Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden eines Auflösungsverlustes i. S. des § 17 Abs. 4 EStG. Einkommensteuer 1995
Leitsatz (amtlich)
Einen steuerlich nicht vorgebildeten Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH trifft kein grobes Verschulden i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO am nachträglichen Bekanntwerden eines nach § 17 Abs. 4 EStG zu berücksichtigenden Auflösungsverlustes. Hatte der Gesellschafter-Geschäftsführer einen Steuerberater mit der Erstellung der Einkommensteuererklärung beauftragt und diesem den Sachverhalt des Anteilsverlusts infolge der Auflösung nicht mitgeteilt, liegt auch kein grob schuldhaftes Verhalten des Steuerberaters vor, das dem Gesellschafter-Geschäftsführer wie eigenes Verschulden zuzurechnen wäre.
Normenkette
AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 2; EStG § 17 Abs. 4
Beteiligte
Nachgehend
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2000 verpflichtet, den Einkommensteuerbescheid für 1995 vom 4. August 1998 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb ein Auflösungsverlust nach § 17 Abs. 4 EStG in Höhe von 76.500,– DM berücksichtigt wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Tatbestand
Die Klägerin zu 2. war an der am 2. Oktober 1992 gegründeten X.. Licht & Design GmbH beteiligt. Die Gesellschaft hatte ein Nennkapital in Höhe von 150.000 DM. der Anteil der Kl. zu 2. betrug nominell 76.500 DM. Der am 7. Juli 1995 gestellte Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der X.. GmbH wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 13. Oktober 1995 mangels Masse abgelehnt
Der Beklagte erließ aufgrund der Einkommensteuerklärung der Kläger, bei deren Anfertigung ein steuerlicher Berater mitgewirkt hatte, am 29. September 1997 einen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr und setzte die Einkommensteuer auf 26.054 DM fest. Auf Grund einer Kontrollmitteilung des Finanzamtes Wedding über den Verkauf von Geschäftsanteilen an der Premas GmbH durch den Kläger zu 1. erließ der Beklagte am 4. August 1998 einen Änderungsbescheid und setzte die Einkommensteuer auf 22.036 DM fest.
Gegen den Bescheid legten die Kläger mit Schreiben vom 3. September 1998 Einspruch ein. Sie machten geltend, der Klägerin zu 2. sei ein Auflösungsverlust hinsichtlich ihrer Anteile an der X.. Licht & Design GmbH in Höhe von 76.500 DM entstanden.
Der Beklagte, wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2000 als unbegründet zurück. Er verwies zur Begründung auf die Vorschrift des § 351 Abs. 1 AO. Er führte darüber hinaus aus, dass auch eine Änderung des Bescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht in Betracht komme.
Mit ihrer Klage machen die Kläger geltend, die steuerliche Relevanz des Verlustes des GmbH-Anteils sei ihnen nicht bewusst gewesen, weshalb sie den Bevollmächtigten auch nicht informiert hätten. Nach Erhalt des Bescheides vom 4. August 1998 sei der Bevollmächtigte bemüht gewesen, von ihnen, den Klägern, Auskunft über den dieser Änderung zugrundeliegenden Sachverhalt zu erhalten. Der Bevollmächtigte habe in diesem Zusammenhang die einschlägigen steuerlichen Vorschriften erläutert. Erst zu diesem Zeitpunkt hätten sie, die Kläger, Kenntnis davon erlangt, dass die Verluste aus der Liquidation der X.. Licht & Design GmbH steuerlich geltend gemacht werden können.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2000 zu verpflichten, die Einkommensteuer für 1995 auf null DM festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte macht geltend, da der Verlust aus der Beteiligung bereits bei Erstellung der Einkommensteuererklärung 1995 realisiert gewesen sei, treffe die Kläger ein grobes Verschulden daran, dass der Auflösungsverlust erst nachträglich bekannt geworden sei. Bei Geschäftsführern und Anteilseignern sei zu erwarten, dass sie die steuerliche Behandlung ihrer Beteiligung kennen oder zumindest in Erfahrung bringen können.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig.
Die Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft, die Sachurteilsvoraussetzung des § 44 Finanzgerichtsordnung –FGO– wurde eingehalten. Dabei kann offen bleiben, ob die Kläger mit dem Einspruch vom 3. September 1998 gleichzeitig einen Antrag auf Änderung des Steuerbescheides gestellt haben. Der Beklagte hat jedenfalls mit dem Erlass der Einspruchsentscheidung nicht nur den Einspruch gegen den Steuerbescheid als unbegründet abgelehnt, sondern zugleich die Änderung des Steuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO versagt. Der Beklagte hat insoweit die falsche Entscheidungsform gewählt, weil er über den Änderungsantrag, soweit er ihn ablehnen wollte, zunächst durch einen Ablehnungsbescheid hätte entscheiden müssen. Nach dem sog. Meistbegünstigungsgrundsatz ist sowohl der Rechtsbehelf zulässig, der gegen d...