Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschränkte Steuerpflicht, Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, Quellenbesteuerung muss Grundfreibetrag oder andere durch die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen bedingte Abzüge vorsehen
Leitsatz (amtlich)
Artikel 39 EG steht den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegen, wonach natürliche Personen, die steuerlich als nicht im Inland wohnend angesehen werden, die dort aber Einkünfte aus Arbeit beziehen,
- einer Quellensteuer unterliegen, die keinen Grundfreibetrag oder andere durch die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen bedingte Abzüge vorsieht,
- während im Inland ansässige Personen bei der normalen Veranlagung zur Einkommensteuer bezüglich sämtlicher in diesem Mitgliedstaat und im Ausland erzielten Einkünfte Anspruch auf einen solchen Freibetrag haben oder zu solchen Abzügen berechtigt sind,
- wenn im Besteuerungsstaat gebietsfremde Personen in ihrem eigenen Wohnsitzstaat nur über Ressourcen verfügt haben, die ihrem Wesen nach nicht der Einkommensteuer unterliegen.
Normenkette
EGVtr Art. 39
Beteiligte
Verfahrensgang
Regeringsrätt (Schweden) (Beschluss vom 10.04.2003) |
Tatbestand
„Freizügigkeit ‐ Arbeitnehmer ‐ Einkommensteuer ‐ Beschränkte Steuerpflicht eines Steuerpflichtigen, der einen geringen Teil seiner Einkünfte in einem Mitgliedstaat erzielt und in einem anderen Mitgliedstaat wohnt“
In der Rechtssache C-169/03
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Regeringsrätt (Schweden) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Florian W. Wallentin
gegen
Riksskatteverket
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 39 EG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter) sowie der Richter A. La Pergola und S. von Bahr, der Richterin R. Silva de Lapuerta und des Richters K. Lenaerts,
Generalanwalt: P. Léger, Kanzler: R. Grass,
aufgrund der schriftlichen Erklärungen
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von Herrn Wallentin, der sich selbst vertritt,
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des Riksskatteverket, vertreten durch T. Wallén als Bevollmächtigten,
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der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und C. Mercier als Bevollmächtigte,
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der finnischen Regierung, vertreten durch A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigte,
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der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und K. Simonsson als Bevollmächtigte,
aufgrund des Berichts des Berichterstatters,
aufgrund der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. März 2004,
folgendes
Urteil
1
Mit Beschluss vom 10. April 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 14. April 2003, hat der Regeringsrätt in Bezug auf die Frage, ob die schwedischen Vorschriften über die Erhebung einer besonderen Einkommensteuer für im Ausland ansässige Personen in bestimmten Fällen gegen den Vertrag verstoßen können, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung von Artikel 39 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2
Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Wallentin und dem Riksskatteverket (Zentralamt für Steuern und Finanzen).
Rechtlicher Rahmen, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
3
Der deutsche Staatsbürger F. W. Wallentin wohnte im entscheidungserheblichen Zeitraum in Deutschland, wo er studierte. Seine Eltern zahlten ihm eine monatliche Unterstützung von 650 DM, und vom deutschen Staat erhielt er ein Stipendium von monatlich 350 DM für Wohnung und laufende Kosten. Diese Beträge stellten nach deutschem Steuerrecht ihrem Wesen nach kein steuerpflichtiges Einkommen dar.
4
Vom 3. bis 25. Juli 1996 war Herr Wallentin gegen Entgelt als Praktikant bei der Kirche von Schweden beschäftigt. Hierzu hielt er sich vom 1. Juli bis 20. August 1996 in Schweden auf. Die Kirche zahlte ihm ein Praktikantengehalt in Höhe von 8 724 SEK.
5
Herr Wallentin beantragte bei den schwedischen Finanzbehörden für diesen Betrag eine Befreiung von der Einkommensteuer. Dieser Antrag wurde von den Finanzbehörden mit dem Hinweis abgelehnt, dass gemäß dem Lag (1991:586) om särskild inkomstskatt för utomlands bosatta (Gesetz über die besondere Einkommensteuer für im Ausland ansässige Personen, im Folgenden: SINK), das den Fall der beschränkten Einkommensteuerpflicht regelt, auf den streitigen Betrag Einkommensteuer in Höhe von 25 % zu erheben sei.
6
Das SINK ist auf im Ausland ansässige Personen anwendbar, die während kurzer Aufenthalte in Schweden von höchstens sechs Monaten jährlich dort Einkünfte erzielen. Dabei handelt es sich um eine Quellensteuer; ein Abzugsrecht aufgrund der persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen besteht nicht. Dagegen ist der Satz der besonderen Einkommensteuer niedriger als derjenige der normalen Einkommensteuer, die progressiv ist und gemäß den Ausführungen des vorlegenden Gerichts bei etwa 30 % liegt.
7
Personen, die länger als sechs Monate jährlich in Schweden ansässig sind und der normalen Steuerpflicht unterliegen (unbeschränkt Steuerpflichtige), haben Anspruch auf einen Grundfreibetrag, d...