Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungswidrigkeit der Gewerbesteuerpflicht von Kapitalgesellschaften allein Kraft Rechtsform. Gewerbesteuermessbetrag 1995 bis 2000 (Aussetzung der Vollziehung)
Leitsatz (redaktionell)
Ernstlich zweifelhaft ist, ob die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG mit dem Grundgesetz insoweit vereinbar ist, als im Wege der Fiktion jede Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Inhalt dieser Tätigkeit allein aufgrund der Rechtsform zum Gewerbebetrieb erklärt wird.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 2 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1
Nachgehend
Tenor
Die Vollziehung der Bescheide über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag 1995 bis 2000 vom 7. August 2000, 12. Februar 2001 bzw. 14. Juni 2002 – hinsichtlich der Streitjahre 1995 bis 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Juli 2002 – wird bis zum Ablauf eines Monats nach Abschluss des Verfahrens 4 K 346/02 bzw. – hinsichtlich des Streitjahrs 2000 – bis zum Ablauf eines Monats nach Abschluss des Einspruchsverfahrens ausgesetzt.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
Die Antragstellerin ist eine Rechtsanwaltssozietät in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Gesellschafter der Antragstellerin waren bis zum 31. Dezember 1994 die Rechtsanwälte … Mitwirkung zum 1. Januar 1995 traten die Gesellschafter … ihre Gesellschaftsanteile an die … GmbH ab. Im Kaufvertrag vom 15. Dezember 1994 stimmten die Gesellschafter … dem Verkauf und der Abtretung der Anteile zu.
Die Antragstellerin erklärte in den Streitjahren 1995 bis 1999 Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG). Nach einer Betriebsprüfung erließ der Antragsgegner unter dem Datum des 7. August 2000 erstmals Bescheide über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 1995 bis 1998. In der Folgezeit gab die Antragstellerin für die Jahre 1999 und 2000 Gewerbesteuererklärungen ab, aufgrund deren der Antragsgegner am 12. Februar 2001 bzw. am 14. Juni 2002 weitere Gewerbesteuermessbescheide gegen die Antragstellerin erließ. Gegen diese Bescheide legte die Antragstellerin jeweils rechtzeitig Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide. Hinsichtlich der Streitjahre 1995 bis 1999 gewährte der Antragsgegner zunächst die Aussetzung der Vollziehung bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens, lehnte aber – nachdem die Antragstellerin nach Zurückweisung ihrer Einsprüche am 16. August 2002 zum Aktenzeichen 4 K 346/02 Klage erhoben hatte – mit Bescheid vom 29. August 2002 die weitere Aussetzung der Vollziehung ab. Hinsichtlich des Veranlagungszeitraums 2000 lehnte der Antragsgegner die gleichfalls beantragte Aussetzung der Vollziehung mit Bescheid vom 8. Juli 2002 von Anfang an ab.
Daraufhin hat die Antragstellerin am 28. Oktober 2002 im vorliegenden Verfahren die Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuermessbescheide 1995 bis 2000 durch das Gericht beantragt.
Zur Begründung führt sie aus, sie werde zu Unrecht zur Gewerbesteuer herangezogen, weil sie einen freien Beruf i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübe.
Nach dem sog. „Klinik-Urteil” des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 10.11.1999 2 BvR 2861/93, BStBl. II 2000, 160) dürfe die Umsatzsteuerpflicht eines Unternehmens nicht allein von seiner Rechtsform abhängig gemacht werden. Dies müsse für die Gewerbesteuer entsprechend gelten, so dass die … GmbH, deren Gesellschafter und Geschäftsführer ausschließlich Rechtsanwälte und/oder Steuerberater seien, nicht gemäß § 2 Abs. 2 Gewerbesteuergesetz (GewStG) allein wegen ihrer Eigenschaft als Kapitalgesellschaft gewerbesteuerpflichtig sein dürfe. Sei aber die … GmbH nicht gewerbesteuerpflichtig, könne auch ihre Beteiligung an ihr, der Antragstellerin, diese nicht gewerbesteuerpflichtig machen.
Außerdem handele es sich bei der Beteiligung der … GmbH nicht um eine mitunternehmerische, sondern um eine faktische stille Beteiligung. Denn die … GmbH dürfe als Steuerberatungsgesellschaft keinerlei Rechtsberatung betreiben. Sie habe deshalb auch nach den gesellschaftlichen Vereinbarungen kein Stimmrecht. Die GmbH könne deshalb auch nicht als „berufsfremde Person” eine Gewerbesteuerpflicht der GbR begründen.
Schließlich sei der Kaufvertrag zwischen den Gesellschaftern sowie der … GmbH nichtig, weil er gegen § 59a Abs. 1 Satz 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) sowie Artikel 1 § 1 i.V.m. § 3 Nr. 2 Rechtsberatungsgesetz (RechtsberatungsG) und damit gegen ein Schutzgesetz i.S.d. § 134 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verstoße. Eine Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft dürfe sich nach einhelliger Rechtsauffassung nicht an einer Rechtsanwaltskanzlei in der Rechtsform einer GbR beteiligen. Da die … GmbH deshalb niemals wirksam an der GbR beteiligt gewesen sei, sei auch keine Mitunternehmersch...