rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschaftsteuer: Festsetzungsverjährung und Steuerentstehung bei Nießbrauchsschenkung durch Vertrag zu Gunsten Dritter mit Überlebensbedingung; Falschbezeichnung Schenkungsteuer statt richtig Erbschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Ungeachtet der den Verjährungsbeginn weiter hemmenden Vorschriften des § 170 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5 AO beginnt die Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 1 AO frühestens mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die (Erbschaft-)Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.
Ein Vermögensvorteil, der aufgrund eines vom Erblasser (Versprechensempfänger) geschlossenen Vertrags zu Gunsten Dritter beim Tod des Erblassers vom Dritten unmittelbar erworben wird, gilt als Erwerb von Todes wegen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG, wenn im Valutaverhältnis zwischen Erblasser und Dritten eine Schenkung vorliegt.
Insoweit hat die Spezialregelung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG im Verhältnis zu § 7 ErbStG und zu § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG Vorrang.
Unter § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG bzw. unter § 2301 BGB fallen nur unmittelbare Zuwendungen und keine Verträge zugunsten Dritter nach §§ 328, 330, 331 BGB.
Wenn eine aufschiebenden Bedingung vereinbart ist, dass der beschenkte Dritte den Erblasser überlebt, entsteht die Erbschaftsteuer gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 Bstb. a ErbStG erst mit dem Eintritt dieser Bedingung (wie bei einer Schenkung unter Lebenden bei deren Ausführung gemäß § 9 Nr. 2 ErbStG).
Wenn im Rubrum der Einspruchsentscheidung fälschlich von Schenkungsteuer statt richtig Erbschaftsteuer die Rede ist, handelt es sich um eine bloße Falschbezeichnung, die durch das Urteil richtig gestellt wird und die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung im Ergebnis nicht berührt.
Normenkette
AO §§ 128, 170 Abs. 1, 2 Nr. 1, Abs. 5; BGB § 158 Abs. 1, § 328 Abs. 1, § 330 S. 2, §§ 331, 516, 518, 873, 925, 1030, 2301; ErbStG § 3 Abs. 1 Nrn. 2, 4, §§ 7, 9 Abs. 1 Nrn. 1-2
Nachgehend
Tatbestand
I. Streitig ist die Festsetzung von Erbschaft- oder Schenkungsteuer auf den Erwerb des Nießbrauchs an 2/24 Anteilen an einem Hausgrundstück durch die Klägerin nach dem Tod ihres Ehemannes, der die Grundstücksanteile mit notariellem Vertrag den beiden Kindern überlassen und dabei den Nießbrauch für sich und "aufschiebend bedingt" nach seinem Ableben für die Klägerin vorbehalten hatte. Streitig sind die rechtliche Einordnung und die Erfassung durch Erbschaftsteuer oder Schenkungsteuer.
Insbesondere macht die Klägerin geltend, dass nach Anzeige des notariellen Vertrags und nach Entstehung der Steuer diese vor ihrer Festsetzung und zutreffenden Bezeichnung verjährt sei.
II. 1. Am 24. Oktober 1995 schloss der inzwischen verstorbene Ehemann einerseits mit der Tochter und dem Sohn andererseits einen notariellen Vertrag, der auszugsweise wie folgt lautet (Schenkungsteuer-Akte -SchenkSt-A- Bl. 3; Grundbuch-Akte -GB-A- Bd. 4 Bl. 679; Finanzgerichts-Akte -FG-A- Bl. 119):
"Überlassungsvertrag § 1 Überlassungsgegenstand ... Hiermit überläßt ... (Ehemann) jeweils einen 1/24 Miteigentumsanteil des vorbezeichneten Grundstücks ... an ... (Tochter) und ... (Sohn). Das Grundstück ist bebaut mit einem Geschäftshaus. ... § 3 Gegenleistung ... Die Erwerber räumen dem Überlassenden - mehreren als Gesamtgläubiger gemäß § 428 BGB - den lebenslänglichen Nießbrauch an dem Grundstück ein und bewilligen und beantragen die Eintragung des Nießbrauchsrechts in das Grundbuch mit der Maßgabe, daß zur Löschung des Nießbrauchs der Nachweis des Todes der Berechtigten genügen soll. Der Überlassende schließt sich diesem Antrag an. ... Die Eintragung des Nießbrauchsrechts soll im Grundbuch an rangerster Stelle erfolgen. Nach dem Ableben des Überlassenden steht das Nießbrauchsrecht mit demselben Inhalt dessen Ehepartner ... (Klägerin), geb. am 7. März 1922, ..., auf deren Lebensdauer zu. Die Vertragschließenden bewilligen und beantragen die Eintragung dieses aufschiebend bedingten Nießbrauchsrechtes im gleichen Rang mit dem Nießbrauchsrecht zugunsten des Überlassenden in das Grundbuch ...
2. Der Notar reichte den Vertrag am 28. Dezember 1995 beim Grundbuchamt ein (GB-A Bd. 4 Bl. 678; FG-A Bl. 118). Am 28. Juni 1996 wurden im Grundbuch die Übertragung der Eigentumsanteile auf Sohn und Tochter (Erste Abteilung zu Nr. 4a I; FG-A Bl. 104, 105) und jeweils darauf lastend der Nießbrauch für deren Vater und Ehemann der Klägerin und im Falle seines Ablebens für die Klägerin eingetragen, je löschbar bei Todesnachweis (Zweite Abteilung Nr. 30 und 31; FG-A Bl. 112 f, GB-A Bd. 4 Bl. 683 f, FG-A Bl. 130 f).
3. Am 6. Februar 1999 verstarb der Ehemann der Klägerin am gemeinsamen Wohnsitz in Chile und wurde von der Klägerin als Allein-Vorerbin beerbt (Erbschaftsteuer-Akte -ErbSt-A- Bl. 2, 3; Sterbeurkunde, GB-A Bd. 4 Bl. 719 f, 727, FG-A Bl. 148 f, 155).
4. Am 25. Januar 2002 reichte der Notar die Sterbeurkunde und den Antrag ein, ...