Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des überperiodischen Verlustausgleichsverbots bei Spekulationsgeschäften nach § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG a.F.
Leitsatz (redaktionell)
1. Das bis zum 31.12.1998 geltende Verlustausgleichsverbot des § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG, welches einen Ausgleich von Spekulationsverlusten des einen Kalenderjahres mit Gewinnen aus einem anderem Kalenderjahr ausschließt, ist verfassungsgemäß (a.A. BFH in seinem Beschluss vom 15.12.2000 - IX B 128/99).
2. Die Beschränkung des Verlustausgleichs und Verlustabzugs in § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG wird durch die Möglichkeit Werbungskosten, die im Zusammenhang mit Spekulationsgeschäften entstandenen sind, - abweichend vom Abflussprinzip des § 11 Abs.2 EStG - in dem Kalenderjahr zu berücksichtigen, in dem der Veräußerungserlös zufließt, ausreichend gemildert.
Normenkette
EStG § 23 Abs. 3 Sätze 4, 1; GG Art. 20 Abs. 3; EStG § 22 Nr. 2, § 11 Abs. 2
Verfahrensgang
Nachgehend
Tatbestand
Umstritten ist, ob die Regelung des § 23 Abs. 3 Sätze 1 und 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. April 1997, wonach Verluste aus Spekulationsgeschäften nur bis zur Höhe des Spekulationsgewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Jahr erzielt hat, ausgeglichen und nicht nach § 10d EStG abgezogen werden dürfen, verfassungsgemäß ist.
Die Kläger sind Ehegatten, die im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden (§§ 26, 26b EStG). Die Kläger waren im Streitjahr als Verwaltungsangestellter bzw. Versicherungsfachfrau tätig und erzielten Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, selbstständiger Arbeit und aus Gewerbebetrieb. Sie erlitten im Streitjahr Veräußerungsverluste aus Spekulationsgeschäften mit Wertpapieren in Höhe von jeweils 15.349 DM, deren steuerliche Berücksichtigung sie in ihrer Einkommensteuererklärung 1998 begehrten. Der Beklagte berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid 1998 vom 8. Oktober 1999 die Einkünfte aus Spekulationsgeschäften nicht steuermindernd.
Nach erfolglosem Einspruch verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie machen geltend, der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 30. September 1998 (2 BvR 1818/91, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BVerfG – BVerfGE – 99, 88), wonach der Ausschluss der Verlustverrechnung nach § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG verfassungswidrig sei, sei auf Spekulationsgeschäfte gem. § 23 EStG entsprechend anzuwenden, da der Gesetzgeber zwar in § 23 Abs. 3 Satz 7 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 eine Verlustverrechnungsmöglichkeit geschaffen, aber die Anwendung der Neuregelung auf Veranlagungszeiträume ab 1999 begrenzt und es daher versäumt habe, für den Veranlagungszeitraum 1998 eine entsprechende Regelung zu treffen. Deshalb sei es auch geboten, die Verrechnung von nicht mit Spekulationsgewinnen desselben Jahres ausgeglichenen Spekulationsverlusten mit anderen Einkünften im selben Jahr bzw. in den Jahren davor oder danach zuzulassen.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 8. Oktober 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. August 2000 zu ändern und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von Veräußerungsverlusten aus Spekulationsgeschäften in Höhe von 30.698 DM neu festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend, Verluste aus Spekulationsgeschäften über die entstandenen Gewinne hinaus seien auch unter Berücksichtigung der angeführten Entscheidung des BVerfG nicht abzugsfähig, da diese auf Verluste aus § 23 EStG wegen grundlegender Unterschiede in der Einkunftsermittlung bei § 23 EStG gegenüber denjenigen aus laufenden Vermietungseinkünften im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG nicht übertragbar sei.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Einkommensteuerbescheid 1998 vom 8. Oktober 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. August 2000 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
Die nicht mit Spekulationsgewinnen des Streitjahres ausgeglichenen Spekulationsverluste der Kläger von jeweils 15.349 DM können nicht mit anderen Einkünften des Streitjahres bzw. in früheren oder späteren Jahren verrechnet werden.
Gemäß § 22 Nr. 2 EStG gehören zu den sonstigen Einkünften Einkünfte aus Spekulationsgeschäften im Sinne des § 23 EStG. Spekulationsgeschäfte sind unter anderem gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1b EStG Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung bei Wertpapieren nicht mehr als sechs Monate beträgt. Gewinn oder Verlust aus Spekulationsgeschäften ist der Unterschied zwischen dem Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungskosten und Werbungskosten andererseits. Nach § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG 1997 in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. April 1997 (BGBl I 1997, 821) dürfen Verluste aus Spekulationsgeschäften nur bis zur Höhe des Spekulationsgewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Jahr erzielt hat, ausgeglichen werde...