Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurechnung von Flächen in einem Siedlungsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ein Landwirt kann Grund und Boden nur dann seinem Anlagevermögen zuordnen, wenn er im Zuordnungszeitpunkt noch zivilrechtlicher bzw. wirtschaftlicher Eigentümer der Grundstücke ist.
  2. Einem anderen als dem zivilrechtlichen Eigentümer kann ein Grundstück nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO ausnahmsweise dann zugerechnet werden, wenn dieser derart die Sachherrschaft ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Grundstück wirtschaftlich ausschließen kann. Das ist der Fall, wenn der Herausgabeanspruch des zivilrechtlichen Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat.
  3. Bei Grundstücken erlangt der Erwerber wirtschaftliches Eigentum regelmäßig dann, wenn Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten auf den Erwerber übergegangen sind. Das setzt voraus, dass der Besitz in Erwartung des Eigentumserwerbs eingeräumt wird; hiervon ist auszugehen, wenn entsprechende schuldrechtliche Verpflichtungen eingegangen sind.
  4. Die bloße einverständliche Nutzung eines überlassenen Grundstücks und Duldung der Besitzausübung reicht zur Begründung wirtschaftlichen Eigentums nicht aus.
 

Normenkette

EStG § 55; AO § 39

 

Streitjahr(e)

1994, 1995

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 11.05.2006; Aktenzeichen IV B 208/04)

BFH (Beschluss vom 11.05.2006; Aktenzeichen IV B 208/04)

 

Tatbestand

Streitig ist, in welcher Höhe in den Streitjahren 1994 und 1995 ein Gewinn aus der Veräußerung von zum Betriebsvermögen gehörendem Grund und Boden bei den Einkünften des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft anzusetzen ist.

Der Kläger war in den Streitjahren Landwirt. Er bewirtschaftete seit Mai 1969 zusammen mit seiner inzwischen verstorbenen Ehefrau eine Hofstelle in A zunächst als Pächter und Bewerber um eine Siedlerstelle. Siedlungsträger war die Niedersächsische Landgesellschaft (NLG), die im Jahre 1968 Flächen aufgekauft hatte, um sie im Rahmen eines Siedlungsverfahrens an mehrere Bewerber um eine Siedlerstelle zu übertragen. Wegen der von der NLG erworbenen Flächen begann im Jahre 1969 ein Flurbereinigungsverfahren. Im August 1969 wies die Siedlungsbehörde die NLG als Siedlungsträger vorläufig in den Besitz u.a. derjenigen Flächen ein, die der Kläger bewirtschaftete. Im Dezember 1969 teilte die Siedlungsbehörde dann dem Kläger sowie einem anderen Siedlungsbewerber mit, dass die bisher von den beiden Bewerbern bewirtschafteten Flächen nicht ohne Änderung der Besitzverhältnisse zu Eigentum übertragen werden könnten. So müsse, um für die Betriebe beider Bewerber annähernd gleiche Voraussetzungen zu erreichen, der Besitz und die Bewirtschaftung von Teilflächen von einem Bewerber auf den anderen übergehen.

Im Mai 1970 wurde der Flurbereinigungsplan aufgestellt, durch den die NLG als Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens für ihre eingebrachten Flächen neu geschnittene und bezeichnete Flurstücke erhielt. Nach dem Flurbereinigungsplan sollte dadurch der NLG die Möglichkeit gegeben werden, sechs Siedlerstellen zu schaffen und außerhalb des Flurbereinigungsverfahrens die Grundstücke den Siedlern zu Eigentum zu übertragen. Der Flurbereinigungsplan erlangte zum 1. April 1971 Rechtskraft.

Im Juli 1970 schloss die NLG mit dem Kläger und seiner damaligen Ehefrau einen „Vorvertrag”. Darin verpflichteten sich der Kläger und seine damalige Ehefrau, die im Vertrag bezeichneten Flurstücke als Siedlerstelle zu übernehmen. Die Übergabe sollte rückwirkend zum 1. Mai 1970 erfolgen.

Mit dem als „Übergabeverhandlung” bezeichneten Vertrag vom September 1970 „übernahmen” der Kläger und seine Ehefrau sodann von der NLG die zu diesem Zeitpunkt bereits von ihnen bewirtschaftete Hofstelle und Flächen. Übergang von Nutzen und Lasten sollte nach dem Vertrag bereits der 1. Mai 1970 gewesen sein.

Der Beklagte rechnete mit Einheitswertbescheid aus dem Jahr 1971 dem Kläger die Hofstelle seit dem 1. Januar 1970 als Eigentümer zu.

Der Kläger und seine damalige Ehefrau schlossen den endgültigen notariellen Kaufvertrag über die Hofstelle erst im Oktober 1976 ab und erwarben im Anschluss daran das bürgerlich-rechtliche Eigentum.

Der Kläger ermittelte seinen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft zunächst nach Durchschnittssätzen nach § 13a EStG. Seit dem Wirtschaftsjahr 1981/82 war der Kläger buchführungspflichtig, er ermittelte seinen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft seit diesem Zeitpunkt durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG. In seiner Eröffnungsbilanz zum 1. Mai 1981 wies der Kläger den zu seinem Hof gehörenden Grund und Boden nicht aus. Erst im Anschluss an eine Außenprüfung (Vor-Bp), die nicht die Streitjahre betraf, erfasste der Außenprüfer in seiner Prüferbilanz zum 30. April 1987 den zum Betriebsvermögen gehörenden Grund und Boden mit den tatsächlichen Anschaffungskosten. Dies waren bezogen auf die zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Eigentumsflächen 0,74 DM/qm. Der Prüfer ging dabei davon aus, der Kläger habe den Grund und Boden erst...

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