Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung des zivilrechtlichen Ausgleichanspruchs hinsichtlich des an den anderen Elternteil ausgezahlten Kindergelds bei der "Günstigerprüfung" verfassungskonform
Leitsatz (redaktionell)
Die im Rahmen des Familienleistungsausgleichs ab 1996 vorzunehmende "Günstigerprüfung" nach § 31 Sätze 4 und 5 EStG ist auch insoweit nicht verfassungswidrig, als bei einem nichtehelichen unterhaltspflichtigen und -zahlenden Vater der zivilrechtliche Ausgleichsanspruch hinsichtlich des an die Mutter des Kindes ausgezahlten Kindergelds unabhängig davon berücksichtigt wird, ob sich der Ausgleichsanspruch tatsächlich auf die Höhe der Barunterhaltsverpflichtung ausgewirkt hat (hier: kein halber Kinderfreibetrag für den Vater, der wegen geringer Leistungsfähigkeit einen unter dem Regelbedarf des Kindes liegenden Unterhalt zahlte).
Normenkette
EStG 1996 § 32 Abs. 6, § 31 Sätze 4-5, § 36 Abs. 2; BGB § 1615f Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6; BGB § 1615g Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Verfassungsmäßigkeit der steuerlichen Freistellung des Existenzminimums eines Kindes durch die Gewährung von Kinderfreibeträgen sowie die Durchführung der sog. „Günstigerprüfung”.
Die Kläger sind Eheleute und beantragten für das Streitjahr die Zusammenveranlagung. Der Kläger ist Vater des am ... 1983 geborenen nichtehelichen Kindes .... Gemäß einer am ... 1993 ausgefertigten „Urkunde über die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung” der Stadtverwaltung ... verpflichtete sich der Kläger, ab dem ... 1993 eine Unterhaltsrente in Höhe von monatlich ... DM im voraus zu zahlen.
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 1996 führten die Kläger das Kind ... in der Anlage Kinder auf und gaben die Höhe des zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs für das Kind ... mit DM ... an. Das Kindergeld für das Kind ... wird an die Kindesmutter ausgezahlt.
Durch Bescheid vom ... 1997 setzte der Beklagte die Einkommensteuer auf DM ... fest. Dabei rechnete der Beklagte im Rahmen der sog. „Günstigerprüfung” für das Kind ... mit einem halben Kinderfreibetrag und stellte diesem den zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch gegenüber. In der Erläuterung führte er aus, daß das Kindergeld für das Kind ... in Höhe des zivilrechtlichen Ausgleichsanspruches angerechnet worden sei. Eine Anrechnung des Kindergeldes zur Hälfte auf den Regelunterhalt habe auch dann zu erfolgen, wenn der Vater wegen geringer Leistungsfähigkeit einen unterhalb des Regelbedarfs liegenden Betrag zahle. Die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums der Kinder sei durch das ausgezahlte Kindergeld bzw. durch vergleichbare Leistungen bewirkt.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger mit Schreiben vom ... 1997 Einspruch. Dieses Schreiben ist nur von einer Person unterschrieben worden. Zur Begründung haben sie ausgeführt, daß die vom Bundesverfassungsgericht geforderte steuerliche Freistellung des Existenzminimums eines Kindes erst dann erfolgt sei, wenn für jedes Kind ein monatlicher Kinderfreibetrag i. H. v. DM ... berücksichtigt werde. Weiter haben sie ausgeführt, daß der halbe Kinderfreibetrag bei der Einkommensteuerfestsetzung einbezogen werden müsse ohne gleichzeitig den zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch für das Kind ... anzurechnen.
Am ... 1998 erließ der Beklagte einen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid, der nunmehr auch im Hinblick auf die anhängigen Verfassungsbeschwerden wegen der Höhe der Kinderfreibeträge nach § 165 Abs. 1 AO für vorläufig erklärt wurde. Dieser Bescheid wurde gem. § 365 Abs. 3 S. 1 AO zum Gegenstand des Verfahrens.
Am ... 1998 erließ der Beklagte die Einspruchsentscheidung. Zur Begründung hat der Beklagte im wesentlichen ausgeführt, daß die steuerliche Freistellung des Existenzminimums für das Kind ... durch den zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch bewirkt worden sei, da die aus dem Abzug des hälftigen Kinderfreibetrages bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens resultierende Steuerminderung geringer sei. Da die Berücksichtigung des Kinderfreibetrages oder des Kindergeldes nur alternativ vorgenommen werden könne, sei der halbe Kinderfreibetrag für das Kind ... nicht zu gewähren.
Mit der am ... 1998 erhobenen Klage wenden sich die Kläger gegen die Verfassungsmäßigkeit der Kinderfreibetragsregelung sowie die Anrechnung des zivilrechtlichen Ausgleichsanspruches. Zur Begründung tragen die Kläger vor, daß bei der Bemessung des Unterhaltsbetrages für das Kind ... das staatliche Kindergeld nicht in Abzug gebracht worden sei, denn andernfalls hätte sich der Betrag von DM ... noch um die Hälfte des staatlichen Kindergeldes reduzieren müssen. Eine höhere Unterhaltsrente für das Kind ... habe nicht festgesetzt werden können, da der Kläger wegen seines geringen Einkommens grundsätzlich nicht voll leistungsfähig sei. Der auf den Kläger entfallende hälftige Kindergeldanteil sei diesem somit...