Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerpflicht des außerhalb der Spekulationsfrist realisierten Kursgewinns aus einer innovativen Telekommunikationsschuldverschreibung („Down-Rating-Anleihe”) als Einnahmen aus Kapitalvermögen
Leitsatz (redaktionell)
- Ein Wertpapier, bei dem die Verzinsung davon abhängt, ob sich der Zinssatz während der Laufzeit aufgrund der Einstufung bestimmter Rating-Agenturen verändert, erfüllt den Tatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c EStG. Die Einnahmen aus der Veräußerung sind daher grds. in Höhe der besitzzeitanteiligen Emissionsrendite bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu erfassen.
- Zum Begriff der Emissionsrendite bei festverzinslichen Wertpapieren.
- Die Ermittlung des Kapitalertrags nach der Marktrendite gem. § 43a Abs. 2 Satz 2 EStG durchbricht das System der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen. Denn grds. wirken sich Wertänderungen der Anlage als solche auf die Besteuerung der erzielten Erträge im Rahmen des § 20 EStG nicht aus.
- Kurssteigerungen von Wertpapieren, die auf eine Reaktion des Kapitalmarkts auf die angestiegene Verzinsung der Schuldverschreibung des Wertpapiers zurückzuführen sind, sind nicht Frucht der Kapitalüberlassung und daher nicht im Rahmen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG zu erfassen.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4
Streitjahr(e)
2003
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei den Einkünften aus Kapitalvermögen der Klägerin ein Betrag in Höhe von 4.872 € nicht als Einnahmen aus Kapitalvermögen angesetzt werden darf. Weiter begehren die Kläger die Berücksichtigung von Spenden in Höhe von 90 € als Sonderausgaben.
Die Kläger wurden im Streitjahr 2003 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger bezog überwiegend Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Die Klägerin erzielte u.a. Einkünfte aus Kapitalvermögen. Sie erwarb in der Zeit vom 4. Januar 2002 bis zum 3. Dezember 2002 über die Börse verzinsliche Schuldverschreibungen des amerikanischen Telekommunikationsunternehmens AT&T im Nennwert von 72.000 €. Die Anschaffungskurse lagen zwischen 98,7 v.H. und 99,1 v.H. Die Anschaffungskosten betrugen ohne Transaktionskosten insgesamt 71.772 €. Am 5. Dezember 2003 veräußerte die Klägerin auf Anregung ihres Bankberaters die Anleihen zu einem Kurs von 106,45 v.H. und erzielte daraus einen Veräußerungserlös von insgesamt 76.644 €.
Die Steuerbescheinigung der Bank vom 5. Dezember 2003 weist neben den Stückzinsen von 252,30 DM einen Betrag von 4.872 € aus, der als „Ersatzbemessungsgrundlage gem. § 43 a Abs. 2 EStG” bezeichnet und der Kapitalertragsteuer von 30 v.H. (Zinsabschlag) unterworfen wurde.
Die Schuldverschreibung wurde ursprünglich mit 6,0 v.H. verzinst. Die Emissionsbedingungen des Wertpapiers sehen vor, dass sich der Zinssatz erhöht, sollte der Emittentin von zwei Rating-Agenturen herabgestuft werden. Da diese Bedingung während der Laufzeit eintrat, stieg der Zinssatz an. Er lag im Veräußerungszeitpunkt bei 6,75 v.H.
In der Erträgnisaufstellung der Bank für das Streitjahr 2003 ist der als Kapitalertrag von der Bank der Kapitalertragsteuer unterworfene Betrag von 4.872 € unter der Zeile „Verkaufserträge auf-/abgezinster Wertpapiere einschließlich Ersatzbemessungsgrundlage bei Finanzinnovationen” bescheinigt. Daneben wurde der Abzug von 986,62 € Kapitalertragsteuer (Zinsabschlagsteuer) und 54,26 € Solidaritätszuschlag bescheinigt.
Die Klägerin erklärte den Betrag in der Anlage KAP zur Steuererklärung 2003 unter den Einnahmen aus festverzinslichen Wertpapieren. Der Beklagte (das Finanzamt) veranlagte die Kläger insoweit erklärungsgemäß. Bei den geltend gemachten Sonderausgaben der Kläger berücksichtigte das Finanzamt einen Spendenbetrag von 90 € nicht, da die Kläger keine entsprechende Spendenbescheinigung vorgelegt hatten. Diese wurde im Klageverfahren nachgereicht.
Mit Schreiben vom 3. Mai 2004 erhoben die Kläger Sprungklage gegen den Einkommensteuerbescheid 2003, der das Finanzamt zustimmte. Sie tragen vor, bei dem Betrag über 4.872 € handele es sich um einen Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf der Anleihen. Dieser Veräußerungsgewinn sei nach Ablauf der Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entstanden und damit steuerfrei.
Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und Stimmen in der Literatur sind sie sinngemäß der Auffassung, die Besteuerung des Veräußerungsgewinn entspreche zwar dem Gesetzeswortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG, wonach zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen auch die Einnahmen aus der Veräußerung von besonders ausgestatteten Schuldverschreibungen gehören. Die streitige Schuldverschreibung habe zwar keinen festen Zinssatz und die Verzinsung sei abhängig von einem ungewissen Ereignis, nämlich der Rating-Herabstufung durch Rating-Agenturen. Doch entspreche die Versteuerung des Veräußerungserlöses in Höhe von 4.872 € nicht der Rechtsprechung. Die Besteuerung stelle zudem einen Verstoß...