Entscheidungsstichwort (Thema)
Zinsschrankenregelung nach § 4h EStG und § 8a KStG nicht verfassungswidrig
Leitsatz (redaktionell)
1. Die gesetzliche Einschränkung des Betriebsausgabenabzugs für Zinsaufwendungen durch die sog. Zinsschranke (§ 8a Abs. 1 KStG i. V. m. § 4h EStG) ist auch bei reinen Inlandssachverhalten nicht verfassungswidrig (gegen BFH v. 18.12.2013, I B 85/13); insoweit bedarf es keiner Einholung einer Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht.
2. Insbesondere weil die Zinsschrankenregelung nicht zu einer endgültigen Nichtabziehbarkeit des Zinsaufwands führt, sondern lediglich eine vorübergehende Nichtabziehbarkeit zur Folge hat, und weil der der Gesetzgeber mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz v. 22.12.2009 (BGBl I 2009, 3950) mit Wirkung ab 2010 einen EBITDA-Vortrag eingeführt hat, was zu einer weiteren Glättung der Auswirkungen der Zinsschranke führt und die Nutzungsmöglichkeit eines von der Abziehbarkeit vorübergehend ausgenommenen Zinses in den folgenden Jahren noch einmal ausgeweitet hat, wird der Auffassung des BFH nicht gefolgt, wonach die Zinsschranke gegen das objektive Nettoprinzip verstoße und nicht durch einen sog. qualifizierten Fiskalzweck gerechtfertigt werden könne.
Normenkette
EStG 2007 § 4h Abs. 1 Sätze 1-3, Abs. 2-3; KStG § 8a Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14, 19 Abs. 4, Art. 100 Abs. 1 Sätze 1-2
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 17.02.2016; Aktenzeichen I R 18/15) |
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Körperschaftsteuerbescheid 2009 und der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31. Dezember 2009 wegen Verfassungswidrigkeit der sog. Zinsschranke rechtswidrig ist.
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin, einer Aktiengesellschaft mit Sitz in …, ist die Führung, Übernahme, Verwaltung und Betreuung von Unternehmen und Beteiligungen, unmittelbar oder mittelbar über Dritte sowie der Erwerb, die Verwaltung, Verwertung und Veräußerung von Grundbesitz.
Mit Bescheiden vom 10. März 2011 änderte das beklagte Finanzamt (das Finanzamt) nach Durchführung einer Außenprüfung u.a. den Körperschaftsteuerbescheid 2009 und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12.2009 nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO). Die Zinsaufwendungen der Klägerin betrugen im Jahr 2009 20.490.155 EUR. Nach Anwendung der sog. Zinsschranke nach § 8a Körperschaftsteuergesetz (KStG) in Verbindung mit § 4h Einkommensteuergesetz (EStG) ließ das Finanzamt nur noch Zinsaufwendungen in Höhe von 3.442.788 EUR bei der Körperschaftsteuerveranlagung 2009 zum Abzug zu. Zinsaufwendungen in Höhe von 17.047.367 EUR wurden nicht zum Abzug zugelassen (vgl. hierzu auch Ziff. 1.10 des Berichts über die Außenprüfung vom 5. Januar 2011). Der Gesamtbetrag der Einkünfte von ursprünglich -16.061.964 EUR erhöhte sich dadurch auf 985.403 EUR. Nach Abzug eines Verlustabzugs in gleicher Höhe betrug die festgesetzte Körperschaftsteuer 2009 0 EUR. Im geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12.2009 verringerte sich der verbleibende Verlustabzug zum 31.12.2009 um den in 2009 vorgenommenen Verlustabzug und um die weggefallenen negativen Einkünfte des Jahres 2009. Mit Datum 5. Juli 2012 erging (erstmals) ein Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Zinsvortrags nach § 4h EStG i.V.m. §§ 8 Abs. 1, 8a KStG zum 31.12.2009. Der Zinsvortrag wurde auf 17.047.367 EUR festgestellt.
Die Klägerin legte (u.a.) gegen die o.g. Bescheide mit Schreiben vom 6. August 2012 Einspruch ein, über den das Finanzamt noch nicht entschieden hat. Am 16. August 2013 erhob sie Untätigkeitsklage gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Zinsvortrags nach § 4h EStG i.V.m. §§ 8 Abs. 1, 8a KStG zum 31.12.2009, hilfsweise gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2009.
Zur Begründung trägt die Klägerin vor, sie wende sich gegen die Hinzurechnung von Zinsaufwendungen in Höhe von 17.047.367 EUR als vorläufig nicht abzugsfähig, sondern nur vortragsfähig in Form der Zinsschrankenregelung gemäß § 8a Abs. 1 KStG i.V.m. § 4h EStG. Zwar setze der angefochtene Bescheid die Zinsschrankenregelung zutreffend um. § 8a Abs. 1 KStG i.V.m. § 4h EStG verstoße jedoch – bezogen auf den vorliegenden Sachverhalt – gegen Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 Grundgesetz (GG) und sei damit nichtig. Obwohl diese Regelung darauf abziele, dass Konzerne nicht mehr mittels grenzüberschreitender Fremdkapitalfinanzierung in Deutschland erwirtschaftete Erträge ins Ausland transferieren sollten, seien von ihr auch – wie im Fall der Klägerin – reine Inlandssachverhalte erfasst worden. Dem Gesetzgeber sei es jedoch nicht erlaubt, typisierende Missbrauchsregelungen für Auslandssachverhalte dadurch vermeintlich europarechtskonform zu gestalten, dass pauschal eine typische Missbrauchssituation auch für reine Inlandssachverhalte unterstellt wer...