Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit eines Grunderwerbsteuerbescheides
Leitsatz (amtlich)
Aussetzung der Vollziehung eines Grunderwerbsteuerbescheides wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die Ermittlung der Bemessungsgrundlage nach Grundbesitzwerten.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3; AO § 155 Abs. 2, § 162 Abs. 5; GrEStG § 1 Abs. 3, § 8 Abs. 2
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren über die Rechtmäßigkeit eines Grunderwerbsteuerbescheides.
Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft luxemburgischen Rechts mit Sitz in Luxemburg. Sie erwarb am 02. Dezember 2008 durch Vereinigung alle Anteile der A mit Sitz in Luxemburg. Zum Vermögen der A gehörten eine große Anzahl inländischer Grundstücke.
Mit Bescheid vom 03. März 2010 über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer des Finanzamtes B wurde für die Anteilsvereinigung ein grunderwerbsteuerlicher Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) gemäß § 17 GrEStG gesondert festgestellt. Ferner wurden in dem Bescheid die von der Feststellung betroffenen Grundstücke aufgeführt.
Der Antragsgegner erhielt am 23. April 2010 vom Finanzamt B Mitteilung über den Feststellungsbescheid sowie davon, dass einige der von der Anteilsübertragung betroffenen Grundstücke im Bezirk des Antragsgegners liegen. Dieser bat darauf hin mit Schreiben vom 02. Juni 2010 die Lagefinanzämter X und Y um Feststellung der Grundbesitzwerte nach den §§ 138 ff. des Bewertungsgesetzes (BewG) für zunächst 12 betroffene Grundstücke. Entsprechende Grundbesitzwertfeststellungsbescheide liegen derzeit noch nicht vor.
Mit Grunderwerbsteuerbescheid vom 15. Juni 2010 setzte der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin aufgrund des Erwerbsvorganges Grunderwerbsteuer in Höhe von 231.175 € fest. Dabei wurde von einer Bemessungsgrundlage von 6.605.000 € ausgegangen. Diese ergab sich nach einer Erläuterung zum Bescheid aus einer Schätzung von 50% des von der Antragstellerin gegenüber dem Finanzamt B angegebenen Marktwertes der 12 Grundstücke. Die Festsetzung der Grunderwerbsteuer erfolgte gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung (AO) vorläufig hinsichtlich der Frage, ob die Heranziehung der Grundbesitzwerte im Sinne von § 138 BewG als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer verfassungsgemäß ist.
Die Antragstellerin legte am 13. Juli 2010 Einspruch gegen den Grunderwerbsteuerbescheid ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass der Grunderwerbsteuerbescheid nicht wirksam bekannt gemacht worden sei, weil die Empfangsvollmacht der im Grundlagenverfahren vor dem Finanzamt B vertretungsberechtigten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft am 05. Mai 2010 widerrufen worden und dieser Widerruf dem Finanzamt B am 12. Mai 2010 mitgeteilt worden sei. Ferner bestünden verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 8 Abs. 2 GrEStG. Die Schätzung des Antragsgegners sei rechtswidrig, weil dabei 50% des Marktwertes und nicht ein Grundbesitzwert nach dem § 138 ff. BewG angesetzt worden sei. Ferner seien in dem Grunderwerbsteuerbescheid die Lebenssachverhalte unklar angegeben worden.
Mit Bescheid vom 06. August 2010 setzte der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin erneut Grunderwerbsteuer in Höhe von 231.175 € fest. Der Antragstellerin wurde darin eine Zahlungsfrist bis zum 15. Oktober 2010 gewährt. In den Erläuterungen des Bescheides wurde ferner ausgeführt, dass dieser den Bescheid vom 15. Juni 2010 ändere. Der Ursprungsbescheid sei nach § 129 AO berichtigt worden. Als Bemessungsgrundlage wurde ebenfalls ein Schätzwert für 12 Grundstücke von insgesamt 6.605.000 € angesetzt. Die Grunderwerbsteuer wurde weiter gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 AO für vorläufig erklärt hinsichtlich der Frage, ob die Heranziehung der Grundbesitzwerte im Sinne des § 138 BewG als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer verfassungsgemäß ist.
Mit Bescheid vom 11. Oktober 2010 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheides vom 06. August 2010 ab. Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 8 Abs. 2 GrEStG rechtfertigten nicht die Aussetzung der Vollziehung. Der nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG i.V.m. § 138 BewG zu ermittelnde Wert der betroffenen Grundstücke sei noch nicht festgestellt worden. Gleichwohl könne die Grunderwerbsteuer auf der Grundlage von § 155 Abs. 2 AO festgesetzt werden. Dabei sei der Grundstückswert gemäß § 165 Abs. 2 AO geschätzt worden. Gegen die Höhe der Schätzung bestünden keine durchgreifenden Bedenken.
Die Antragstellerin hat am 25. Oktober 2010 um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht. Sie begründet ihren Antrag im Wesentlichen damit, das nach Ansicht des Bundesfinanzhofes verfassungsrechtliche Bedenken an der gesonderten Feststellung von Grundbesitzwerten nach § 8 Abs. 2 GrEStG i.V.m. §§ 138 ff. BewG als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer bestünden. Dieser Ansicht hätten sich das...