Entscheidungsstichwort (Thema)
Frage der Einkommensteuerpflichtigkeit von Erstattungszinsen
Leitsatz (redaktionell)
Es ist nicht zulässig, die gesetzgeberische Grundentscheidung in § 12 Nr. 3 EStG, wonach bestimmte Steuern und die hierauf entfallenden Nebenleistungen dem steuerbaren Bereich entzogen sind, für Erstattungszinsen zur ESt dahingehend einzuschränken, dass diese steuerbar bleiben bzw. wieder steuerbar werden, solange entsprechende Steuern und Nebenleistungen als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG abzugsfähig waren bzw. es wieder werden.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 5, § 12 Nr. 3
Nachgehend
Tatbestand
Zu entscheiden ist, ob im Streitjahr 1996 gezahlte Erstattungszinsen gem. § 52a Abs. 8 und § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 (n.F.) einkommensteuerpflichtig sind.
Die Kläger sind zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger erzielte im Streitjahr u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen.
Mit der am 03.09.1998 eingereichten Einkommensteuererklärung 1996 erklärte er vom Finanzamt erhaltene Erstattungszinsen i.H.v. 929.939 DM. Bei den Sonderausgaben erklärte er Zinsen für Nachforderung und Stundung von Steuern sowie Aussetzung der Vollziehung i.H.v. 241.087 DM. Der Beklagte setzte als steuerpflichtige Erstattungszinsen nur 658.868 DM an und kürzte die abzugsfähigen Nachforderungszinsen auf 208.195 DM.
Wegen anderer Streitpunkte führten die Kläger einen Rechtsstreit, der im Hinblick auf noch anhängige und vorgreifliche Einspruchsverfahren beim Finanzamt L ausgesetzt worden ist. Im anhängigen Klageverfahren sind unter dem 26.06., 04.12.2003, 03.02.2005 und 06.06.2011 Änderungsbescheide ergangen, in denen weiterhin Erstattungszinsen i.H.v. 658.868 DM und Nachforderungszinsen i.H.v. 208.195 DM berücksichtigt sind.
Mit Schreiben vom 12.11.2010 beantragen die Kläger, die als steuerpflichtige Kapitaleinkünfte erfassten Erstattungszinsen auf Einkommensteuern i.H.v. 658.868 DM steuerfrei zu stellen. Zur Begründung berufen sie sich auf das Urteil des BFH vom 15.06.2010 VIII R 33/07, BStBl. II 2011, 503, wonach Zinsen nicht der Einkommensteuer unterliegen, soweit die zugrunde liegende Steuer nach § 12 Nr. 3 EStG nicht abgezogen werden dürfe. Eine solche nicht abzugsfähige Steuer i.S. des § 12 Nr. 3 EStG sei die Einkommensteuer.
Das Verfahren hat zunächst auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten bis zum Ergehen einer die Instanz abschließenden Entscheidung des BFH in dem Verfahren VIII R 1/11 geruht.
Das Gericht hat das Verfahren auf Antrag der Beteiligten mit Beschluss vom 09.05.2012 wieder aufgenommen. Denn anders als im Streitfall betrifft das vor dem BFH anhängige Verfahren VIII R 1/11 ein Streitjahr (2001), in dem ein Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG i.d.F. des Steuerreformgesetzes 1990 (a.F.) nicht mehr möglich war.
Nach Auffassung der Kläger unterfallen die Zinsen nicht der Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG n.F. Insbesondere sei die in § 52a Abs. 8 EStG n.F. begründete echte Rückwirkung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 n.F. unzulässig.
Eine echte Rückwirkung sei aus Gründen des Vertrauensschutzes grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig. Eine der Ausnahmen, bei denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen ausnahmsweise nachrangig sei, liege nicht vor. Im Streitfall sei weder eine Bagatelle oder eine unklare bzw. verworrene Rechtslage zu regeln. Auch liege keine verfassungswidrige Lücke oder eine gefestigte Rechtsprechung und Rechtspraxis vor, auf deren Fortbestand zu keiner Zeit habe vertraut werden dürfen. Schließlich fehlten auch zwingende Gründe des Allgemeinwohls.
Vorliegend habe keine unklare oder verworrene, sondern eine korrekturbedürftige Rechtsprechung vorgelegen. Der BFH habe in seiner Entscheidung vom 15.06.2010 VIII R 33/07, aaO erstmals erkannt, dass § 12 Nr. 3 EStG die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG a.F. für die dort genannten Steuern und die darauf gezahlten Zinsen sperre. Es könne nicht argumentiert werden, § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG n.F. schließe eine verfassungswidrige Lücke, die sich eröffne, wenn es beim Sonderausgabenabzug von Nachzahlungszinsen bleibe, ohne dass Erstattungszinsen als Kapitaleinkünfte zu versteuern seien. Wenn die Aufhebung der Symmetrie in der steuerlichen Behandlung der Nachzahlungszinsen in der Vergangenheit durch Aufhebung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG a.F. zum 01.01.1999 verfassungsrechtlich unbedenklich gewesen sei, könne nichts anderes in der spiegelbildlichen Rechtslage gelten, wenn Erstattungszinsen nicht steuerbar seien, gleichzeitig aber die Abzugsfähigkeit von Nachzahlungszinsen erhalten bleibe.
Die mit § 52 Abs. 8 Satz 2 EStG angeordnete echte Rückwirkung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG n.F. habe nicht lediglich eine Gesetzeslage geschaffen, die vor dem Urteil des BFH vom 15.06.2010 VIII R 33/07, aaO der gefestigten Rechtsprechung und Rechtspraxis entspr...