Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer 1993
Nachgehend
Tenor
1. Der Umsatzsteuerbescheid 1993 vom 3. Juli 1995 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 7. November 1995 wird ersatzlos aufgehoben.
2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt. Den Beigeladenen werden Kosten weder auferlegt noch erstattet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Tochtergesellschaft der … (künftig: S-AG). Gegenstand ihres Unternehmens sind die Herstellung und der Vertrieb von Freiformschmiedestücken und geschmiedetem Stahl sowie sämtliche damit zusammenhängenden und den Gesellschaftszweck fördernden Geschäfte (Bl. 6 Dok). Ihr Stammkapital in Höhe von 10.000.000 DM wird über 9.950.000 DM von der S-AG und über 50 000 DM von der S. AG ten. Der anhängige Rechtsstreit wird um die Frage geführt, ob zwischen der S-AG als Organträger und der Klägerin als Organgesellschaft eine umsatzsteuerliche Organschaft besteht.
• Am 18. Mai 1993 stellte die S-AG beim zuständigen Amtsgericht Konkursantrag wegen Zahlungsunfähigkeit. Noch am selben Tag ordnete das Amtsgericht zwecks Sicherstellung und Feststellung der Masse die Sequestration des Vermögens der S-AG gemäß § 106 Konkursordnung – KO – an
• Am 21. Juli 1993 wurde die Klägerin während der Sequestrationszeit gegründet. Ihre Geschäftsführer waren die Herren … und … die zugleich Vorstandsmitglieder der S-AG waren.
• Am 30. Juli 1993 verkaufte die S-AG an die Klägerin ca. 18 100 t Fertigmaterial Werkzeugstahl, ca. 2.500 t geschmiedeten Stabstahl und Gesenke sowie ca. 2.200 t Freiformschmiedestücke zu einem Kaufpreis von zusammen 50.439.000 DM zuzüglich 7.565.850 DM Mehrwertsteuer. Aufgrund einer Korrektur der Erlösansätze um 8.359.446 DM verringerte sich der Mehrwertsteuerbetrag aus dem vorgenannten Verkauf auf 6.311.993 DM (Bl. 14).
• Am 31. Juli 1993 eröffnete das Konkursgericht das Konkursverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der S-AG
Die Klägerin machte den Umsatzsteuerbetrag, den ihr die S-AG aus dem Verkauf vom 30. Juli 1993 in Rechnung gestellt hatte, im Zuge des Umsatzsteuervorauszahlungsverfahrens als Vorsteuer geltend. Der Beklagte ließ daraufhin 1994 bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung wegen des Vorsteuerabzugs aus dieser Rechnung durchführen. Wegen Einzelheiten wird auf den Bericht vom 21. Dezember 1994 Bezug genommen (Groß- und Konzern-Bp des Finanzamts … AB-Nr. 263/1993). Im Hinblick auf die hierbei getroffenen Feststellungen ließ der Beklagte bei der Durchführung der Umsatzsteuerveranlagung 1993 den vorgenannten Vorsteuerbetrag nicht zum Abzug zu und setzte die Umsatzsteuer 1993 gegenüber der Klägerin durch Bescheid vom 3. Juli 1995 dementsprechend auf – 7.852.709 DM fest. Nach der erfolglosen Durchführung eines Einspruchsverfahrens erhob die Klägerin am 8. Dezember 1995 Klage.
Sie beantragt,
unter Abänderung des Bescheides vom 3. Juli 1995 in Form der Einspruchsentscheidung vom 7. November 1995 die Umsatzsteuer 1993 unter Berücksichtigung weiterer Vorsteuerbeträge in Höhe von 6.311.933,10 DM festzusetzen.
Der Beklagte verkenne, daß in Anbetracht der der S-AG im Konkursantragszeitraum auferlegten Verfügungsbeschränkungen nach § 106 KO die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Umsatzsteuergesetz – UStG – nicht vorliegen könnten, weil es an der danach erforderlichen Einwirkungsmöglichkeit der Organe der Obergesellschaft auf die Organe der Untergesellschaft fehle. Denn durch die gerichtlich angeordneten Verfügungsbeschränkungen seien die Geschäftsführungsbefugnisse der Organe der Obergesellschaft in einem Maße eingeschränkt worden, das es ausschließe, von einer Ausübung von Leitungsmacht durch die Obergesellschaft zu sprechen. Demgemäß habe es die finanzgerichtliche Rechtsprechung im Konkurs- und Vergleichsantragsverfahren mit anschließender Konkurseröffnung stets abgelehnt, von einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft auszugehen, sofern die Befugnisse der Geschäftsleitung der späteren Gemeinschuldnerin im Antragszeitraum durch gerichtliche Anordnung umfassend beschränkt worden seien und die gerichtlich zugesprochenen Befugnisse vom vorläufigen Vergleichsverwalter oder Sequester auch tatsächlich ausgeübt worden seien (FG Baden-Württemberg Außensenate Stuttgart, Urteil vom 4. März 1994 9 K 167/88, EFG 1995, 186; Hessisches FG vom 25. Juli 1994, 6 K 1359/88).
Der Beklagte beantragt,
die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Klägerin bestreite die organisatorische Eingliederung der Klägerin in die S-AG mit der Begründung, daß es den Organen der Obergesellschaft – bedingt durch die dem Vorstand und der Geschäftsführung der S-AG auferlegten Verfügungsbeschränkungen nach § 106 KO – an den erforderlichen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Organe der Untergesellschaft fehle. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Trotz der der S-AG im Konkursantragszeitraum auferlegten Verfügungsbeschränkungen nach § 106 KO hätten auch in dies...