Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung des halben Kinderfreibetrags an Kindesmutter; Verrechnung des Kindergeldes bei Abzug von Kinderfreibeträgen
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Übertragung des halben Kinderfreibetrags gamäß § 32 Abs. 6 Satz 5 EStG auf die Kindesmutter ist grundsätzlich nicht möglich, wenn der Kindesvater keinen Unterhalt leistet, weil er arbeitslos und deshalb nicht leistungsfähig ist. Die Übertragung ist jedoch möglich, wenn der Vater keinen Unterhalt zahlt, obwohl er leistungsfähig ist.
2. Bei der Kindesmutter, die erfolgreich die Übertragung des Kinderfreibetrags auf sich nach § 32 Abs. 6 Satz 5 EStG erreicht hat, weil der Kindesvater seiner Unterhaltspflicht nicht nachgekommen ist, muss das an sie ausgezahlte Kindergeld in vollem Umfang verrechnet werden.
Normenkette
EStG § 2 Abs. 6 S. 2, §§ 31, 32 Abs. 6 S. 5, § 36 Abs. 2 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen.
Die Klägerin ist geschieden. Ihre beiden Kinder Mandy und Manuela ...; geb. 1979 und 1980, leben in ihrem Haushalt und werden von ihr betreut und versorgt.
Der geschiedene Ehemann der Klägerin war im Streitjahr arbeitslos und hat keinen Unterhalt für die Kinder gezahlt.
Die Klägerin erhielt im Streitjahr für jedes der Kinder 2.640 DM Kindergeld. Das Kind Mandy erhielt darüber hinaus Ausbildungshilfe in Höhe von 6.766 DM.
Die Klägerin hat in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr den Antrag gestellt, ihr den vollen Kinderfreibetrag für jedes Kind zu übertragen, weil ihr geschiedener Ehemann seiner gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung im Wesentlichen nicht nachgekommen sei.
Der Beklagte hat bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens der Klägerin für das Streitjahr keine Kinderfreibeträge abgezogen, weil durch das der Klägerin unstreitig ausgezahlte Kindergeld die steuerliche Freistellung des Existenzminimums der Kinder bewirkt worden sei. Er hat die Einkommensteuer 1997 durch Bescheid vom 16. Juni 1998 auf 5.031 DM festgesetzt.
Das Einspruchsverfahren ist erfolglos durchgeführt worden.
Mit der Klage macht die Klägerin geltend, ihr müsse der volle Kinderfreibetrag jeweils für beide Kinder gewährt werden und das erhaltene Kindergeld dürfe nur zur Hälfte verrechnet werden, da der Kindesvater unstreitig keinerlei Unterhaltszahlungen geleistet habe. Die Klägerin meint deshalb, bei der sogenannten Günstigerprüfung des Finanzamtes sei im Streitfall nur das staatliche Kindergeld zu berücksichtigen, soweit es eine Freistellung ihrer eigenen Unterhaltsverpflichtung gegenüber den Kindern darstelle, also mit der Hälfte in Höhe von je 110 DM monatlich.
Die Klägerin legt in Kopie ein Terminsprotokoll des Kreisgerichts ...; (Az. F ...;) vom 13. Juni 1986 vor, wonach in einer Aussöhnungsverhandlung Einigung darüber erzielt wurde, dass der nunmehr geschiedene Ehemann der Klägerin sich unter anderem verpflichtete, für die Kinder Mandy und Manuela bis zum Alter von 12 Jahren einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 100 M und danach einen solchen in Höhe von je 115 M bis zur wirtschaftlichen Selbständigkeit der Kinder zu zahlen.
Die Klägerin legt weiter in Kopie einen Leistungsnachweis und einen Aufhebungsbescheid des Arbeitsamtes ...; vor, wonach ihr geschiedener Ehemann im Streitjahr Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe sowie Unterhaltsgeld bezogen hat. Wegen der Einzelheiten wird auf die mit Schriftsatz vom 26. August 1999 vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
Die Klägerin behauptet, ihr geschiedener Ehemann habe nicht durch Vorlage von monatlich 20 bis 30 Bewerbungen nachgewiesen, dass er seiner Obliegenheit, seine Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen, nachgekommen sei. Deshalb sei er fiktiv als leistungsfähig und damit unterhaltspflichtig anzusehen.
Die Klägerin beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 1997 vom 16. Juni 1998 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 23. September 1998 abzuändern und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von 2 Kinderfreibeträgen zu je 6.912 DM und unter Hinzurechnung nur des hälftigen Kindergeldes von insgesamt 2.640 DM festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine antragsgemäße Übertragung der Kinderfreibeträge auf die Klägerin nicht vorlägen, weil der geschiedene Ehemann der Klägerin den Kindern gegenüber mangels eigener Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig gewesen sei. Im übrigen könne die Klage auch für den Fall, dass ein Kinderfreibetrag zu übertragen sei, keinen Erfolg haben, denn in diesem Fall sei das volle Kindergeld gemäß § 36 Abs. 2 S. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Einkommensteuer hinzuzurechnen, und zwar vermindert um einen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch. Ein solcher könne jedoch im Streitfall ausgeschlossen werden, weil der geschiedene Ehemann der Klägerin noch nicht einmal den Regelunterhaltsbetrag geleistet habe.
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