Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an Geschäftsanteilen an einer Kapitalgesellschaft
Leitsatz (amtlich)
Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an Geschäftsanteilen an einer Kapitalgesellschaft vor dem dinglichen Vollzug durch eine formwirksame Abtretung setzt regelmäßig voraus, dass der Erwerber alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte, insbesondere auch Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht, ausüben kann.
Normenkette
EStG § 17; AO § 42
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die steuerliche Anerkennung eines Verlustes des Klägers aus der Veräußerung einer Beteiligung an der I Immobilien AG nach § 17 EStG, den der Kläger mit 23.062.698.- DM beziffert.
Der Kläger und die Klägerin sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Mit notariellem Vertrag vom 10.06.1992 (Bl. 50 ESt-Akte) gründete der Kläger die I GmbH mit Sitz in T. Gegenstand des Unternehmens ist nach § 2 des Vertrages die Planung von Bauobjekten aller Art verbunden mit der Beratungstätigkeit in allen Baufragen sowie die Baubetreuung, Projektentwicklung und Projektmanagement. Die Gesellschaft kann alle Geschäfte betreiben, die zur Förderung des Gesellschaftszweckes notwendig sind oder nützlich erscheinen. Sie darf andere Unternehmen gleicher oder ähnlicher Art übernehmen, sich an ihnen beteiligen und ihre Geschäfte führen. Das Stammkapital von 100.000.- DM übernahm der Kläger als Gesellschafter alleine. Er war auch alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Im Streitjahr war der Kläger u.a. auch an der R GmbH in T als alleiniger Gesellschafter beteiligt, auch hier war er Geschäftsführer.
In der Zeit vom 11.09.1992 bis 30.04.1993 erwarb der Kläger in Gestalt von 120.401 Inhaberaktien eine Beteiligung von 50,16% an der I Immobilien AG (im folgenden AG) für insgesamt 20.580.824,76 DM. Am 02.11.1993 übernahm der Kläger gegenüber der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank eine selbstschuldnerische Bürgschaft über 5 Mio. DM für die AG (Bl. 123 ESt-Akte). Mit Urteil des LG D vom 14.10.1994 wurde die AG infolge eines gegen sie gerichteten Klageverfahrens zur Zahlung von nahezu 9 Mio. DM verurteilt. Hiergegen legte sie am 25.11.1994 Berufung ein.
Mit privatschriftlichem Kaufvertrag zwischen dem Kläger als Verkäufer und der I GmbH, vertreten durch den Kläger als alleinvertretungsberechtigtem Geschäftsführer, als Käuferin vom 21.12.1994 verkaufte und übertrug der Kläger dieser die im Depot Konto Nr. 8001 42457 bei der Sparkasse T verwahrten 120.401 Aktien der AG mit Wirkung zum Stichtag 31.12.1994 einschließlich aller Nebenrechte, insbesondere Dividendenbezugsrechte. Die Übergabe sollte dadurch erwirkt werden, dass der Kläger der dies annehmenden I GmbH seinen Herausgabeanspruch gegenüber der depotführenden Bank abtritt. Übereignung und Abtretung des Herausgabeanspruchs sollten unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung gemäß § 2 des Vertrages stehen. Besitz, Nutzen und Lasten sollten mit Wirkung zum Stichtag übergehen. Der Verkäufer bevollmächtigte schon jetzt die Käuferin, alle seine Aktionärsrechte, insbesondere seine Stimmrechte aus den übereigneten Aktien in Hauptversammlungen auszuüben. Nach § 2 des Vertrages betrug der Kaufpreis vorläufig 2 Mio. DM. Er sollte sich aus einem nachzureichenden Bewertungsgutachten der von den Parteien gemeinsam festgelegten Wirtschaftsprüfer bzw. Wirtschaftsprüfergesellschaft ergeben. Der Kaufpreis sollte zum 31.12.1994 fällig sein, wurde der Käuferin jedoch für die Zeit vom 01.01.1995 bis 31.05.1995 verzinslich mit einem Zinssatz von 9,5% gestundet. Den Vertragsparteien blieb der Nachweis vorbehalten, dass sich der Wert des Kaufgegenstandes zum 31.05.1995 um mehr als 10% nach oben oder unten verändert hat; dieser Nachweis war durch ein bis zum 31.07.1995 zu erstellendes Wertgutachten des vorgenannten Wirtschaftsprüfers als Schiedsgutachten iSv § 317 BGB zu führen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vertragliche Vereinbarung Bezug genommen (Bl. 60-62 ESt-Akte).
Mit ihrer am 31.01.1995 eingereichten Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1994 hatten die Kläger u.a. Einnahmen des Klägers aus Kapitalvermögen i.H.v. 23 Mio. DM erklärt, die aus Gewinnausschüttungen der R GmbH gemäß den Beschlüssen der Gesellschafterversammlungen vom 08. und vom 12.12.1994 resultierten. Gleichzeitig machten sie einen Verlust aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung i.S.d. § 17 EStG im Zusammenhang mit der Veräußerung der AG-Aktien iHv 18.580.824.- DM geltend, der sich nach ihren Berechnungen aus der Gegenüberstellung der o.g. Anschaffungskosten und eines Veräußerungspreises von 2 Mio. DM ergab.
Nachdem Vergleichsverhandlungen der AG mit den den Zivilprozess betreibenden Klägerinnen und Banken gescheitert waren und das OLG D einen Antrag der AG auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung am 13.02.1995 abgelehnt hatte, stellte der Kläger als allein...