Entscheidungsstichwort (Thema)
Mindestbesteuerung, Definitivbelastung, Ermessensentscheidung
Leitsatz (redaktionell)
Bei einer Veranlagung, die unter Anwendung der Mindestbesteuerung erfolgt ist, ergibt sich im Hinblick auf eine mögliche Definitivbelastung durch einen späteren Wegfall von Verlustvorträgen keine Verpflichtung des Finanzamts zum Erlass des Steuerbescheides mit Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 AO.
Normenkette
EStG § 10d Abs. 2; GewStG § 10a; AO § 165 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über die Frage, ob der Beklagte verpflichtet ist, im Hinblick auf eine mögliche Definitivbelastung der Klägerin durch einen späteren Wegfall von Verlustvorträgen die streitbefangenen, unter Anwendung der Mindestbesteuerungsvorschriften durchgeführten, Veranlagungen mit einem entsprechenden Vorläufigkeitsvermerk zu versehen.
Die Klägerin ist eine im Jahr 1997 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die seit der letzten Änderung ihrer Firma unter ihrem heutigen Namen im Handelsregister L unter der Nummer HRB … erfasst ist. Während sie nach ihrem Geschäftsgegenstand zunächst als Holdinggesellschaft gegründet war, wird als Geschäftsgegenstand nunmehr schwerpunktmäßig eine Tätigkeit auf dem Gebiet der Umwelt, insbesondere im Bereich der Wasserversorgung und Abwasserbehandlung sowie der Durchführung von Entsorgungsdienstleistungen aller Art angegeben. Sie ist sowohl körperschaftsteuerliche als auch gewerbesteuerliche Organträgerin weiterer Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Im Streitjahr 2004 handelte es sich dabei um vier Organgesellschaften.
Sie gab auf der Basis ihres Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2004 beim Beklagten die Steuererklärungen für das Streitjahr ab und wurde im Wesentlichen erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zur Körperschaftsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag 2004 sowie zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer und zur gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2004 veranlagt. Dabei flossen die Ergebnisse der Organgesellschaften in die entsprechenden Besteuerungsgrundlagen bei der Klägerin ein.
Aufgrund einer Prüfungsanordnung aus dem November 2005 fand bei der Klägerin ab dem Jahr 2006 eine Außenprüfung für die Jahre 2001 bis 2004 statt. Diese endete ohne Durchführung einer Schlussbesprechung, da die Beteiligten die Ergebnisse der Außenprüfung fortlaufend abgestimmt hatten. Das Ergebnis der Außenprüfung ergibt sich aus dem – hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen unstreitigen – Betriebsprüfungsbericht vom 11. Januar 2011, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.
Auf der Basis der Außenprüfungsergebnisse erließ der Beklagte unter dem 14. und 21. März 2011 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung – AO – geänderte Bescheide zur Körperschaftsteuer und über den Gewerbesteuermessbetrag 2004 sowie zu den gesonderten Feststellungen des vortragsfähigen Gewerbeverlustes und des verbleibenden Verlustabzuges bei der Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2004. Bei den streitbefangenen Festsetzungen und Feststellungen kamen die Vorschriften über die Mindestbesteuerung gemäß § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes – KStG – i.V.m. § 10d Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes – EStG – bzw. § 10a des Gewerbesteuergesetzes – GewStG – zur Anwendung. Die Körperschaftsteuer wurde auf 334.888 EUR, der Gewerbesteuermessbetrag auf 407.130 EUR festgesetzt. Der verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer wurde mit 230.589.931 EUR und der vortragsfähige Gewerbeverlust mit 166.629.972 EUR festgestellt. Die Vorbehalte der Nachprüfung wurden in allen Bescheiden aufgehoben.
Dagegen wandte sich die Klägerin mit Einsprüchen vom 17. und 29. März sowie 1. April 2011. Zur Begründung verwies sie zunächst auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 26. August 2010 (I B 49/10, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFHE – 230,445, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2011, 826), in dem der BFH es für ernstlich zweifelhaft angesehen hatte, ob die so genannte Mindestbesteuerung gemäß § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG verfassungsrechtlichen Anforderungen auch dann standhalte, wenn eine Verlustverrechnung in späteren Veranlagungszeiträumen aus rechtlichen Gründen endgültig ausgeschlossen sei. Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass künftige Umstrukturierungen des Konzerns der Klägerin die Verlustvorträge nach § 8c KStG gefährden könnten, müssten die Veranlagungen für alle Jahre, in denen die Mindestbesteuerung zur Anwendung gekommen sei, für eine entsprechende Korrektur offen gehalten werden. Sie beantragte deshalb die Bescheide insoweit nach § 165 AO vorläufig zu erlassen.
Mit verbundener Einspruchsentscheidung vom 22. Februar 2012 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Die angefochtenen Bescheide seien nicht unter Vorläufigkeitsvermerk zu stellen. Eine vorläufige Festsetzung bzw. Feststellung scheit...