Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Rückstellung für künftige Sanierungsgelder an die VBL
Leitsatz (redaktionell)
1) Mitgliedsunternehmen der Versorgungskasse des Bundes und der Länder (VBL) dürfen für Sanierungsgelder, die sie zukünftig an die VBL voraussichtlich zu entrichten haben, keine Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB bilden.
2) Die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten setzt voraus, dass alle wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmale bereits am Bilanzstichtag erfüllt sind und das rechtliche Entstehen der Verbindlichkeiten nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängig ist.
3) Bei wertender Betrachtung gehört sowohl die frühere Beschäftigung von Arbeitnehmern, die geschützte Anwartschaften erworben haben, als auch die künftige Beschäftigung von Arbeitnehmern, die zusatzversorgungspflichtige Entgelte beziehen werden, zu den wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmalen für das Entstehen künftiger Verpflichtungen zur Zahlung von Sanierungsgeldern.
Normenkette
VGB-Satzung 2001 § 65; EStG § 5 Abs. 1 S. 1; KStG § 8 Abs. 1; HGB § 249 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin für Sanierungsgelder, die sie künftig an die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) voraussichtlich zu entrichten haben wird, Rückstellungen zu bilden hat.
Die Klägerin ist eine im Jahr 1998 gegründete GmbH, deren Gesellschafter kommunale Gebietskörperschaften sind. Ihr Gegenstand ist die Energieerzeugung und der Energiehandel zur Weiterlieferung an kommunale Stadtwerke. Durch Beteiligung an der VBL verschafft sie ihren Arbeitnehmern Anwartschaften und Ansprüche auf zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung.
Die VBL erbrachte zunächst Leistungen im Rahmen einer Gesamtversorgung. Diese war dadurch gekennzeichnet, dass die von den Versicherten bezogenen Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung durch die hinzutretende VBL-Rente im Ergebnis annähernd auf das Niveau der nach beamtenversorgungsrechtlichen Grundsätzen zu erwartenden Versorgung angehoben wurde. Die laufenden Rentenleistungen wurden im Umlageverfahren aus den laufenden Beiträgen erbracht.
Dieses System war aus verschiedenen Gründen nicht mehr finanzierbar. Durch Vereinbarung der Tarifvertragsparteien wurde das Gesamtversorgungssystem daher zum 1. Januar 2001 geschlossen. Nach diesem Stichtag erwerben die Versicherten ihre Anwartschaften in einem Betriebsrentensystem nach dem Punktemodell (zur zivil- und verfassungsrechtlichen Zulässigkeit dieses Systemwechsels umfassend Urteil des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 14. November 2007 IV ZR 74/06, BGHZ 174, 127). Die laufenden Leistungen werden weiterhin im Umlageverfahren aufgebracht. Auf Seiten der Versicherten werden die Leistungsansprüche künftiger Versorgungsberechtigter – unter Gewährung weitgehenden Vertrauensschutzes für Rentenbezieher und rentennahe Jahrgänge – um durchschnittlich 20% abgesenkt. Die durch den Arbeitgeber an die VBL abzuführende Umlage wird ab dem 1. Januar 2002 wie folgt bemessen (jeweils in % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts der Pflichtversicherten):
- Beitrag des Arbeitgebers: 6,45% (unverändert),
- Beitrag des Arbeitnehmers: 1,41% (zuvor 1,25%),
- vom Arbeitgeber zu tragendes Sanierungsgeld: durchschnittlich 2,0%; für die Arbeitgebergruppe, der die Klägerin angehört, jedoch 1,85% (zuvor nicht erhoben).
Insgesamt hat die Klägerin an die VBL nunmehr Beträge in Höhe von 9,71% des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts ihrer Arbeitnehmer abzuführen; bis zum 31. Dezember 2001 belief sich dieser Satz hingegen auf lediglich 7,7%.
Von den insgesamt 20 in der VBL versicherten Arbeitnehmern der Klägerin fallen zwei unter die vertrauensschützenden Übergangsregelungen für rentennahe Jahrgänge. Die Klägerin hat diese beiden Arbeitnehmer von den Stadtwerken ihrer Gesellschafter übernommen.
Die Erhebung des Sanierungsgelds beruht auf § 65 der Satzung der VBL vom 22. November 2002, die mit Rückwirkung zum 1. Januar 2001 in Kraft getreten ist (VBL-Satzung 2001, Bundesanzeiger vom 3. Januar 2003). Eine entsprechende Regelung war bereits im „Altersversorgungsplan 2001” von den Tarifvertragsparteien am 13. November 2001 verbindlich vereinbart worden. § 65 VBL-Satzung 2001 lautet:
„(1) Infolge der Schließung des Gesamtversorgungssystems und des Wechsels vom Gesamtversorgungssystem zum Punktemodell erhebt die Anstalt entsprechend dem periodischen Bedarf von den Beteiligten im Abrechnungsverband West ab 1. Januar 2002 pauschale Sanierungsgelder zur Deckung eines zusätzlichen Finanzierungsbedarfs, der über die Einnahmen bei dem Umlagesatz von 7,86 v.H. hinausgeht und der zur Finanzierung der vor dem 1. Januar 2002 begründeten Anwartschaften und Ansprüche (Altbestand) dient. Sanierungsgelder werden erhoben, solange das Anstaltsvermögen, soweit es dem Abrechnungsverband West zuzurechnen ist, am Ende des Deckungsabschnitts...