Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkender Wegfall der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO zwei Jahre nach Eingang des unbefristeten Antrags auf Prüfungsverschiebung
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei einem unbefristet gestellten Antrag auf Hinausschieben des Prüfungsbeginns kommt es für den Eintritt der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO nicht darauf an, ob bzw. inwieweit zu einem dem Tag der Antragstellung nachfolgenden Zeitpunkt Gründe, die in der Sphäre der Finanzverwaltung liegen, gleichfalls ursächlich für das Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung sein könnten.
2. Stellt der Steuerpflichtige einen unbefristeten Antrag auf Hinausschieben des Prüfungsbeginns muss die Behörde die Prüfung vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags beginnen, wenn sie den Ablauf der Festsetzungsfrist verhindern will. Dies gilt auch dann, wenn für die Verschiebung des Prüfungsbeginns weitere Gründe in der Sphäre des Steuerpflichtigen ursächlich geworden sind.
3. Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3a AO, nach dem die Festsetzungsfrist nicht abläuft, wenn ein Steuerbescheid mit dem Einspruch angefochten worden ist, gilt nicht für Steuerbescheide, deren Festsetzungsfrist bei Einführung der Vorschrift bereits abgelaufen ist.
Normenkette
AO § 171 Abs. 4, 3, 3a, 8, 10, § 181 Abs. 5, § 164 Abs. 2, § 169 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 181 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 5 Sätze 1-2; EGAO Art. 97; EGAO § 10 Abs. 9; KStG § 49 Abs. 1, § 47 Abs. 1, 2 S. 1; EStG § 25 Abs. 3
Nachgehend
Tenor
1. Die Körperschaftsteuerbescheide und die Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 47 Abs. 2 KStG für 1991 bis 1994 vom 26. Mai 2004 sowie die Gewerbesteuermessbescheide für 1991 bis 1993 vom 26. Juli 2004, alle in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Juni 2008, werden ersatzlos aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist –nach zwischenzeitlichen Änderungen wieder– eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die chirurgische und sonstige medizinische Instrumente herstellt, vertreibt und repariert. In den Streitjahren (1991 bis 1994) war Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin Herr a A, der daneben an drei anderen GmbHs als Gesellschafter beteiligt und bei den drei GmbHs zum Geschäftsführer bestellt war.
Die Klägerin reichte ihre Körperschaftsteuererklärungen und ihre Erklärungen zur gesonderten Feststellung der in § 47 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) genannten Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre beim Beklagten (dem Finanzamt –FA–) wie folgt ein:
für 1991: |
am 17. November 1992 |
für 1992: |
am 14. Januar 1994 |
für 1993: |
am 23. August 1994 |
für 1994: |
am 23. März 1995. |
Die Gewerbesteuererklärungen für 1991 bis 1993 gingen an folgenden Tagen ein:
für 1991: |
unbekannt, da vernichtet (der Messbescheid erging am 12. März 1993) |
für 1992: |
am 14. Januar 1994 |
für 1993: |
am 23. August 1994 |
In der Folgezeit erließ das FA aufgrund der Steuererklärungen Steuerbescheide; diese ergingen sämtlich unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung –AO–). Einige dieser Bescheide wurden später aus nicht streitigen Gründen geändert; der Vorbehalt der Nachprüfung blieb jeweils bestehen. Gegen die Körperschaftsteuerbescheide für 1992 und 1993 sowie gegen die Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 47 Abs. 1 KStG zum 31. Dezember 1991 bis 31. Dezember 1994, alle vom 15. März 1996, wurden Einsprüche eingelegt. Das FA half durch Änderungsbescheide vom 18. August 1996 (wegen Körperschaftsteuer 1992) und vom 18. August 1997 (wegen gesonderter Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 47 Abs. 1 KStG zum 31. Dezember 1991 bis 31. Dezember 1994) den genannten Einsprüchen ab; gleichwohl wurden am 3. September 2001 Einsprüche wegen Körperschaftsteuer 1992 und 1993 zum Ruhen gebracht.
In den Jahren 1990 bis 1996 fand bei der Klägerin u.a. eine Betriebsprüfung (Bp) wegen Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer 1984 bis 1990 statt. Gegen die nach der Bp ergangenen Änderungsbescheide legte die Klägerin im Jahr 1997 Einsprüche ein. Gegenstand der Einspruchsverfahren 1984 bis 1990 war u.a. die Frage, ob ein Teil des Geschäftsführergehalts des A als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zu werten ist, weil die Gesamtausstattung des A bei sämtlichen Konzerngesellschaften zu hoch sei.
Daneben war gegen A zwischen 1990 und 1997 ein strafrechtli...