Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug bei einem Umsatzsteuerkarussell
Leitsatz (redaktionell)
1. Enthalten vom Lieferanten ausgestellte Rechnungen über den Bezug von Rechenprozessoren (Central Processing Unit – CPU –) als Leistungsbeschreibung die Angabe „CPU Intel Pentium III – 800, 256 KB, 133 MHz”, aus der sich damit eindeutig der Liefergegenstand erkennen lässt, scheitert der Vorsteuerabzug nicht daran, dass die Rechnungen – ungeachtet der Frage, ob dies handelsüblich ist – nicht in allen Fällen mit einer Seriennummer des Herstellers versehen sind. Ausreichend ist, dass die Angaben in den Abrechnungspapieren so eingehend und genau sind, dass sie ohne weiteres Gewissheit über Art und Umfang des Leistungsgegenstands zu verschaffen vermögen.
2. Die Feststellungslast, dass ein Unternehmer wissentlich an einem Umsatzsteuerkarussell beteiligt war und ihm deswegen der Vorsteuerabzug zu verweigern ist, trägt das FA.
3. Die Nichtentrichtung der Umsatzsteuer im Rahmen eines Umsatzsteuerkarussels durch den Vorlieferanten der Lieferanten des Unternehmers, sog. Missing Trader, führt grundsätzlich nicht zur Versagung des Vorsteuerabzugs. Das gilt nicht, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Leistungsempfänger wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist. Dies gilt gerade auch dann, wenn der fragliche Umsatz den objektiven Kriterien des Umsatzsteuerrechts genügt.
4. Das Funktionieren eines Umsatzsteuerkarussells setzt nicht zwingend voraus, dass alle Beteiligten über ihre Teilnahme an solch einem künstlichen Karussell Bescheid wissen.
Normenkette
UStG 1999 § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 3; EWGRL 388/77 Art. 17, 5
Nachgehend
Tenor
I. Unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids für 2001 vom 27. November 2003 in Gestalt des Umsatzsteuerbescheids vom 03. Januar 2006 und der Einspruchsentscheidung wird die Umsatzsteuer für 2001 auf einen Negativbetrag von X EUR festgesetzt.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist eine im Jahr 2000 gegründete GmbH. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war zunächst B.S., ab 01. Mai 2001 trat M. K. in die Gesellschaft ein und wurde ebenfalls zum Geschäftsführer bestellt.
Auf Grund der Ergebnisse einer Prüfung der Steuerfahndungsstelle (Steufa) ließ der Beklagte (das Finanzamt – FA –) von der Klägerin geltend gemachte Vorsteuerbeträge nicht mehr zum Abzug zu.
Nach den Feststellungen der Steufa beteiligte sich die Klägerin an einem betrügerischen, europaweiten Umsatzsteuerkarussell (vgl. Steufa-Bericht vom 10. November 2003).
Danach war Warengegenstand des Umsatzsteuer-Karussells der zentrale Rechenprozessor (Central Processing Unit – CPU –) der Firma I. Nach den Feststellungen der Steufa kreisten die CPU's zwischen den beteiligten Unternehmen über mehrere parallele Lieferstränge. Die Klägerin habe dabei als so genannter Distributor, d.h. als sog. Exporteur ins europäische Ausland fungiert.
Die Klägerin bezog die CPU's im Streckengeschäft von den Firmen T, L und C, die ihrerseits die Waren von der Firma H. bezogen hatten. Die Abnehmer der Klägerin im europäischen Ausland führten die CPU's nicht einem möglichen Verbau zu, sondern fakturierten sie zu einem nicht unbedeutenden Anteil weiter an wechselnde inländische Scheinfirmen („Missing Trader”).
Nach der Auffassung des Finanzamts wurde durch die genannten Warenbewegungen innerhalb eines Umsatzsteuer-Karussells keine Verfügungsmacht verschafft bzw. stellten diese Vorgänge Scheingeschäfte dar.
Der gegen den Umsatzsteuer-Bescheid 2001 vom 27. November 2003 eingelegte Einspruch der Klägerin blieb erfolglos (vgl. Einspruchsentscheidung vom 29. März 2004).
Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage macht die Klägerin im Wesentlichen folgendes geltend:
Das Finanzamt mache nur allgemeine Angaben zu einem angeblich bestehenden Umsatzsteuer-Karussell, detaillierte Ausführungen seien nicht zu erkennen.
Das Finanzamt habe außerdem die Aufzeichnungen aus der Telefonüberwachung zu Unrecht verwertet, da diese unter Verletzung des Art. 10 Abs. 1 GG durchgeführt worden sei, so dass im Besteuerungsverfahren ein Verwertungsverbot bestünde.
Die Ausführungen im Steuerfahndungsbericht zum so genannten „Graumarkt” seien fehlerhaft. Sämtliche Direktpartner der Firma I. müssten Dispositionen über einen zu erwartenden Bedarf an CPU's mit einem Vorlauf von ca. 6 Monaten treffen. Daraus ergäben sich in diesem Markt zwangsweise nicht benötigte Überhänge, aber auch häufig Engpässe für aktuelle PC-Produktionen.
Von besonderer Bede...