Entscheidungsstichwort (Thema)
Arztpraxis als Liebhaberei
Leitsatz (redaktionell)
Ungeachtet der entgegenstehenden Regelvermutung kann eine Arztpraxis bei nachhaltigen Verlusten zur Gewinnerzielung objektiv ungeeignet sein und mangels Umstrukturierung eine negative Totalgewinnprognose rechtfertigen, wenn nur geringfügige Umsätze erzielt werden, selbst eine vernünftige Reduzierung der Betriebsausgaben daher nicht zu künftigen Gewinnen führen könnte und der seinen Lebensunterhalt aus anderweitigen positiven Einkünften bestreitende Praxisinhaber seine Betriebsführung ausschließlich von seiner Vorstellung der optimalen Patientenversorgung leiten lässt.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
Streitjahr(e)
1995, 1996, 1997
Tatbestand
Die Klägerin ist von Beruf Ärztin und seit 1986 in „E-Stadt”, „B-Str. 1” freiberuflich tätig. Sie ist Eigentümerin der zum Teil eigengenutzten und zum Teil vermieteten Objekte „B-Str. 1”, „C-Str. 2” („E-Stadt”) sowie „F-Str. 3” in „S-Stadt” und erzielte in den Streitjahren neben positiven Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ebenfalls positive Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Bis Januar 1999 beschäftigte die Klägerin u.a. eine Arzthelferin von 8.30 - 13.00 Uhr und eine zusätzliche Kraft von 17.00 - 19.00 Uhr. Nachdem die zuerst genannte Arbeitnehmerin im Januar 1999 gekündigt hatte, stellte die Klägerin keine weitere Arbeitskraft ein.
In den Jahren 1986-1998 erwirtschaftete die Klägerin mit ihrer Arztpraxis einen Gesamtverlust in Höhe von ca. - 278.441 DM.
Die Einnahmen und Ausgaben betr. die Arztpraxis der Jahre 1986 bis 1994 stellen sich wie folgt dar:
Jahr |
Einnahmen |
Ausgaben |
Überschuss/Verlust |
1986 |
7.065 DM |
34.750 DM |
- 27.685 DM |
1987 |
16.201 DM |
39.700 DM |
- 23.499 DM |
1988 |
28.054 DM |
41.659 DM |
- 13.605 DM |
1989 |
35.738 DM |
40.735 DM |
- 4.997 DM |
1990 |
32.079 DM |
37.695 DM |
- 5.615 DM |
1991 |
34.898 DM |
59.871 DM |
- 24.972 DM |
1992 |
49.109 DM |
73.726 DM |
- 24.617 DM |
1993 |
61.305 DM |
91.889 DM |
- 30.582 DM |
1994 |
53.135 DM |
73.493 DM |
- 20.357 DM |
insgesamt 1986 - 1994 |
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- 175.929 DM |
In den Streitjahren entwickelten sich die für die Arztpraxis erklärten Verluste wie folgt:
Jahr |
Einnahmen |
Ausgaben |
Überschuss/Verlust |
1995 |
37.649 DM |
76.339 DM |
- 38.689 DM |
1996 |
38.731 DM |
61.306 DM |
- 22.574 DM |
1997 |
28.310 DM |
69.560 DM |
- 41.249 DM |
Für das Jahr 1998 erklärte die Klägerin einen Verlust in Höhe von - 36.519 DM. Die Jahre 1999 bis 2001 wurden geschätzt.
Zusätzlich zu den vorgenannten Verlusten erzielte die Klägerin Verluste aus der Beteiligung an einer Laborgemeinschaft
Nachdem der Beklagte für die Streitjahre zunächst die Einkommensteuer im Wege der Schätzung festgesetzt hatte, ordnete er unter dem 8. Dezember 1999 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung u.a. bezüglich der Einkommensteuer 1992 bis 1997 an, deren Ergebnisse im Bericht vom 12. April 2000 zusammengefasst sind. Noch vor Abschluss der Betriebsprüfung reichte die Klägerin für die Jahre 1995 bis 1997 Einkommensteuererklärungen ein.
Im Rahmen der Betriebsprüfung hielt die Prüferin fest, dass die Klägerin im Prüfungszeitraum hauptsächlich Suchtpatienten behandelt habe (Alkohol, Tabletten usw.). Dies sei zu ersehen aus den Durchsuchungsbeschlüssen des Amtsgerichts für die Wohn- und Praxisräume und den Regressen der Kassenärztlichen Vereinigung, die wiederholt bemängelt hätte, dass die Klägerin Patienten, die süchtig seien, abhängig machende Medikamente verschrieben habe. Es gebe so gut wie keine Privatpatienten. In der Besprechung anlässlich der Praxisbesichtigung während der Betriebsprüfung habe die Klägerin mehrfach betont, dass sie Privatpatienten nicht so gern habe, die machten bei den Abrechnungen soviel Arbeit, weil sie aufgegliederte Rechnungen benötigten.
Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung wurden die Verluste aus der Arzttätigkeit ab 1995 nicht mehr berücksichtigt und der Beklagte setzte die Einkommensteuer 1995 bis 1997 mit Änderungsbescheiden vom 28. April 2000 wie folgt fest:
1995: 63.361,- DM; 1996: 27.500,- DM; 1997: 82.508,- DM.
Gegen die Änderungsbescheide legte die Klägerin mit Schreiben vom 31. Mai 2000 Einspruch ein. Zur Begründung trug sie u.a. vor, die Verluste aus der freiberuflichen Arzttätigkeit seien zu berücksichtigen. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes -BFH- (Urteil vom 22.04.1998, Az: XI R 10/97) spreche der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass eine freiberufliche Tätigkeit mit der Absicht, Gewinne zu erzielen, betrieben werde. Die Tatsache, dass sie ihre Arzttätigkeit hauptberuflich und mit vollem persönlichen Einsatz ausübe und ständig Arbeitnehmer beschäftige, spreche gegen persönliche Beweggründe für die Fortführung der Tätigkeit. Das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht setze voraus, dass die Praxis aus objektiven Gründen nicht zur Erzielung von Gewinnen geeignet erscheine. Objektive Gründe lägen nicht vor. Sie habe Anstrengungen unternommen, die Verlustsituation der Praxis durch Personaleinsparungen zu beenden. Die Verlustsituation rühre zum Teil auch daher, dass das Anlagevermögen entsprechend der AfA-Tabellen abgeschrie...