Rz. 1
§ 8b KStG enthält eine Regelung zur Ermittlung des Einkommens. Bei der Einkommensermittlung nach § 8b KStG werden bestimmte Einnahmen bei Erreichen einer Schwelle von 10 % (Abs. 1) bzw. Veräußerungsgewinne (Abs. 2) abgezogen bzw. bestimmte Gewinnminderungen (Abs. 3) hinzugerechnet und dadurch aus der Bemessungsgrundlage für die Steuerberechnung ausgeschieden. Nach der systematischen Stellung und dem Wortlaut vermittelt § 8b KStG den Eindruck einer bloß technischen Vorschrift zur Durchführung der Einkommensermittlung. Dies ist jedoch nicht richtig; tatsächlich enthält § 8b KStG eine praktisch besonders bedeutsame sachliche Steuerbefreiung. Nach dem Regelungsbereich hätte diese Steuerbefreiung eher im Zusammenhang mit § 5 KStG eingestellt werden müssen. Zur Anwendung des § 8b Abs. 1–7 KStG hat das BMF mit Schreiben v. 28.4.2003 Stellung genommen.
Rz. 2
Die Vorschrift enthält eine Regelung, die integraler Bestandteil des KSt-Systems nach Beseitigung des Anrechnungsverfahrens ist, und hat daher besondere Bedeutung für die Steuergerechtigkeit und eine angemessene, der Leistungsfähigkeit entsprechende Steuerbelastung. Das System des KStG 2002 ist ein "klassisches" System mit Doppelbelastung. Hierbei wird sowohl die Körperschaft mit dem von ihr erzielten Einkommen als auch der Anteilseigner mit der ihm zugeflossenen Gewinnausschüttung besteuert, ohne dass eine zwingende rechtstechnische Verknüpfung zwischen den Steuerbelastungen auf beiden Ebenen besteht. Das klassische System führt daher begriffsnotwendig zu einer doppelten Besteuerung, d. h. einer Besteuerung auf jeder der beiden betroffenen Ebenen, der der Körperschaft und der des Anteilseigners. Dieser doppelten Besteuerung entspricht aber keine verdoppelte Leistungsfähigkeit. Soll ein Verstoß gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit vermieden werden, muss diese Doppelbelastung so gemildert werden, dass nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung des Art. 3 GG gegenüber anderen Einkünften verstoßen wird. Das System des KStG 2002 mildert diese Doppelbelastung grundsätzlich in 2 Stufen, d. h. auf jeder der beiden betroffenen Ebenen.
Rz. 3
Auf der Ebene der ausschüttenden Körperschaft wird die folgende Besteuerung auf der Stufe des Anteilseigners dadurch berücksichtigt, dass der KSt-Satz auf 15 % gesenkt worden ist. Auf der Ebene des Anteilseigners wird die "Vorbelastung" der Gewinnausschüttung bei der Körperschaft dadurch berücksichtigt, dass nur 60 % der Einnahmen als Bemessungsgrundlage der Steuer zugrunde gelegt werden ("Teileinkünfteverfahren") bzw. eine Pauschalbesteuerung mit 25 % erfolgt. Der Gesetzgeber geht (typisierend) davon aus, dass die Summe aus der Tarifsteuer auf der Ebene der Körperschaft und der Steuer bei dem Anteilseigner aufgrund des Teileinkünfteverfahrens bzw. der Abgeltungsteuer eine angemessene, dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit entsprechende Gesamtbelastung ergibt.
Rz. 4
Diese Konzeption basiert auf der Annahme, dass sich die Doppelbelastung aus der steuerlichen Belastung von (nur) 2 Ebenen ergibt. Tritt eine Steuerbelastung auf mehr als 2 Ebenen ein, führt die Konzeption zu einer nicht ausreichenden Milderung der Doppelbelastung. Bei einer natürlichen Person als Anteilseigner kann sich auf dieser Stufe keine Vermehrung der Ebenen ergeben, die die Ausschüttung durchläuft. Gleich, ob eine natürliche Person oder eine Personengesellschaft, an der nur natürliche Personen beteiligt sind, Inhaber der Anteile ist, "endet" die Ausschüttungskette bei der natürlichen Person; eine Weiterausschüttung mit der Folge von Einnahmen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG beim Empfänger ist nicht denkbar. Eine Vermehrung der Ebenen, auf denen die Gewinnausschüttung der Besteuerung unterliegt, ergibt sich aber, wenn die Ausschüttung an eine (zwischengeschaltete) Körperschaft fließt. Da diese Körperschaft mit ihrem Gewinn, zu dem die empfangene Ausschüttung gehört, selbst steuerpflichtig ist, tritt bei ihr grundsätzlich eine (weitere) Besteuerung von 15 % ein. Da die Körperschaft ihrerseits Gewinn an ihren Anteilseigner (natürliche Person) ausschütten kann, tritt in diesem Fall eine dreifache Belastung ein. Ist in der Kette der Beteiligungen mehr als eine Körperschaft zwischengeschaltet, erhöht sich die Zahl der Ebenen, auf denen eine Besteuerung erfolgt, und damit die gesamte Steuerbelastung, entsprechend.
Rz. 4a
Es liegt auf der Hand, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die durch die Gewinnerzielung und Ausschüttung einer Körperschaft begründet wird und besteuert werden soll, nicht allein dadurch größer wird, dass die Gewinnausschüttung über mehrere Stufen erfolgt. Während bei einer Gewinnausschüttung über mehr als 2 Ebenen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gegenüber dem vom Gesetz als Norm angesehenen Fall der Einschaltung von 2 Ebenen (ausschüttende Körperschaft und natürliche Person als Anteilsempfänger) gleich bleibt, erhöht sich die Steuerbelastung mit jeder zusätzlich zu berü...