Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch sog. geduldeter Ausländer setzt Erwerbstätigkeit voraus
Leitsatz (redaktionell)
- Eine nach § 30 Abs. 3 und 4 AuslG aus humanitären Gründen erteilte Aufenthaltsbefugnis begründet auch nach der rückwirkend anwendbaren Neufassung des § 62 EStG vom 13.12.2006 einen Anspruch auf Bewilligung von Kindergeld nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG, insbesondere der Ausübung einer Erwerbstätigkeit.
- § 62 Abs. 2 EStG soll die Kindergeldgewährung von der Prognose eines dauerhaften Aufenthalts im Inland abhängig machen. Ziel und rechtliche Umsetzung sind verfassungsgemäß.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c, Nr. 3; AuslG § 30 Abs. 3-4
Streitjahr(e)
2001, 2002, 2003
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid
der Familienkasse der Arbeitsagentur „A”.
Sie ist jugoslawische Staatsbürgerin. Nach dem Inhalt der vom Gericht beigezogenen Ausländerakte reiste sie bereits im Kalenderjahr 1992 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach erfolglos verlaufenem Asylverfahren verfügte die Stadt „A” gemäß § 55 des Ausländergesetzes (AuslG) eine Aussetzung der Abschiebung (Duldung). Diese wurde in der Folgezeit immer wieder verlängert. Am 11.7.2000 erhielt die Klägerin alsdann eine befristete Aufenthaltsbefugnis, im zeitlichen Zusammenhang damit auch eine unbefristete Arbeitsgenehmigung nach § 284 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Die Aufenthaltsbefugnis wurde in der Folgezeit ebenfalls mehrfach verlängert. Unter dem 21.4.2005 erteilte die Stadt „A” schließlich eine Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG).
Während des vorgenannten Zeitraumes bezog die Klägerin zeitweise Leistungen nach den Bestimmungen des Asylbewerberleistungsgesetzes bzw. nach denjenigen des Bundessozialhilfegesetzes, zeitweise war sie aber auch nichtselbständig tätig, erstmals in der Zeit von Juni bis August 1997.
Nach dem Inhalt der vom Gericht ebenfalls beigezogenen Kindergeldakten bezog die Klägerin ferner Kindergeld für vier Kinder, und zwar fortlaufend ab Juni 2001 (Verfügung vom 22.8.2001) und zusätzlich in Form einer Nachzahlung für den Zeitraum von August bis Dezember 2000 (Bescheid vom 18.7.2002). Dem voraufgegangen war ein Antrag der Klägerin, mit dem sie Nachweise für Beschäftigungsverhältnisse aus dem Kalenderjahr 2000 beigebracht hatte. Ferner hatte sie einen Arbeitsvertrag mit der Firma „B-GmbH” betreffend den Zeitraum vom 27.6. bis 27.9.2001 vorgelegt sowie einen mit der Firma „C-GmbH” auf unbestimmte Dauer abgeschlossenen Arbeitsvertrag, nach dessen Inhalt das Arbeitsverhältnis am 1.10.2001 beginnen sollte.
Ende 2003 überprüfte die Beklagte die Voraussetzungen zur weiteren Zahlung des
Kindergeldes und stellte hierbei fest, dass die Klägerin nicht durchgängig einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen war. Daraufhin vertrat sie (die Beklagte) die Rechtsauffassung, dass die Klägerin in den Zeiträumen ohne berufliche Tätigkeit keinen Anspruch auf die Bewilligung von Kindergeld gehabt habe. Ein Anspruch nach § 62 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der seinerzeit gültigen Fassung habe nicht bestanden, weil der Klägerin keine Aufenthaltserlaubnis bzw. Aufenthaltsgenehmigung erteilt worden sei. Auch auf die Bestimmungen des Abkommens zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 (Bundesgesetzblatt <BGBl> II 1969, 1438) könne sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen, denn danach sei eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit bzw. der Bezug von Lohnersatzleistungen erforderlich.
Nach einer Anhörung der Klägerin hob die Beklagte daher mit Bescheid vom 23.1.2004 die Festsetzung des Kindergeldes unter Berufung auf die Regelung des § 70 Abs. 2 EStG für folgende Zeiträume auf:
Dezember 2001 bis Juni 2002
November 2002 bis Juli 2003
Oktober 2003 bis Dezember 2003
Ferner forderte sie die Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 11.184,93 €.
Den Einspruch der Klägerin wies sie als unbegründet zurück.
Im Klageverfahren trägt die Klägerin vor:
Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, denn in den streitigen Zeiträumen habe
ein Anspruch auf Kindergeld bestanden. Ein solcher Anspruch stehe nämlich nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Juli 2004 (1 BvL 4/97, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2005, 162) auch Ausländern ohne Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung zu. Zwar habe der Gesetzgeber auf diese Entscheidung reagiert und die Bestimmung des § 62 EStG geändert, es sei aber zweifelhaft, ob die Neufassung des Gesetzes den Vorgaben des BVerfG entspreche.
Unabhängig davon sei die Beklagte auch nicht berechtigt gewesen, einen Rückforderungsbescheid für zurückliegende Zei...