Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung keine vorab entstandenen Werbungskosten zur Erlangung späterer sonstiger Einkünfte
Leitsatz (redaktionell)
- An der Verfassungsmäßigkeit der durch das Alterseinkünftegesetz getroffenen Regelungen bestehen keine ernstlichen Zweifel.
- Nach dem Stufenmodell des AltEinkG ist bei summarischer Prüfung keine Doppelbesteuerung gegeben.
- Die jährliche Anhebung des Besteuerungsanteils bis auf 100% im Jahr 2040 korrespondiert mit einer entsprechenden Anhebung der Steuerfreistellung der Altersvorsorgeaufwendungen, so dass der Grundsatz des Verbots der Zweifachbesteuerung auch bis zum Ende der Übergangsfrist in jedem Jahr typisierend gewahrt ist.
- Es besteht kein Verfassungsgebot, Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung als Erwerbsaufwendungen i.S. von § 9 Abs. 1 EStG bzw. als vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften zu würdigen.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1, § 22 Nr. 1 S. 3 Nr. A aa
Streitjahr(e)
2005
Tatbestand
Streitig ist die Aussetzung der Vollziehung des Antrags auf Eintragung eines Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte 2005.
Der 1973 geborene Antragsteller ist Angestellter in einer Steuerberatungsgesellschaft. Er leistet Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für das Veranlagungsjahr 2005 voraussichtlich i.H.v. 3.500 € (Arbeitnehmeranteil). Seine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung kann er im Veranlagungsjahr 2005 i.H.v. 702,00 € (20 %) als Sonderausgaben im Rahmen der Höchstbeträge des § 10 EStG geltend machen. Seine späteren Renteneinnahmen wird er aufgrund des Alterseinkünftegesetzes voll versteuern müssen. Daher begehrt der Antragsteller im Hauptsacheverfahren 3 K 255/05 die vom Antragsteller entrichteten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, vermindert um die bereits bei den Sonderausgaben gem. § 10 Einkommensteuergesetz (EStG) abgesetzten Beiträge, als vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften aus § 22 Nr. 1 EStG i.H.v. 2.808,00 € in Form eines Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte 2005 zu berücksichtigen.
Der Antragsgegner lehnte die Eintragung eines solchen Freibetrages sowie den entsprechenden Antrag auf Aussetzung der Vollziehung mit dem Hinweis ab, die Aufwendungen für eine Rentenversicherung gehörten weder zu den Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 EStG) noch handele es sich um vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften (§ 22 EStG).
Der Antragsgegner verweist auf die im Alterseinkünftegesetz getroffenen Regelungen sowie auf die Einstufung der Rentenversicherungsbeiträge als Sonderausgaben durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) und des Bundesverfassungsgerichtes (z.B. BFH-Beschlüsse vom 14. Mai 1998 X R 38/93, BFH/NV 1999, 163; vom 17. Juni 2003 X B 173/02; BFH/NV 2003, 1325; BVerfG-Beschluss vom 20. August 1997 1 BvR 1523/88, HFR 1998, 397).
Der Antragsteller hingegen sieht die zur Rechtslage vor 2005 ergangene Rechtsprechung angesichts der durch das Alterseinkünftegesetz getroffenen Regelungen als überholt an. Er führt zur neuen Gesetzeslage aus: Nach dem Alterseinkünftegesetz werde die Rückzahlung von zuvor eingezahltem Kapital nachgelagert besteuert. Daher müsse steuersystematisch die Einzahlung des Kapitals voll steuermindernd geltend gemacht werden können, um das so genannte „Netto-Prinzip” zu gewährleisten. Durch den Abzug von Werbungskosten bei den Überschusseinkunftsarten solle das „Netto-Einkommens-Prinzip” gewahrt werden, wonach nur die „Netto-Einkünfte” besteuert werden dürften.
Die im Jahr 2005 aufgewendeten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung stünden im unmittelbaren Zusammenhang mit später voll steuerpflichtigen Einnahmen. Denn nach § 22 Nr. 1 S. 3a) aa) EStG n.F. seien die Einnahmen aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei Eintritt des Versicherungsfalles - voraussichtlich im Jahre 2038 - zu 98 % und damit nahezu voll zu versteuern. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass aufgrund der finanziellen Situation der Rentenkasse, der alternden Bevölkerung und der gestiegenen durchschnittlichen Lebenserwartung der Renteneintritt für den Antragsteller jenseits des 65. Lebensjahres liegen werde und damit sogar tatsächlich eine Vollversteuerung der Renteneinnahmen zu erwarten sei.
Die Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung seien daher korrespondierend in voller Höhe als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus § 22 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen.
Die vom Gesetzgeber im Alterseinkünftegesetz getroffene Regelung des Sonderausgabenabzugs der Rentenversicherungsbeiträge unterliege verfassungsrechtlichen Zweifeln. Denn es erfolge hierdurch ein erheblicher und sachlich nicht gerechtfertigter Eingriff in das objektive Netto-Prinzip. Der eigentliche Grund für die vom Gesetzgeber gewählte Regelung seien drohende Steuerausfälle.
Die Aussetzung der Vollziehung wegen verfassungsrechtlicher Zweifel sei auch nicht deshalb nicht zugewähren, weil ...