Entscheidungsstichwort (Thema)
Kirchensteuer 1989–1993
Tenor
1. Die Einspruchsentscheidung vom 05. August 1996 wird aufgehoben, soweit sie sich gegen die Klägerin richtet. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Der am … August 1948 in Bukarest, Rumänien, geborene Kläger ist kurz nach seiner Geburt nach mosaischem Ritus (1 Mose 17, 9–14, 23–27) beschnitten worden. Er hat am 28. Dezember 1995 zur Niederschrift des zuständigen Standesbeamten seinen Austritt aus der jüdischen Religionsgemeinschaft erklärt.
Er kam 1972 nach Deutschland und lebte dort nahezu ohne Unterbrechung.
Am 13. Januar 1977 heiratete er die von einer jüdischen Mutter abstammende Klägerin nach jüdischem Ritus in Haifa (Bl. 30 FG-Akte) und zog mit ihr nach München. Am Gemeindeleben der „Israelitischen Kultusgemeinde” (IKG) nahmen die Eheleute nicht teil. Sie meldeten aber ihre Tochter seit 1984 zum jüdischen Kindergarten an und ließen sie am jüdischen Religionsunterricht teilnehmen (Bl. 5 des Gehefts in der FG-Akte).
In ihren Einkommensteuer (ESt)-Erklärungen ab 1979 gaben die Kläger unter der Religionszugehörigkeit jeweils gar nichts oder „ohne Bekenntnis” an.
Anfang November 1994 fragte die IKG beim Kirchensteueramt des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden … (KiStA) an, ob der Kläger kirchensteuerlich erfaßt sei, was nicht der Fall war. Das KiStA wandte sich daraufhin an das zuständige Finanzamt, welches am 02. Dezember 1994 die Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre 1989–1993 mitteilte (Bl. 1 des Gehefts).
Das KiStA veranlagte den Kläger mit Sammelbescheid vom 05. Dezember 1994 für die Jahre 1989–1993 zur KiESt. Diesen Bescheid sandte der Kläger mit Einschreiben vom 12. Dezember 1994 an das KiStA mit der Begründung zurück, es könne sich nur um einen Irrtum handeln, da er keiner Konfession und keiner religiösen Gemeinde angehöre (Bl. 4 des Gehefts).
Mit Begleitschreiben vom 30. November 1995 (nur an den Kläger gerichtet) stellte das KiStA den an beide Kläger adressierten Sammelbescheid vom 30. November 1995 zu (Bl. 8 f. des Gehefts). Der Einspruch vom 15. Dezember 1995 (Bl. 10 des Gehefts) ist nur vom Kläger unterschrieben. Das KiStA wies den Einspruch mit Entscheidung vom 05. August 1996 (EE), die an beide Kläger adressiert ist, zurück (Bl. 11 f. des Gehefts).
Ihre Klage begründen die Kläger im wesentlichen wie folgt: Sie gehörten der jüdischen Religionsgemeinschaft nicht an. Sie hätten sich seit ihrer Wohnsitznahme in M. (1977) nie als Mitglieder der IKG gefühlt und auch in keiner Weise am Gemeindeleben teilgenommen. Sie – die Kläger – seien weder als Mitglieder registriert noch hätten sie ihre Religionszugehörigkeit durch entsprechende Eintragungen in den ESt-Erklärungen zum Ausdruck gebracht. Der Umstand, daß sie ihre Tochter seit 1984 den jüdischen Kindergarten besuchen und sie am jüdischen Religionsunterricht hätten teilnehmen lassen, sei nicht als Bekenntnis zum jüdischen Glauben zu werten.
Jedenfalls seien die Ansprüche des Steuerverbands verwirkt: Seit 1984 sei die IKG davon informiert gewesen, daß die Kläger KiSt-pflichtig sein könnten. Durch jahreslanges Zuwarten hätte die IKG sie in ihrem Glauben bestärkt, eine Veranlagung zur KiSt sei nicht zu erwarten. Außerdem dürften ihnen nicht einerseits von der IKG elementare Rechte (als Mitglieder) vorenthalten, andererseits alle Pflichten eines Mitglieds (insbes. die KiSt-Zahlung) aufgebürdet werden. Es sei auch unerfindlich, weshalb das KiStA erst 1994 davon Kenntnis erlangt haben wolle, daß sie Angehörige der jüdischen Glaubensgemeinschaft seien.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 05. September, 04. und 27. November 1996 verwiesen.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
die Sammelbescheide vom 05. Dezember 1994 und vom 30. November 1995 über KiSt 1989–1993 und die EE vom 05. August 1996 aufzuheben.
Das KiStA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es vertritt die Ansicht, die Kläger seien Angehörige der jüdischen Glaubensgemeinschaft und somit KiSt-pflichtig. Eine Verwirkung sei nicht gegeben, da es von den Klägern erstmals 1994 Kenntnis erlangt habe und dann sofort tätig geworden sei.
Im übrigen verweist der Senat auf die Schriftsätze vom 11. Oktober und 13. November 1996.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage hat teilweise Erfolg: Die EE wird aufgehoben, soweit sie sich gegen die Klägerin richtet. Im übrigen ist die Klage unbegründet.
1. Gegen den ursprünglichen Bescheid vom 05. Dezember 1994 hatte folgerichtig nur der Kläger Rechtsmittel eingelegt, da er auch nur an ihn adressiert war. Sein Schreiben vom 11. Dezember 1994, mit dem er sich gegen die Heranziehung zur KiSt wendet, ist als Einspruch zu werten, obwohl es nicht als solcher bezeichnet ist. Die erneute Zustellung des Bescheids gegenüber dem Kläger ist als sog. wiederholende Verfügung (hierzu Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 347 Tz. 6) anzusehen. Ein neues Einspruchsverfahren ist durch das Schreiben vom 05. Dezember 1995 nicht eröf...