FinMin Hessen v. 30.4.1992, S 5105 A - 7 - II A 41, DStR 1992, 1019

In seinem Urteil vom 10.4.1991, I R 77/87 (BStBl 1992 II S. 41) vertritt der BFH die Auffassung, für die Ablehnung der Steuerbefreiung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 KVStG sei es unerheblich, ob eine gemeinnützige Kapitalgesellschaft einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S. des § 64 AO oder einen Zweckbetrieb i.S. der §§ 65 bis 68 AO unterhalte. Dies begründet das Gericht mit dem Hinweis, daß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG und § 3 Nr. 6 GewStG eine "Einschränkung" enthielten, nach der die Steuerbefreiung für einen von den betroffenen Kapitalgesellschaften unterhaltenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ausgeschlossen sei, während eine solche Regelung in § 7 Abs. 1 Nr. 1 KVStG fehle. Da diese Rechtsauffassung des BFH in zahlreichen auch nach der Abschaffung der Gesellschaftsteuer noch offenen Fallen zum Tragen kommen kann, ist von den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder erörtert worden, ob und ggf. in welchem Umfang das Urteil angewendet werden soll.

Nach dem Ergebnis der Erörterung ist das Urteil nicht anzuwenden, wenn eine gemeinnützige Kapitalgesellschaft einen Zweckbetrieb i.S. der §§ 65 bis 68 AO unterhält, weil sich die Betätigung der Kapitalgesellschaft in diesem Fall ausschließlich im Rahmen der Gemeinnützigkeit bewegt, ein Verstoß gegen die nach § 55 AO vorgeschriebene Selbstlosigkeit der gemeinnützigen Kapitalgesellschaft also nicht vorliegt. Andernfalls wäre die Steuerbefreiung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 KVStG in den zahlreichen Fallen, in denen eine gemeinnützige Kapitalgesellschaft nur aus einem Zweckbetrieb besteht, nicht anwendbar.

Für den Fall, daß eine gemeinnützige Kapitalgesellschaft auch einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält, ist die Frage, ob § 7 Abs. 1 Nr. 1 KVStG angewendet werden kann, im Einzelfall zu prüfen. Aus Billigkeitsgründen soll die Steuerbefreiung immer dann angewendet werden, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb im Verhältnis zur Verwirklichung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke nur einen ganz geringfügigen Umfang einnimmt (z.B. die gemeinnützige Kapitalgesellschaft mit einem Kapital von über 500 Mio DM unterhält eine Kantine mit Einnahmen von jährlich 225.000 DM).

 

Normenkette

KVStG § 7 Abs. 1 Nr. 1

 

Fundstellen

DStR, 1992, 1019

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