Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung von Gebäuden der Deutschen Post AG in den neuen Bundesländern zum 1.1.1996. Anwendungsbereich und Bindungswirkung des „Posterlasses”. Einheitswertbescheid (Nachfeststellung) auf den 1. Januar 1996
Leitsatz (amtlich)
1. Ein mit einem Postfilialgebäude nebst Anbau sowie einem als Garage genutzten Nebengebäude bebautes Grundstück der Deutschen Post AG in den neuen Ländern ist zum 1.1.1996 nicht nach den Grundsätzen des Erlasses betreffend die Bewertung des Grundbesitzes der Deutschen Post AG im Beitrittsgebiet (vom 16.9.1997 – Posterlass –), sondern entsprechend dem Erlass zur Bewertung von Gewerbegrundstücken im Beitrittsgebiet (vom 21.5.1993, BStBl I 1993, 467) zu bewerten, wenn es aufgrund des unüblich hohen Anteils der Packräume im Postfilialgebäude (46 % des umbauten Raumes) nicht mit den im Posterlass zugrunde gelegten „Normalbauten” verglichen werden kann.
2. Hier: Ansatz eines Raummeterpreises für den Verwaltungsteil in dem Postfilialgebäude mit 24 DM/Kubikmeter, Packräume mit 15 DM/Kubikmeter und Nebengebäude (Garage) mit 8 DM/Kubikmeter.
3. Der „Posterlass” bindet die Beteiligten zwar nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben oder des Vertrauensschutzes, stellt aber zumindest bei „Normalbauten” (Postgebäude mit vergleichbarer Bau- und Verwendungsart und Ausstattung) eine nicht zu beanstandende Schätzungsgrundlage i.S. des § 162 AO 1977 dar.
4. Zwar kommt es bei der – infolge des Wegfalls der Grundsteuerbefreiung für Postgebäude im Beitrittsgebiet ab 1996 erforderlichen – Nachfeststellung von Einheitswerten zum 1.1.1996 grundsätzlich auf die Wertverhältnisse vom 1.1.1935 an; sind aber keine Jahresrohmieten oder Verkäufspreise zu diesem Stichtag bekannt, sind die maßgeblichen Werte zu schätzen.
Normenkette
AO 1977 § 162; BewG § 129 Abs. 1, 2 Nr. 2; RBewDV § 32 Abs. 1 Nr. 2, § 33 Abs. 2 S. 1; BewG § 9 Abs. 2; RBewDV §§ 3a, 33 Abs. 2 S. 2; BGB § 242; PTNeuOG Art. 12 Abs. 43 Nr. 2
Nachgehend
Tenor
Unter Änderung des Einheitswertbescheids auf den 1. Januar 1996 vom 1. März 1999 und vom 8. Dezember 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Januar 2000 in Form des Änderungsbescheids vom 24. Juli 2000 wird der Einheitswert auf DM 252 500,– festgestellt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist für die Klägerin wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks in L…, das unter anderem mit einem Postfilialgebäude (Lageplan-Nr. 1 und 2) nebst Anbau (Lageplan-Nr. 1.1. bzw. 7) und einem Nebengebäude (Lageplan-Nr. 5) bebaut ist und zu eigenen betrieblichen Zwecken genutzt wird; auf den Lageplan wird Bezug genommen. Das Postfilialgebäude (Lageplan-Nr. 1 und 2) besteht zum einen aus einem Verwaltungsteil mit einem umbauten Raum von 4 178 m³ (Ausstattungsgüte 2,04) und zum anderen aus Packräumen mit einem umbauten Raum von 3 559 m³ (Ausstattungsgüte 2,67). Ferner nutzt die Klägerin das Nebengebäude (Lageplan-Nr. 5) mit einem umbauten Raum von 2 332 m³ (Ausstattungsgüte 1,00) als Garage sowie für Werkstattarbeiten.
Aufgrund des Wegfalls der Grundsteuerbefreiung gemäß Artikel 12 Abs. 43 Nr. 2 Postneuordnungsgesetz gab die Klägerin für das vorgenannte Grundstück eine Einheitswerterklärung (Nachfeststellung), auf deren Einzelheiten ebenfalls Bezug genommen wird, auf den 1. Januar 1996 ab. Der Beklagte führte die Bewertung nach Maßgabe des Erlasses betreffend die Bewertung des Grundbesitzes der Deutschen Post AG im Beitrittsgebiet – neue Länder vom 16. September 1997 – Posterlass – durch und bewertete das Postfilialgebäude (Lageplan-Nr. 1 und 2) mit DM 24,–/m³ und das Nebengebäude (Lageplan-Nr. 5) mit DM 12,–/m³ und stellte einen Einheitswert von DM 335 700,– fest.
Der dieser Bewertung zu Grunde liegende Posterlass entstand wie folgt
Im Zusammenhang mit der anstehenden Postreform und der daraus folgenden Aufhebung der Grundsteuerbefreiung hatte sich die Klägerin bereits im März 1994 an das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen gewandt. Die Klägerin schlug in ihrem Schreiben vor, bis spätestens Mitte 1995 anhand der aktuellen Jahresmieten für die Dienstgebäude und Dienstgrundstücke die Jahresrohmiete auf den 1. Januar 1964 zurückzurechnen. Auf dieser Basis sollten dann die jeweiligen Einheitswerterklärungen unter Angabe der ermittelten Jahresrohmieten abgegeben werden. Unter Bezugnahme auf dieses Schreiben bat die mit der Datenerhebung für die Bewertung der Grundstücke befasste Projektgruppe der Klägerin die Finanzministerien der Bundesländer um Übersendung der notwendigen Steuererklärungsvordrucke. Im November 1994 beschlossen die Länderfinanzministerien, die Oberfinanzdirektion – OFD – Mün...