Entscheidungsstichwort (Thema)
Gutglaubensschutz bei steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferung bei fehlendem Belegnachweis
Leitsatz (redaktionell)
Sind die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG zweifelsfrei erfüllt, ist nach § 6 a Abs. 4 Satz 1 UStG eine innergemeinschaftliche Lieferung auch bei fehlenden oder unvollständigen Buch- und Belegnachweisen steuerfrei, wenn der Unternehmer auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns die Falschdeklarierung der vom Abnehmer vorgelegten Nachweise nicht erkennen konnte.
Normenkette
UStG § 6a Abs. 1, 4, § 17a Abs. 1; UStDV § 4 Nr. 1b
Nachgehend
Tenor
I. Die Einspruchsentscheidung vom 11. November 2004 wird aufgehoben. Der Umsatzsteuerbescheid 2000 vom 19. Juli 2004 und der Umsatzsteuerbescheid 2001 vom 6. August 2004 werden geändert und die negative Umsatzsteuerschuld 2000 auf … EUR und die negative Umsatzsteuerschuld 2001 auf … EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt zu 1,62 v.H. und der Beklagte zu 98,38 v.H. die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht der Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der für ihn festgesetzten Kostenerstattung leistet.
IV. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Streitig ist, ob Umsätze der Klägerin (Klin) als innergemeinschaftliche Lieferungen von der Umsatzsteuer (USt) befreit sind.
A.B. initiierte seit Mitte der neunziger Jahre die Gründung einer Reihe von Unternehmen – überwiegend in der Rechtsform einer GmbH –, die zur sog. „B-Gruppe” mit insgesamt nicht mehr als 14 Mitarbeitern zusammengefasst waren. Das Stammkapital übernahmen bei der Mehrzahl der Gesellschaften dessen Ehefrau C.B. oder die beiden 1989 bzw. 1993 geborenen Söhne E. und F.. Als Geschäftsführer wurden A.B. aber auch in der Unternehmensgruppe beschäftigte Mitarbeiter bestellt.
Die Gründung der am 03.06.1998 in das Handelsregister eingetragenen Klin erfolgte bereits mit Vertrag vom 23.05.1997. Das Stammkapital i.H. von … DM hielt nach dem am selben Tag abgeschlossenen Treuhandvertrag der alleinige Gesellschafter P.M. in Höhe von … DM treuhänderisch für die beiden minderjährigen Söhne der Eheleute B. Der am 07.05.1970 in GÄ geborene gelernte Koch, ein seit 1992 in der B-Gruppe als Kraftfahrer und zuletzt als Disponent beschäftigter Mitarbeiter, übernahm auch formell die Funktion des Geschäftsführers.
Für die Klin war in den Jahren 2000 und 2001 auch U.G. als freier Mitarbeiter tätig, der dort zunächst unter dem Aliasnamen „X” auftrat. G. arbeitete bis zu seiner Freistellung am 09.05.2001 hauptberuflich im Werk Z der (im Weiteren Y AG) im Bereich der Frachtenplanung. Seinem Ausscheiden ging eine Kündigung durch den Arbeitgeber zum 31.08.2001 voraus.
Entgegen der Firmenbezeichnung und dem im Gesellschaftsvertrag angegebenen Unternehmensgegenstand vermittelte die Klin keine Transporte, sondern handelte seit Oktober 1999 ausschließlich mit fabrikneuen Pkw der Marke Q. Die Klin und drei weitere Gesellschaften der B-Gruppe erwarben zu diesem Zweck in den Jahren 1999 bis 2001 von der Y AG mit erheblichen Preisnachlässen ca. 1.800 Neufahrzeuge. Die vertragliche Grundlage bildeten sog. Mengenrabattabkommen, in denen sich die Gesellschaften u.a. dazu verpflichteten, die erworbenen Pkw nicht vor Ablauf einer Haltezeit von sechs Monaten weiter zu veräußern. Die Kaufverträge wurden jeweils durch das Autohaus in U (im Weiteren Autohaus H), einem vom Hersteller autorisierten Vertragshändler, vermittelt. Die gelieferten Pkw, die häufig eine Zusatzausstattung für den Verkauf nach Fernost aufwiesen, veräußerten diese vier Gesellschaften der B-Gruppe unter Verletzung der Haltevereinbarung umgehend weiter.
Die Klin bezog von der Y AG insgesamt 1.060 Fahrzeuge. Im März und April 2000 verkaufte sie für netto … DM 12 Neuwagen an die T Fahrzeughandel GmbH in A – J (im Weiteren T GmbH). Zwischen Januar und Oktober 2000 erwarb die in B – S (im Weiteren XYZ) von der Klin 148 Fahrzeuge für netto … DM und im Zeitraum Dezember 1999 bis Juni 2000 die in I – O (im Weiteren SCH) 88 Pkw für … DM.
An die am 16.03.1999 gegründete in A – V (im Weiteren W GmbH) veräußerte die Klin ab Juli 2000 bis Oktober 2001 156 Pkw (2000) bzw. 442 Pkw (2001) für netto … DM (2000) bzw. … DM (2001). Die Gesellschaft war im Firmenbuch des Handelsgerichts K unter der Nummer 123 eingetragen. Deren Geschäfte führten bis zu ihrer Auflösung am 16.01.2002 neben dem in der Türkei geborenen Alleingesellschafter und formellen Geschäftsführer Ü.Ä., wohnhaft in Ö, im Wesentlichen der in P ansässige, mehrfach vorbestrafte R.R.. Das Büro des Unternehmens befand sich in einem Wohn- und Geschäftshaus in der Altstadt von V und war lediglich mit einer fest angestellten Mitarbeiterin und einer Aushilfskraft besetzt. Die Fahrzeuge wurden im Auftrag u...