Entscheidungsstichwort (Thema)
Gestaltungsmissbrauch bei zwischengeschalteter Kapitalgesellschaft
Leitsatz (redaktionell)
1) Eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit bzw. deren Fehlen ist ein gewichtiges Indiz, dass für oder gegen eine ungewöhnliche Gestaltung bzw. für oder gegen wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe für die Einschaltung einer ausländischen Kapitalgesellschaft spricht.
2) Eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft schließt einen Gestaltungsmißbrauch aber nicht per se aus. Wesentlich ist, ob die Kapitalgesellschaft im Rahmen der im Inland eingegangenen Verpflichtungen tatsächlich eine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet, d. h. unternehmerische, insbesondere über bloße Verwaltungs- und Rechtshandlungen hinausgehende Aktivitäten ausübt.
3) Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 42 AO erfüllt, wird die Anwendung dieser Vorschrift nicht durch die Regelungen der §§ 7 ff. AStG verdrängt.
4) Die Grundsätze über verdeckte Gewinnausschüttungen sind neben § 42 AO anwendbar.
Normenkette
AStG § 7; KStG § 8 Abs. 3, 3 S. 2; AO 1977 § 42
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der Fa. R. GmbH.
Die Fa. R. GmbH (R.), deren Gesellschaftszweck die Herstellung und der Vertrieb von … war, gehörte im Streitjahr zum US-amerikanischen R.-Konzern.
Im Jahr 1989 erwarb die R. … Corporation (X.), eine andere Konzerngesellschaft, Grundstücke in …, um darauf ein neues Forschungs- und Entwicklungszentrum sowie ein daran angrenzendes Verwaltungszentrum, das als Weltzentrale der R.-Gruppe dienen sollte, zu errichten. Die Gesamtkosten wurden auf … US$ veranschlagt, wovon bis zum 01.08.1989 bereits … US$ aufgewandt worden waren.
Zur Finanzierung des Vorhabens wurde am 23.08.1989 die Fa. A. Finance Corporation, …, USA (A.), mit einem Kapital von … US$ gegründet, das durch Beschluss des Verwaltungsrates vom 22.11.1989 auf … US$ aufgestockt wurde. Sämtliche Anteile wurden von der Fa. R. übernommen. Die Beteiligung wurde in Höhe von … US$ durch Gesellschaftereinlagen in die Fa. R. – eingezahlt Ende Dezember 1989 – finanziert. Im übrigen nahm R. bei einem Bankenkonsortium unter Führung der Y. Bank am 30.11.1989 ein Darlehen in Höhe von … DM (= … US$) auf.
Die A. sagte der X. ein Hypothekendarlehen in Höhe von bis zu … US$ mit einer Laufzeit von 13 Jahren zu, das entsprechend dem Baufortschritt ausgezahlt werden sollte. Die insoweit noch nicht benötigten Kapitalanteile legte die A. zwischenzeitlich in Schuldverschreibungen und festverzinslichen Wertpapieren an. Die dabei anfallenden Erträge sollten zur Aufstockung der Kapitaleinlage von … US$ auf den voraussichtlichen Darlehensbetrag von …. US$ dienen.
Im Zusammenhang mit dem von R. aufgenommenen Darlehen entstanden 1989 folgende Finanzierungskosten, die R. als Betriebsausgaben geltend machte:
Zinsen |
… DM |
Vertragabschlussprovision |
… DM |
insgesamt |
… DM. |
Dieses Darlehen, das eine Laufzeit von 8 Jahren hatte, wurde vorzeitig am 30.11.1990 durch ein Zwischendarlehen des nunmehrigen Konzernunternehmens Z. S.A. abgelöst, das am 01.02.1991 durch ein Darlehen der … ersetzt wurde.
Ende 1991 verkaufte X. den gesamten Komplex an eine Bank und tilgte mit den erhaltenen Mitteln das von A. gewährte Hypothekendarlehen.
Durch Beschluss des Verwaltungsrates vom 06.12.1991 wurde A. daraufhin liquidiert. Am 23.12.1991 zahlte A. an R. den Liquidationserlös in Höhe von … US$, aus dem R. das aufgenommene Darlehen zurückzahlte. Die Liquidation führte bei R. in 1991 zu einem steuerpflichtigen Liquidationsgewinn von … DM, der in 1991 auch versteuert wurde. Bei Zugrundelegung des bei Erwerb der Beteiligung gültigen Wechselkurses hätte sich ein Liquidationsgewinn von über … DM ergeben. Dividenden waren von A. während der ganzen Zeit ihres Bestehens nicht gezahlt worden.
Der Beklagte erkannte zunächst die von R. gezahlten o.g. Finanzierungskosten für den Kredit unter Hinweis auf § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 3 c EStG nicht als Betriebsausgaben an.
Gegen den entsprechend geänderten Körperschaftsteuerbescheid vom 22.07.1991, der im Rahmen des Einspruchsverfahrens lediglich hinsichtlich der Gewerbesteuerrückstellung geändert wurde (Bescheid vom 19.09.1991), wurde die vorliegende Klage erhoben, mit der die Klägerin die Ansicht vertrat, dass nach der Rechtsprechung des BFH bei einer ausländischen Schachtelbeteiligung eine Anwendung des § 3 c EStG nur insoweit in Frage komme, als tatsächlich steuerfreie Einnahmen erzielt worden seien. Solche Einnahmen seien vorliegend aber nicht erzielt worden.
Während des Klageverfahrens wurde bei R. eine Betriebsprüfung durchgeführt. Diese kam zu dem Ergebnis, dass die Einschaltung der A. als rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 42 AO anzusehen sei. Die Besteuerung sei daher so durchzuführen, als wenn R. die von ihr als Darlehen aufgenommenen Gelder unmittelbar der X. zur Verfügung gestellt und die von X. gezahlten Zinsen unmittelbar erhalten hätte.
Zur Begründung wurde ausgeführt, da...