Entscheidungsstichwort (Thema)
Kapitalertragsteuerpflicht von Eigenbetrieben öffentlich-rechtlicher Körperschaften bei Vorabausschüttungen
Leitsatz (redaktionell)
- Bei Betrieben gewerblicher Art öffentlich-rechtlicher Körperschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit ist der Besteuerungstatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 10b EStG mit der Erzielung des Gewinns des Betriebs zum Ablauf des Wirtschaftsjahres erfüllt, soweit der Gewinn nicht in die Rücklage eingestellt wird. Auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Abführung des Gewinns kommt es nicht ein.
- Vorabausschüttungen auf den Gewinn eines Betriebs gewerblicher Art ohne eigene Rechtspersönlichkeit an die Trägerkörperschaft lösen keine Kapitalertragsteuerpflicht aus.
- Als in die Rücklage eingestellt im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 10b EStG gelten alle die Gewinne, die im Eigenkapital des Betriebs gewerblicher Art ausgewiesenen werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Mittel bei Eintritt einer bestimmten Bedingungen auf Abruf der Trägerkörperschaft zur Verfügung stehen.
- In 2001 erzielte Gewinne von Betrieben gewerblicher Art ohne eigene Rechtspersönlichkeit führen nicht so Einkünften im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 10b EStG.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 10b, § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 7c, § 52 Abs. 37a S. 2
Streitjahr(e)
2002
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erhebung von Kapitalertragsteuer.
Der Schwalm-Eder-Kreis als Körperschaft öffentlichen Rechts unterhält mit dem Eigenbetrieb Jugend- und Freizeiteinrichtungen seit 1991 einen Betrieb gewerblicher Art (BgA) im Sinne von §§ 1 Abs. 1 Nr. 6, 4 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG). Der Eigenbetrieb unterliegt den Vorschriften des Hessischen Eigenbetriebsgesetzes (EigBGes) und umfasst das Jugendhaus Schönau, das Haus Schwalm-Eder auf Sylt, das Jugendhaus Knüll, das Zeltlager Dahme sowie das Zeltlager Wildpark Knüll. Dem BgA zugeordnet sind außerdem als gewillkürtes Betriebsvermögen Aktien der Energie Aktiengesellschaft Mitteldeutschland (EAM). 50 % dieser Anteile wurden im Jahr 2002 veräußert. Daraus erzielte der Kläger einen Veräußerungserlös in Höhe von 53.691.673,96 EUR, der nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei vereinnahmt wurde. Der Vertrag über die Aktienverkäufe der als gewillkürtes Betriebsvermögen erfassten EAM-Anteile datiert auf den 27.05.2002. Aus dem am 03.06.2002 überwiesenen Kaufpreis realisierte der Kläger einen außerordentlichen Ertrag in Höhe von 41.423.000 EUR.
Mit Kreistagsbeschluss vom 23.09.2002 beschloss der Kreistag des Schwalm-Eder-Kreises folgende Ausschüttung des BgA an den Schwalm-Eder-Kreis:
1. Allgemeine Rücklage |
16.068.652,18 EUR |
2. Bilanzgewinn bis einschließlich 2000: |
3.616.329,10 EUR |
3. Bilanzgewinn 2001 |
6.904.734,05 EUR |
4. Vorabausschüttung Jahresgewinn 2002 |
7.649.001,74 EUR |
5. Herabsetzung Stammkapital auf 0 EUR |
2.761.282,93 EUR |
Summe |
37.000.000,00 EUR |
Um das Stammkapital ausschütten zu können, beschloss der Kreistag in der gleichen Sitzung auch die Herabsetzung des Stammkapitals von 2.761.282,93 EUR auf 0 EUR. Die Finanzierung der auszuzahlenden Beträge erfolgte durch den Erlös aus dem Verkauf der Hälfte der Anteile an der EAM AG.
Im Jahr 2002 erwirtschaftete der Kläger ausweislich der Bilanz einen Jahresgewinn von 40.212.574,54 EUR. Mit Beschluss des Kreistages vom 24.02.2003 wurde das Stammkapital des Klägers auf 2.000.000 EUR neu festgesetzt und aus Eigenmitteln (Gewinnen) finanziert. In einem weiteren Beschluss des Kreistages vom 24.02.2003 wurde in Ergänzung des Beschlusses vom 23.09.2002 zur Abdeckung des höchstmöglichen Kapitalertragssteuerrisikos auf die vorgenommene Rückzahlung des Eigenkapitals des Eigenbetriebs beschlossen, dem Kreis darüber hinaus einen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 4.363.890,44 EUR einzuräumen, so dass der Brutto-Auschüttungsbetrag insgesamt 41.363.890,44 EUR betrug.
Nachdem der Kläger für die Vorabausschüttung 2002 zum 28.10.2002 eine Kapitalertragsteueranmeldung vorgelegt hatte, meldete er mit geänderter Kapitalertragsteueranmeldung vom 20.12.2002 1.627.024,60 EUR Kapitalertragsteuer zuzüglich 89.486,35 EUR Solidaritätszuschlag zur Kapitalertragsteuer an. Die Herabsetzung des Stammkapitals in Höhe von 2.761.282,93 EUR wurde dabei nicht in die Bemessungsgrundlage für die Kapitalertragsteuer einbezogen. Da das Finanzamt der Ansicht ist, dass Kapitalertragsteuer auch für die Rückzahlung des Stammkapitals gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 44 Abs. 6 EStG anfällt, setzte es mit Nachforderungsbescheid vom 24.02.2006 Kapitalertragsteuer in Höhe von 1.935.700 EUR sowie Solidaritätszuschlag in Höhe von 106.464 EUR fest und änderte damit die bisherigen Kapitalertragsteueranmeldungen. Dagegen wandte sich der Kläger mit dem Einspruch, mit dem er die Freistellung der Kapitalherabsetzung von der Kapitalertragsteuer begehrt. Das Finanzamt wies den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 04.10.2006 zurück. Es ist der Ansicht, für die Rückzahlung des Eigenkapitals falle nach § 20 Abs. ...