Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff des Quellensteuerabzugs, Mutter-Tochter-Richtlinie
Leitsatz (amtlich)
Es stellt einen Steuerabzug an der Quelle im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten dar, wenn das nationale Recht vorschreibt, dass bei der Ausschüttung von Gewinnen durch eine Tochtergesellschaft (eine Aktiengesellschaft oder eine entsprechende Gesellschaft) an ihre Muttergesellschaft für die Bestimmung der steuerbaren Gewinne der Tochtergesellschaft deren gesamter Reingewinn einschließlich der Einkünfte, die einer besonderen, zum Erlöschen der Steuerschuld führenden Besteuerung unterliegen, sowie der nichtsteuerbaren Einkünfte berücksichtigt wird, obwohl diese beiden Arten von Einkünften nach nationalem Recht nicht besteuert würden, wenn sie bei der Tochtergesellschaft verblieben und nicht an die Muttergesellschaft ausgeschüttet würden.
Normenkette
EWGRL 435/90 Art. 5 Abs. 1
Beteiligte
Verfahrensgang
Dioikitiko Protodikeio Athinon (Griechenland) |
Tatbestand
Körperschaftsteuer - Mutter- und Tochtergesellschaften - Richtlinie 90/435/EWG - Begriff des Steuerabzugs an der Quelle
In der Rechtssache C-294/99
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Dioikitiko Protodikeio Athinon (Griechenland) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Athinaïki Zythopoiia AE
gegen
Elliniko Dimosio
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 5 Absatz 1 der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 225, S. 6)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. La Pergola sowie der Richter M. Wathelet (Berichterstatter), D. A. O. Edward, P. Jann und L. Sevón,
Generalanwalt: S. Alber
Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der Athinaïki Zythopoiia AE, vertreten durch I. Stavropoulos und N. Skandamis, dikigoroi,
- der griechischen Regierung, vertreten durch G. Alexaki und K. Grigoriou als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Michard und M. Patakia als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Athinaïki Zythopoiia AE, vertreten durch I. Stavropoulos und N. Skandamis, der griechischen Regierung, vertreten durch G. Alexaki und durch V. Kyriazopoulos als Bevollmächtigten, und der Kommission, vertreten durch H. Michard und M. Patakia, in der Sitzung vom 28. März 2001,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. Mai 2001,
folgendes
Urteil
1. Das Dioikitiko Protodikeio Athinon (Erstinstanzliches Verwaltungsgericht Athen) hat mit Beschluss vom 26. Juli 1999, beim Gerichtshof eingegangen am 5. August 1999, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung des Artikels 5 Absatz 1 der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsameSteuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 225, S. 6, im Folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2. Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit, der aufgrund der Klage der Athinaïki Zythopoiia AE gegen die stillschweigende Zurückweisung des von dieser Gesellschaft hinsichtlich der Besteuerung ihrer Einkünfte eingelegten Einspruchs durch den Leiter des Finanzamts Athen anhängig ist.
Die Richtlinie
3. Die Richtlinie stellt einen der drei Rechtsakte dar, die am 23. Juli 1990 beschlossen wurden, um bestimmte steuerliche Hindernisse für Zusammenschlüsse von Gesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten zu beseitigen. Die anderen Rechtsakte sind die Richtlinie 90/434/EWG des Rates über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen (ABl. L 225, S. 1), und das Übereinkommen 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen (ABl. L 225, S. 10).
4. Nach ihrer ersten Begründungserwägung sollen durch die Richtlinie wettbewerbsneutrale steuerliche Regelungen geschaffen werden, um die Anpassung von Unternehmen an die Erfordernisse des Gemeinsamen Marktes, eine Erhöhung ihrer Produktivität und eine Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf internationaler Ebene zu ermöglichen. Nach ihrer dritten Begründungserwägung sollen durch sie insbesondere die steuerlichen Benachteiligungen der Unternehmensgruppen aus verschiedenen Mitgliedstaaten gegenüber den Unternehmensgruppen aus ein und demselben Mitgliedstaat beseitigt werden.
5. Die Notwendigkeit der Richtlinie ergibt sich daraus, dass in mehreren Staaten niedergelassene Unternehmensgruppen einer Doppelbesteuerung unterworfe...