Entscheidungsstichwort (Thema)
Veranlagung nach Schätzungsbescheid
Leitsatz (redaktionell)
Nach Erlass eines Schätzungsbescheids ist die Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG ausgeschlossen, wenn der Schätzungsbescheid angefochten wurde.
Normenkette
EStG § 46 Abs. 2 Nr. 8
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Angestellte der … über das LBV. Daneben meldete sie am 20. November 2003 rückwirkend ab 1. Januar 1999 ein Gewerbe bei der Stadt … an (mobiler Vertrieb und Handel mit Waren aller Art, sofern diese keiner besonderen Genehmigung bedürfen).
Der Beklagte hatte die Besteuerungsgrundlagen Ende Oktober 2004 auch für die dem Streitjahr 2001 vorangegangenen Jahre geschätzt, weil die Klägerin trotz Aufforderung vom 8. September 2004 keine Steuererklärungen abgegeben hatte. In den im Einspruchsverfahren eingegangenen Einkommensteuererklärungen erklärte die Klägerin für das Jahr 1999 gewerbliche Einkünfte von 1.160 DM bzw. von 1.240 DM für das Jahr 2000. Die gewerblichen Einkünfte wurden in den entsprechenden Änderungsbescheiden erklärungsgemäß berücksichtigt.
Ebenfalls mit Schätzungsbescheid vom 26. Oktober 2004 wurden die gewerblichen Einkünfte für das Streitjahr 2001 mit 12.000 DM und die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit mit 25.000 DM geschätzt. Die Einkommensteuer wurde darin auf 1.970 EUR festgesetzt. Die erst im Klageverfahren eingegangene Steuererklärung für das Streitjahr 2001 beinhaltet keine gewerblichen Einkünfte; eine Gewinnermittlung für das Streitjahr 2001 wurde nicht abgegeben. Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit betrugen nach der vorgelegten besonderen Lohnsteuerbescheinigung für das Streitjahr 42.243 DM. Nachdem der Beklagte zu Beginn des Klageverfahrens noch auf die fehlende Gewinnermittlung hinsichtlich der gewerblichen Einkünfte hingewiesen hatte, gehen die Beteiligten inzwischen unstreitig davon aus, dass die Klägerin im Streitjahr keine gewerblichen Einkünfte mehr erzielt hat.
Im Verlauf des Klageverfahrens wies der Berichterstatter den Rechtsbehelfsstellen-Bearbeiter und den zuständigen Sachgebietsleiter wiederholt auf seine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheids vor dem Hintergrund der eingegangenen Steuererklärung hin. Außerdem wies der Berichterstatter in diesen Gesprächen darauf hin, dass er die Vorschrift des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG im Streitfall für nicht einschlägig halte, weil eine Veranlagung – wenn auch im Schätzungswege – durchgeführt worden sei. Werde fristgerecht Einspruch gegen einen Schätzungsbescheid eingelegt, könnten im Einspruchsverfahren bzw. im anschließenden Klageverfahren alle Einwendungen vorgebracht werden, mit denen der Steuerpflichtige nicht nach Spezialvorschriften (§ 364b AO 1977 bzw. § 79b FGO) präkludiert sei. Diese Hinweise wurden in der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2006 (Einzelrichtersitzung) wiederholt. Auch in diesem Termin hielt der Beklagte jedoch nach wie vor am Schätzungsbescheid fest. Die Sache wurde deshalb wegen der verfahrensrechtlichen Schwierigkeiten auf den Senat zurückübertragen.
Im Senatstermin vom 27. April 2006 überreichte der Beklagte dem Bevollmächtigten nach Erörterung der Streitsache einen Bescheid vom 27. April 2006 über die Aufhebung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids von 26. Oktober 2004 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 23. März 2005. Der Prozessbevollmächtigte stimmte der Aufhebung des angefochtenen Bescheids nicht zu. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Die Klägerin beantragt, den Aufhebungsbescheid von 27. April 2006 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 26. Oktober 2004 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 23. März 2005 dahin zu ändern, dass die Einkommensteuer gemäß der im Klageverfahren eingereichten Einkommensteuererklärung festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt, die Klage gegen den Aufhebungsbescheid von 27. April 2006 abzuweisen, hilfsweise die Aussetzung des Verfahrens bis zum Abschluss des beim BFH anhängigen Revisionsverfahrens VI R 15/05, äußerst hilfsweise die Klage auf erklärungsgemäße Änderung des Einkommensteuerbescheids 2001 vom
26. Oktober 2004 abzuweisen, hilfsweise die Zulassung der Revision.
Der Beklagte ist der Ansicht, eine erklärungsgemäße Festsetzung der Einkommensteuer sei ausgeschlossen, weil die Einkommensteuererklärung erst nach Ablauf der Ausschlussfrist gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 S. 2 EStG eingegangen sei.
Entscheidungsgründe
1. Der Klageantrag auf Aufhebung des Aufhebungsbescheids von 27. April 2006 ist auch ohne Vorverfahren zulässig.
a) Nach § 68 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird.
b) Der erkennende Senat hält diese Regelung trotz ihres Wortlauts auch für den Fall der Aufhebung eines ange...