Entscheidungsstichwort (Thema)
Pfändbarkeit einer Lebensversicherung in Form einer Rentenversicherung
Leitsatz (redaktionell)
Eine Lebensversicherung mit Wahlmöglichkeit zwischen Rentenleistung und Kapitalauszahlung ist, nachdem der Bezugsberechtigte seinen Verzicht auf die Kapitalabfindung erklärt und damit zur Rentenzahlung optiert hat, unpfändbar i. S des § 850 ZPO.
Normenkette
AO 1977 § 319; ZPO § 850 Abs. 3, § 851
Tatbestand
Der Kläger hat beim Beklagten u.a. Umsatzsteuerschulden (Veranlagungszeitraum 1994) i.H. von 232.010 DM. Wegen dieses Anspruchs pfändete der Beklagte mit Verfügung vom 14. April 1999 (VollstrA) Ansprüche aus einer vom Kläger 1985 bei der H-Lebensversicherung AG abgeschlossenen Lebensversicherung in Form der beitragsfreien Rentenversicherung. Die Forderung war fällig am 1. September 2000.
Gegen die Pfändungsverfügung legte der Kläger am 27. April 1999 Einspruch ein. Er machte geltend, die Rente sei unpfändbar.
Mit Einspruchsentscheidung vom 18. Mai 1999 (Bl. 5) wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Am 28. Mai 1999 erhob der Kläger Klage.
Er beantragt (sinngemäß, Bl. 1),
die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 14. April 1999 in Form der Einspruchsentscheidung vom 18. Mai 1999 aufzuheben.
Zur Begründung trägt er vor, er beziehe Arbeitslosenhilfe i.H. von 1.480 DM (Bl. 20). Hieraus sowie aus der BfA-Rente von 1.050 DM müssten die laufenden Verpflichtungen (u.a. Miete für 60 qm: 950 DM netto) bezahlt werden. Überdies bestünden Zahlungsverpflichtungen aus dem Konkurs der früheren Spedition X von rd. 800.000 DM.
Zu der streitigen Pfändungsverfügung macht er geltend (Bl. 2), die in Frage stehende Versicherung sei von vornherein nicht im Sinne einer Kapitalversicherung, sondern zur Aufstockung der erwartet niedrigen Rente abgeschlossen worden. Am 12. Juli 1999 (Bl. 48) sei erneut der Verzicht auf die Kapitalabfindung erklärt worden. Als Unterhaltsrente unterliege der Anspruch den Pfändungsschutzbestimmungen. Bei Auszahlung der Rente i.H. von monatlich 231 DM würden auch bei Zusammenrechnung mit den sonstigen Rentenansprüchen des Klägers die Pfändungsgrenzen nicht überschritten.
Der Beklagte beantragt (Bl. 68),
die Klage als unbegründet abzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung vom 18. Mai 1999. Der Anspruch des Klägers sei pfändbar, weil es sich jedenfalls alternativ um eine Forderung auf Zahlung einer Kapitalabfindung handele.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (Bl. 65, 68).
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und auch begründet. Die streitige Pfändungs- und Einziehungsverfügung ist rechtswidrig und war infolgedessen aufzuheben.
1. Rechtliche Grundlagen
Nach § 319 Abgabenordnung (AO) gelten Beschränkungen und Verbote, die nach §§ 850 bis 852 Zivilprozessordnung (ZPO) und anderen gesetzlichen Bestimmungen für die Pfändung von Forderungen und Ansprüchen bestehen, sinngemäß auch bei der Vollstreckung nach der AO. Nach § 850 ZPO, der speziellen Pfändungsschutzbestimmung für Arbeitseinkommen, gelten als Arbeitseinkommen auch Renten, die auf Grund von Versicherungsverträgen gezahlt werden, wenn diese Verträge zur Versorgung des Versicherungsnehmers eingegangen sind (§ 850 Abs. 3 b ZPO).
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 12. Juni 1991 VV R 54/90, BStBl. II 1991, 747), der sich der Senat anschließt (ebenso Finanzgericht Bremen, Urteil vom 26. Januar 1999, 2 97 227 K 2, EFG 1999, 418), ist eine Kapitallebensversicherung mit der Möglichkeit einer Verrentung nicht generell unpfändbar. Pfändungsschutz besteht nur dann, wenn es sich um wiederkehrende Bezüge handelt, die dazu bestimmt sind, den laufenden Lebensunterhalt zu decken. Bei einer einmaligen Kapitalleistung besteht dieser Pfändungsschutz hingegen nicht.
Die zivilprozessuale Literatur (vgl. etwa Smid, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 1992, § 851, Anm. 12; Wieczorek/Schütze, ZPO-Kommentar, 2. Aufl., 1981; Brehm, in: Stein/Jonas, ZPO-Kommentar, 21. Aufl., 1995, § 851 Abs. 3, Rdnr. 31) geht bei Bestehen eines Wahlrechts zwischen einer pfändbaren und einer unpfändbaren Leistung auch nicht generell von einer Unpfändbarkeit aus. Der Gläubiger kann in einem solchen Fall seine Pfändung auf den übertragbaren Anspruchsinhalt beschränken und insoweit ein bedingtes bzw. künftiges Recht pfänden, nämlich für den Fall, dass der Schuldner diesen Anspruchsinhalt wählt (Brehm, in: Stein/Jonas, ZPO-Kommentar, 21. Aufl., 1995, § 851 Abs. 3, Rdnr. 32). Wählt jedoch der Schuldner die nicht pfändbare Leistung, so wird die ursprünglich auf den pfändbaren Teil ausgerichtete Pfändung gegenstandslos. Hat der Schuldner ein Wahlrecht zwischen einer höchstpersönlichen Leistung (z.B. einer Rente) und einer pfändbaren Leistung (z.B. einer Kapitalsumme), so hat auch das Wahlrecht selbst höchstpersönlichen Charakter (vgl. Stein/Jon...