Entscheidungsstichwort (Thema)
Investitionszulage 1993
Tenor
Abweichend von dem Investitionszulagenbescheid 1993 vom 06.04. 1994 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 26.10.1994 wird die Investitionszulage 1993 auf 36.326,00 DM festgesetzt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Beschluß:
Der Streitwert wird auf 21.795,00 DM festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin beantragte Investitionszulage in Höhe von 36.326,00 DM (20 %) für im Jahre 1993 angeschaffte Wirtschaftsgüter zu einem Anschaffungspreis von 181.628,06 DM. Die Brüder Th… und S… A… sind jeweils zu 50 Prozent an der Klägerin beteiligt. Der Gesellschafter Th… A… verließ am 30.08.1989 ohne Ausreisegenehmigung die DDR und gelangte über Ungarn und Österreich in die Bundesrepublik Deutschland. Dort wohnte er bei entfernten Verwandten. Um eine eigene Wohnung bemühte er sich nicht. Am 18.09.1989 nahm er in Schleswig- Holstein eine Tätigkeit als Brunnenbauer an.
Auf Anfrage seines Vaters im September 1989 bei der Kreisdienststelle B… des Ministeriums für Staatssicherheit und der Kriminalpolizei des Volkspolizei-Kreisamts B…, unter welchen Voraussetzungen sein Sohn in die DDR zurückkehren könne, erhielt dieser die Auskunft, daß Th… A… mit einer empfindlichen Haftstrafe zu rechnen habe.
Anfang Februar und Ende März 1990 besuchte Th… A… seine Eltern in ihrem B…'er Haus. Ab April 1990 arbeitete er für seinen westdeutschen Arbeitgeber in der Nähe der elterlichen Wohnung. Dort wohnte er nach seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung – wie vor seiner Ausreise aus der DDR – zusammen mit seinem Bruder in einem für ihn auch nach der Flucht bereitgehaltenen Zimmer. Ab Mitte 1990 setzte er seine Ausbildung im väterlichen Betrieb zum Brunnenbaumeister fort. Die polizeiliche Wiederanmeldung in A… erfolgte Ende 1990.
Der Beklagte gewährte Investitionszulage lediglich in Höhe von 8 % der beantragten Bemessungsgrundlage.
Der hiergegen eingelegte Einspruch der Klägerin blieb erfolglos. Zur Begründung der Einspruchsentscheidung führte der Beklagte aus, daß Th… A… am 09.11.1989 seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Fördergebiet des Investitionszulagengesetzes gehabt habe. Begünstigt nach dem Investitionszulagengesetz sei lediglich S… A…, dem jedoch nicht mehr als 50 % der Gesellschaftsanteile zuzurechnen seien. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Nr. 1 des Investitionszulagengesetzes 1993 (InvZulG) lägen daher nicht vor.
Die Klage begründet die Klägerin damit, daß Th… A… seinen Wohnsitz in B… nicht aufgegeben habe.Die Abwesenheit von B… habe nicht zur Aufgabe seines dortigen Wohnsitzes geführt, da die Wohnung nicht aufgelöst worden sei, und er den Willen zur Rückkehr gehabt habe.
Die Klägerin beantragt,
abweichend von dem Bescheid vom 06.04.1994 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 26.10.1994 die Investitionszulage für 1993 auf 36.326,00 DM festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung und führt ergänzend folgendes aus:
Bis zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten im Oktober 1990 sei bei einem Verlassen der damaligen DDR ohne Ausreisege nehmigung regelmäßig von der Aufgabe des Wohnsitzes in der DDR auszugehen. Da Th… A… erst in die DDR zurückgekehrt sei, als sich die Verhältnisse geändert hätten, erscheine es zumindest zweifelhaft, ob eine Wiederbegründung des Wohnsitzes in der DDR überhaupt gewollt gewesen sei. Da dem Gesetzgeber die Vielzahl von Ausreisenden vor dem 09.11.1989 und deren anschließende Rückkehr bekannt gewesen sei, könne von dem eindeutigen Gesetzes wortlaut des § 5 InvZulG, der auf den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt am 09.11.1989 abstelle, nicht abgewichen werden.
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Investitionszulage in Höhe von 20%, da ihre beiden Gesellschafter am 09.11.1989 ihren Wohnsitz im Fördergebiet hatten.
Gemäß § 5 Abs. 2 des InvZulG 1993 erhöht sich bei Investitionen im Sinne des § 3 Nr. 3 InvZulG die Zulage auf 20 % der Bemessungsgrundlage, soweit u. a. Gesellschaften im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes die Investition vorgenommen haben und sofern bei diesen mehr als die Hälfte der Anteile unmittelbar Steuerpflichtigen zuzurechnen sind, die am 09.11.1989 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Fördergebiet hatten.
Gemäß § 8 der Abgabenordnung (AO) in Verbindung mit § 7 des InvZulG hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Maßgebend ist der objektive Zustand der Wohnung. Ihre Ausstattung und die sonst getroffenen Anstalten des Wohnungsinhabers müssen darauf hinweisen, daß die Wohnung tatsächlich benutzt werden soll und...