Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer 1983
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid 1983 vom 30.10.1991 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens tragt der Beklagte.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte (Bekl) den Einkommensteuerbescheid 1983 zu Recht nach § 174 Abs.4 Abgabenordnung geändert hat.
Der Kläger erwarb Anfang 1983 ein Grundstück, das er Ende 1983 wieder veräußerte. Bei der Einkommensteuerveranlagung 1983 erfaßte der Bekl den dadurch entstandenen Veräußerungsgewinn erklärungsgemäß als Spekulationsgewinn. Nach einer Betriebsprüfung im Jahre 1990 gelangte der Bekl zu der Ansicht, daß der Veräußerungsgewinn ein solcher aus gewerblichem Grundstückshandel sei, den er als im Jahre 1984 realisiert ansah. Er änderte entsprechend die Einkommensteuerbescheide 1983 und 1984.
Aufgrund des Einspruchs der Kl gegen den Einkommensteuerbescheid 1984 erfaßte der Bekl den Veräußerungsgewinn nunmehr gemäß § 174 Abs.4 AO im Einkommensteuerbescheid 1983 vom 30.10.1991. Im Einkommensteuerbescheid 1984 vom 27.11.1991 minderte er den gewerblichen Gewinn entsprechend.
Nach erfolglosem Einspruch gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid 1983 tragen die Kl mit der Klage vor:
Die Änderungsmöglichkeit des § 174 Abs.4 AO sei hier nicht gegeben, da der Bekl den Veräußerungsgewinn nicht aufgrund irriger Beurteilung eines Sachverhalts, sondern aufgrund eines bloßen Versehens im Veranlagungszeitraum 1984 erfaßt habe. Es sei zu keinem Zeitpunkt streitig gewesen, daß der Veräußerungsgewinn im Jahre 1983 entstanden sei. So sei der Einspruchsentscheidung zu entnehmen, daß dem Bekl die Tatsache des bereits im Jahre 1983 erfolgten Kaufpreiszuflusses anhand der in der Steuererklärung gemachten Angaben bekannt gewesen sei.
Darüber hinaus habe der Bekl den Einkommensteuerbescheid 1983 am 30.10.1991 bekannt gegeben. Zu diesem Zeitpunkt hätten die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 174 Abs.4 AO nicht vorgelegen, da zu dieser Zeit der Sachverhalt betreffend die Veräußerung des Grundstücks noch vom Einkommensteuerbescheid 1984 erfaßt gewesen sei. Der Sachverhalt sei folglich nicht aus dem Regelungsbereich des Steuerbescheides 1984 ausgeschieden gewesen. Der geänderte Einkommensteuerbescheid 1984 sei erst am 27.11.1991 ergangen.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 1983 vom 30.10.1991 sowie die dazu ergan- gene Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor:
Die nachvollziehbare Erwägung des Finanzamtes, der Veräußerungsvorgang habe das Jahr 1984 betroffen, habe auf dem Umstand beruht, daß nach den Angaben der Kl in der Einkommensteuererklärung 1984 die Abwicklung der Veräußerung sich bis in das Jahr 1984 hingezogen habe, sowie nach den Bestimmungen des Kaufvertrages, wonach der Übergang der Nutzungen und Lasten mit dem Tage der Zahlung des Restkaufpreises erfolgen werde. Erst im Rechtsbehelfverfahren zur Einkommensteuer 1984 sei endgültig geklärt worden, daß die letzte Kaufpreisrate am 27.12.1983 überwiesen worden sei.
Im übrigen sei der in Rede stehende Sachverhalt durch die voraufgegangene Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 1983 bereits eindeutig aus dem Regelungsbereich des Einkommensteuerbescheides 1984 ausgeschieden. Dies sei dokumentiert durch die abschließende Zeichnung sowohl der Verfügung über die Beendigung des Rechtsbehelfsverfahrens Einkommensteuer 1983 durch Einspruchsstattgabe als auch des Eingabewertbogens zum Erlaß des Änderungsbescheides am 27.10.1991.
Im übrigen gebe § 174 AO der materiellen Richtigkeit den Vorzug vor dem Vertrauen auf die Bestandskraft eines Bescheides. Es sei reiner Formalismus, die Wirksamkeit der Änderung der Bescheide von der Reihenfolge ihres Erlasses abhängig zu machen, denn dem Begehren des Steuerpflichtigen zur Änderung der Bescheide werde letztlich entsprochen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Bekl. hat zu Unrecht den Einkommensteuerbescheid 1983 nach § 174 Abs.4 AO geändert, da die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorlagen.
Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs des Steuerpflichtigen geändert wurde, so können nach § 174 Abs.4 S.1 AO „nachträglich” u.a. durch Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Das Tatbestandsmerkmal „nachträglich” besagt, daß die Berechtigung zur Berichtigung erst dann besteht, wenn der wegen der zeitlich unzutreffenden Erfassung eines Tatbestandsmerkmals angefochtene Bescheid aufgehoben oder geändert worden ist (vgl. BFH-Beschluß vom 10.11.1997 GrS 1/96, BStBl II 1998, 83 ≪85≫).
Der Bekl hat diese nach § 174 Abs.4 AO erforderliche zeitliche Abfolge der Änderung der Bescheide nicht eingehalten, sondern den Einkommensteuerbescheid 1983 am 30.10.1991 geändert, bevor der Einkommensteuerbescheid 1984 am 22.11.1991 berichtigt wurde. Der Auffa...