Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Anschaffungsvorgang i. S. d. § 23 EStG bei Erwerb eines Grundstücks durch gem. § 1 Abs. 6 Vermögensgesetz Berechtigten nach Unsicherheiten über die Eigentümerstellung trotz Ablehnung der Rückübertragung
Leitsatz (redaktionell)
Erwirbt die Erbin eines hingerichteten NS-Widerstandskämpfers, zu dessen eingezogenen Vermögen ein Grundstück gehörte, welches einer ehemaligen Beschäftigten zugeteilt wurde und einen Bodenreformvermerk enthielt, der bei Eintragung der Alleinerbin der Beschäftigten 1991 in das Grundbuch als Eigentümerin des Grundstücks gelöscht wurde, im Jahr 1997 das Grundstück, nach dem das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen in 1991 zwar die Berechtigung der Grundstückkäuferin gem. § 1 Absatz 6 Vermögensgesetz festgestellt, aber mit Teilbescheid aus dem Jahre 1994 die Rückübertragung des betreffenden Grundstücks unter Hinweis auf § 4 Abs. 2 Vermögensgesetz abgelehnt hatte und zeitgleich mit der Eintragung eines Vorkaufsrechts gem. § 20a Vermögensgesetz in 1995 zu ihren Gunsten eine Auflassungsvormerkung zu Gunsten eines Bundeslandes in das Grundbuch eingetragen wurde, liegt kein Anschaffungsgeschäft i.S. des § 23 EStG vor, weil beim Erwerb des Grundstücks in 1997 das Restitutionsverfahren trotz Ablehnungsbescheids –auch wegen Zweifeln an der eigentumsrechtlichen Befähigung der Grundstücksverkäuferin – als nicht abgeschlossen anzusehen war.
Normenkette
EStG § 23 Abs. 1; Vermögensgesetz § 4 Abs. 2, § 20a; EGBGB Art. 233 §§ 11-12
Nachgehend
Tenor
1. Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1997 vom 09.12.2004 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 17.05.2005 wird dahingehend geändert, dass der Ansatz eines Spekulationsgewinns aus Grundstücksgeschäften in Höhe von 370.970,00 DM unterbleibt.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird Vollstreckungsnachlass gegen Sicherheitsleistung gewährt, es sei denn, die Klägerin leistet zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob die Klägerin im Streitjahr 1997 einen Spekulationsgewinn gemäß § 23 EStG zu versteuern hat.
Die Klägerin ist Erbin nach dem Agrarindustriellen C. W. Dieser gehörte dem Widerstandskreis des 20. Juli um K. G. an. Er wurde verraten. Der Volksgerichtshof hatte ihn zum Tode verurteilt und den Vermögenseinzug verfügt. Das Urteil wurde vollstreckt. Das Vermögen des C. W. wie auch seiner Ehefrau wurde eingezogen.
Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen … (im folgenden LaRoV) hatte mit Grundlagenbescheid aus dem Jahre 1991 die Berechtigung der Klägerin gemäß § 1 Absatz 6 Vermögensgesetz festgestellt.
Das Vermögen war nach der sowjetischen Besetzung, soweit es die landwirtschaftlichen Vermögenswerte betraf, in den Bodenfonds überführt, im Übrigen gemäß den SMAD-Befehlen der Sowjetischen Besatzungsmacht in Volkseigentum.
Zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen des C. W. gehörte auch die Wirtschaft W. in T., die in den Bodenfonds fiel und aufgesiedelt wurde. Darunter befand sich der Grundbesitz Flur Nr. …, Flurstücke … zur Größe von 1,9 ha. Es handelte sich dabei um Ackerland. Dieses Flurstück enthielt den Bodenreformvermerk im Grundbuch. Es war der Frau K. W., geb. am …, im Jahre 1965 zugeteilt worden. Frau W. war nach Angaben der Klägerin ehemals im Unternehmen des Erblassers C. W. beschäftigt gewesen.
Frau W. verstarb am 17.01.1991. Nach ihrem Testament vom 26.07.1977 hatte sie als unbeschränkte Alleinerbin ihre Tochter G. J., geb. am …, berufen. Diese wurde im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen. Der Bodenreformvermerk wurde gelöscht.
Das LaRoV hatte durch Teilbescheid vom 02.09.1994 die Rückübertragung des betreffenden Flurstücks unter Hinweis auf § 4 Absatz 2 Vermögensgesetz abgelehnt, da Frau W. das Bodenreformgrundstück redlich erworben habe. Es hat gemäß § 20 a Vermögensgesetz zu Gunsten der Klägerin auf der betreffenden Liegenschaft ein Vorkaufsrecht eintragen lassen. Zeitgleich mit dem Grundbuchersuchen des LaRoV hinsichtlich des Vorkaufsrechts wurde indes eine Auflassungsvormerkung zu Gunsten des Landes … ins Grundbuch am 19.11.1995 eingetragen.
Mit notariellem – als Kaufvertrag bezeichneten – Vertrag hat Frau J. die Flurstücke … und … der Flur … an die Klägerin zum Preise von 46.500,– DM veräußert. Wegen der Einzelheiten wird auf den Vertrag vom 12.08.1997 Bezug genommen, Bl. 47 ff Gerichtsakte. Dieser Vertrag wurde während der mündlichen Verhandlung dem Gericht und in Kopie dem Beklagten überreicht.
Mit Vertrag vom 20.11.1997 veräußerte die Klägerin das Flurstück … für einen Kaufpreis von 392.300,– DM an die neue Betreiberin der Raffinerie …, die dieses Grundstück für die Durchleitung der Rohölpipeline zu ihrer Raffinerie in L. benötigte.
Die Klägerin ist vermögensverwaltend tätig. Sie hat die Bewirtschaf...