auslegung und Anwendung dieser währungsrechtlichen Vorschriften durch die Gerichte unterliegt im übrigen nur begrenzter verfassungsgerichtlicher Überprüfung (BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫; st. Rspr.). Es ist nicht ersichtlich, daß die Beschwerdeführerin insoweit durch die angegriffenen Entscheidungen in ihren Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt wäre.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen