Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids
Leitsatz (redaktionell)
- Seinem Wortlaut nach gilt § 68 Abs. 1 FGO sowohl für Ermessens-VA als auch für Haftungsbescheide.
- Wird auf richterlichen Hinweis ein erstmaliger Haftungsbescheid aufgehoben und durch einen neuen Haftungsbescheid ersetzt, wird der neue Haftungsbescheid nicht Gegenstand des Klageverfahrens, soweit das FA der Inanspruchnahme des Haftungsschuldners einen weiteren Haftungstatbestand zu Grunde legt. Denn insoweit wird der aufgehobene erstmalige Haftungsbescheid durch den neu erlassenen weder geändert noch ersetzt i. S. des § 68 FGO.
- Geändert oder ersetzt i. S. des § 68 FGO wirkt ein Haftungsbescheid nur insoweit, wie ihm derselbe Haftungstatbestand zugrunde liegt.
Normenkette
FGO § 68
Streitjahr(e)
2005, 2006
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids, mit dem der Beklagte die Klägerin als ehemalige Geschäftsführerin einer Limited nach §§ 69, 34 AO in Anspruch genommen hat, weiterhin die Frage, inwieweit ein während des Klageverfahrens ergangener Haftungsbescheid nach § 68 FGO Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist.
Die Klägerin war einzige Gesellschafterin und alleinige Geschäftsführerin einer Ltd. Die Ltd wurde im Januar 2005 gegründet und betrieb ein Dienstleistungsunternehmen.
Die Ltd wurde am 31. Oktober 2005 beim Beklagten umsatzsteuerlich aufgenommen, zum 3. Oktober 2006 aber wieder gelöscht, nachdem der Beklagte davon Kenntnis erhielt, dass die Ltd zu diesem Zeitpunkt im englischen Handelsregister gelöscht worden war.
Die Ltd hatte zunächst keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben. Die Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2005 ging erst im Mai 2007 und die Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2006 im April 2008 beim Beklagten ein. Bei der Erstellung der Erklärung hatte jeweils ein steuerlicher Berater mitgewirkt. Nach den Umsatzsteuererklärungen ergaben sich Abschlusszahlungen in einer Gesamthöhe von 7.883,03 €. Die Ltd entrichtete die Abschlusszahlungen nicht.
Da die Vollstreckung der Rückstände nach der Löschung der Ltd aussichtslos war, prüfte der Beklagte die Inanspruchnahme der Klägerin als Haftende.
Durch Haftungsbescheid vom 14. Juli 2008 nahm der Beklagte die Klägerin als ehemalige Geschäftsführerin der Ltd nach §§ 69, 34 AO in Anspruch. Die Haftungssumme von 7.979,03 € ermittelte der Beklagte wie folgt:
Umsatzsteuer 2005 |
340,42 € |
Zinsen zur USt 2005 |
21,00 € |
Umsatzsteuer 2006 |
7.542,61 € |
Zinsen zur USt 2006 |
75,00 € |
|
7.979,03 € |
Zur Begründung für die Inhaftungnahme der Klägerin gab der Beklagte an, die Klägerin habe ihre Geschäftsführerpflichten in grob fahrlässiger Weise verletzt, wodurch dem Steuergläubiger ein Schaden entstanden sei. So habe die Klägerin speziell ihre Zahlungspflicht verletzt und dadurch bewirkt, dass die rückständigen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht getilgt seien. Weiterhin habe sie gegen die Steuererklärungspflicht verstoßen. So habe sie zunächst keine Umsatzsteuererklärungen für die Ltd abgegeben. Dabei habe für sie die Verpflichtung bestanden, die Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2005 zum 31. Dezember 2006 und die Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2006 zum 31. Dezember 2007 abzugeben. Sie habe die Erklärungen also mit einer Verspätung von 5 bzw. 4 Monaten abgegeben. Die Klägerin habe weiterhin den Grundsatz der anteiligen Tilgung verletzt, indem sie im Haftungszeitraum den Steuergläubiger nicht in ungefähr gleichem Umfang wie die übrigen Gläubiger der Ltd befriedigt habe. Da die Klägerin die Haftungsanfrage nicht beantwortet habe, sei von einer Tilgungsquote im Haftungszeitraum von 100 v.H. auszugehen. Danach sei die Inanspruchnahme der Klägerin ermessensgerecht.
Die Klägerin legte Einspruch ein und meinte, sie hafte nicht, da die Steuerschuldnerin keinerlei Rückstände an Umsatzsteuer gehabt habe. Sie verfüge sogar über ein Umsatzsteuerguthaben, welches der Beklagte aber bisher nicht verrechnet habe.
Durch Einspruchsbescheid vom 25. November 2008 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Der Beklagte hielt an seiner Auffassung fest, die Klägerin sei wegen grob schuldhafter Pflichtverletzungen in Haftung zu nehmen. Als Haftungszeitraum nahm der Beklagte nunmehr den Zeitraum vom 30. Juni 2006 (vom Beklagten angenommene „gesetzliche Fälligkeit der Umsatzsteuer”) bis zum 3. Oktober 2006 (Löschung der Ltd im englischen Handelsregister) an. Durch die verspätete Abgabe der Umsatzsteuererklärungen habe die Klägerin bewirkt, dass die Umsatzsteuern erst zu einem Zeitpunkt fällig geworden seien, in dem die Ltd über kein Vermögen mehr verfügt habe und im englischen Handelsregister bereits gelöscht gewesen sei. Bei rechtzeitiger Abgabe der Umsatzsteuererklärungen wären die Abschlusszahlungen bereits am 30. Juni 2006 fällig gewesen. Außerdem habe die Klägerin im Haftungszeitraum den Grundsatz der anteiligen Tilgung verletzt. Weiterhin habe sie ihre Zahlungspflicht verletzt.
Hiergegen richtet sich die Klage. Die...