Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt der Realisierung eines Veräußerungsverlustes
Leitsatz (redaktionell)
Keine Realisierung des Auflösungsverlustes, solange mit einem Fortsetzungsbeschluss der Gesellschafter gerechnet werden kann.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 1, 4; GmbHG § 60 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Auflösungsverlust gem. § 17 EStG im Streitjahr angefallen ist, in dem die Löschung der GmbH ins Handelsregister eingetragen wurde, oder ob der Verlust bereits in einem früheren Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen gewesen wäre.
Die Klägerin war seit 1986 Gesellschafter-Geschäftsführerin der F GmbH (GmbH), die einen Friseursalon betrieb. Sie hielt 48% des 50.000 DM betragenden Stammkapitals; die anderen 52 % hielt ihr Sohn, der Zeuge S. Die GmbH hatte in allen Jahren Verluste erzielt, diese betrugen nach ihrer Gewinn- und Verlustrechnung in 1986: 21.569 DM, in 1987: 18.943 DM, in 1988: 17.717 DM, in 1989: 12.697 DM, in 1990: 12.264 DM und in 1991: 11.890 DM. Am 25. Januar 1990 hatte sich die Klägerin gegenüber der A-Bank für Schulden der Gesellschaft verbürgt.
Der Geschäftsbetrieb der GmbH wurde am 31. Dezember 1991 eingestellt. Die Auflösung infolge Beschlusses der Gesellschafter und die Bestellung der Klägerin zur Liquidatorin wurden am 29. April 1993 in das Handelsregister eingetragen. Am 14. Februar 1994 wurde die GmbH gelöscht.
Nach der Bilanz auf den 31. Dezember 1991 war die GmbH überschuldet. Nennenswerte Aktiva waren nicht vorhanden: Anlagevermögen mit ursprünglichen Anschaffungskosten von 3.876 DM war auf den Erinnerungswert abgeschrieben, der Warenbestand war mit 10.150 DM angesetzt und Forderungen sowie Kassenbestand beliefen sich auf ca. 1.400 DM. Auf das Stammkapital waren 31.000 DM eingezahlt, davon 13.000 DM durch die Klägerin. Zurückgestellt waren 6.000 DM für die Abschlusskosten 1988-1991, bei der A-Bank bestanden Verbindlichkeiten von 41.683 DM und sonstige Verbindlichkeiten bestanden in Höhe von 27.490 DM, davon Rechts- und Beratungskosten 7.729 DM, Gehälter, Lohnsteuer und Sozialversicherung ca. 3.000 DM, Verrechnungskonto der Klägerin 15.026 DM und "Sonstiges" 2.000 DM. Durch Bescheide vom 18. Mai 1993 stellte das Finanzamt für Körperschaften Hamburg-... für die GmbH zum 31. Dezember 1991 einen verbleibenden Verlustabzug von 95.081 DM und einen vortragsfähigen Gewerbeverlust in Höhe von 93.400 DM fest.
Die Liquidation führte nicht dazu, dass die Klägerin Zahlungen erhielt. Über den Verlust ihres Anteils am Stammkapital hinaus wurde vielmehr auch ihr Gesellschafter-Verrechnungskonto von 15.026,16 DM nicht ausgeglichen. Infolge der Verbürgung wurde die Klägerin von der A-Bank in Anspruch genommen; an die A-Bank wurden daraufhin am 1. März 1992 insgesamt 46.053,46 DM (19.000 DM wegen ausstehender Stammeinlage und 27.350,46 DM zur Ablösung des Restsaldos) geleistet. Wann innerhalb des Liquidationszeitraumes die übrigen Geschäftsvorfälle (z.B. Veräußerung des Warenbestandes) getätigt wurden, steht nicht fest. Die Beteiligten sind sich einig, dass der Klägerin ein Auflösungsverlust in Höhe von (48 % *[50.000+27.350,46+15.026,16] =) 44.340,68 DM entstanden ist; streitig ist nur, ob in 1992 oder in 1994.
Die Klägerin bezog zwei Leibrenten (insgesamt 1992: 20.016 DM, 1994: 20.284 DM) und war in Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit dem Zeugen S, ihrem Sohn und Mitgesellschafter der GmbH, Eigentümerin verschiedener Immobilien, aus denen sie positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielte. Diese betrugen im Jahr 1990: 43.128 DM, 1991: 51.208 DM, 1992: 73.467 DM, 1993: 56.297 DM und 1994: 45.908 DM; die diesbezüglichen Einkünfte des Sohnes hat das Gericht nicht ermittelt. Die Klägerin hatte zusammen mit ihrem Sohn erwogen, die Immobilienverwaltung der GmbH zu übertragen, um die dort vorhandenen Verlustvorträge zu nutzen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift der Zeugenvernehmung des Sohnes verwiesen (Bl 48 FGA).
In ihrer Einkommensteuererklärung für 1992 erklärte die Klägerin den Auflösungsverlust nicht. Mit Schreiben vom 5. Oktober 1994 beantragte der Prozessbevollmächtigte, die Einkommensteuervorauszahlungen für das Jahr 1993 unter Berücksichtigung des Verlustes gem. § 17 EStG aus der Liquidation der GmbH in Höhe von mindestens 50.000 DM festzusetzen. Auf - offenbar telefonische - Anforderung des Beklagten übersandte der Prozessbevollmächtigte am 6. Dezember 1994 eine Kopie der Schlussbilanz der GmbH zum 14. Februar 1994, dem Tag der Löschung im Handelsregister. Ausweislich der Gewinn- und Verlustrechnung für den Liquidationszeitraum (1. Januar 1992 bis 14. Februar 1994) hatte die GmbH sonstige betriebliche Erträge (Anlagenverkäufe, Warenbestand) in Höhe von 1.314,79 DM erzielt, denen Aufwendungen für bezogene Waren, Zinsen und sonstiges in Höhe von insgesamt 826,35 DM gegenüberstanden. Daraus ergab sich ein Überschuss für den Liquidationszeitraum von 488,44 DM. In seinem Anschreiben führte der Prozessbevollmächtigte aus, er habe in seinem Schreiben vom 5. Oktobe...