Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablaufhemmung bei gerichtlicher und behördlicher Aufhebung von Steuerbescheiden
Leitsatz (redaktionell)
Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3a S. 3 AO verlängert die Festsetzungsfrist nur für den Fall der gerichtlichen Aufhebung eines Steuerbescheides. Eine analoge Anwendung der Vorschrift für den Fall der behördlichen Aufhebung kommt nicht in Betracht.
Normenkette
AO § 171 Abs. 3a S. 3; AO § 171 Abs. 3a
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die entsprechende Anwendung des § 171 Abs. 3a S. 3 Abgabenordnung – AO – auf den Fall der behördlichen Aufhebung eines Haftungsbescheides im Klageverfahren.
Der Kläger war alleiniger Geschäftsführer der Fa. X GmbH. Mit Bescheid vom 8. Juni 1994 nahm der Beklagte den Kläger wegen rückständiger Körperschaftsteuer für das 4. Quartal 1993 und wegen rückständiger Umsatzsteuer für die Monate Juni bis November 1993 zzgl. Säumniszuschläge und Verspätungszuschläge gem. § 191 i.V.m. §§ 69, 34 AO in Haftung. Nachdem der Einspruch nur teilweise Erfolg hatte, erhob der Kläger hiergegen Klage (Az. 9 K 3152/96) beim Finanzgericht Münster. In der mündlichen Verhandlung am 7. Mai 1999 erklärte der Beklagtenvertreter – nach entsprechendem Hinweis des Gerichts –, er hebe den Haftungsbescheid sowie die Einspruchsentscheidung zur erneuten Ermessensausübung auf. Im Hinblick darauf erklärten die Beteiligten sodann den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.
In der Folgezeit erließ der Beklagte am 8. Juli 1999 – wie angekündigt – einen neuen Haftungsbescheid gegen den Kläger wegen rückständiger Körperschaftsteuer für das 4. Quartal 1993 und Umsatzsteuer für die Monate Juni bis September 1993 zzgl. Säumniszuschlägen und Verspätungszuschlägen.
Den Haftungsbescheid sandte der Beklagte zusammen mit dem Bescheid vom 8. Juli 1999 über die Aufhebung des Haftungsbescheides vom 8. Juni 1994 und der Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 1996 als Anlagen zu einem Anschreiben an den Prozessbevollmächtigten des Klägers.
Den gegen den neuen Haftungsbescheid eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 31. Januar 2000 als unbegründet zurück.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger weiterhin die Aufhebung des neuen Haftungsbescheides sowie der Einspruchsentscheidung. Zur Begründung trägt er vor, dass im Zeitpunkt des Erlasses des nunmehr angefochtenen Haftungsbescheides bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sei, da durch die Aufhebung des ersten Haftungsbescheides die Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist rückwirkend entfallen sei. Der Beklagte hätte diesen Rechtsverlust unschwer vermeiden können, indem er auf ein Urteil gedrungen hätte, statt im „vorauseilenden Gehorsam” den Bescheid selbst aufzuheben. Hinsichtlich des weiteren klägerischen Vorbringens wird auf die Schriftsätze vom 17. April 2000, 6. Juli 2000 und 6. August 2001 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid vom 8. Juli 1999 sowie die Einspruchsentscheidung vom 31. Januar 2000 aufzuheben, hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
Zur Begründung führt er aus, er habe seinerzeit den ersten Haftungsbescheid nur in Vorwegnahme der Aufhebung durch das Finanzgericht aufgehoben. Dem Kläger sei bewusst gewesen, dass der Haftungsbescheid nur mit der Maßgabe aufgehoben worden sei, dass ggf. ein neuer Haftungsbescheid erlassen werde. Dies sei auch im Schreiben vom 8. Juli 1999 dokumentiert worden, dem der neue Haftungsbescheid beigefügt gewesen sei. Es könne nicht angehen, dass die durch das Gericht angeregte Aufhebung im Wege des „vorauseilenden Gehorsams” dazu führe, dass damit die Festsetzungsfrist abgelaufen sei. Dieses widerspreche dem Grundsatz von Treu und Glauben und führe durch das Gericht propagierte Einigungsvorschläge ad absurdum. Die aus Gründen der Prozessökonomie im Interesse aller Beteiligten geübte Praxis sollte nicht zu Rechtsverlusten führen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Beklagten wird auf die Schriftsätze vom 16. Juni 2000, Juli 2001 (ohne genaue Datumsangabe) und 21. August 2001 Bezug genommen.
Des Weiteren wird Bezug genommen auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 26. Februar 2003.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der Haftungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Der Haftungsbescheid vom 8. Juli 1999 ist erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist des § 191 Abs. 3 AO ergangen.
Gem. § 191 Abs. 3 AO sind die Vorschriften über die Festsetzungsfrist auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt grds. 4 Jahre. Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft.
Vorliegend b...