Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrten von der Wohnung zur Tätigkeitsstätte mit dem Taxi: Taxi als „öffentliches Verkehrsmittel” im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG
Leitsatz (redaktionell)
Ein Taxi ist ein „öffentliches Verkehrsmittel” im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG; der Steuerpflichtige kann daher die per Taxi durchgeführten Fahrten von der Wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte nicht nur in Höhe der Entfernungspauschale, sondern in Höhe der tatsächlich angefallenen, die Entfernungspauschale übersteigenden Kosten als Werbungskosten abziehen (vgl. FG Düsseldorf, Urteil v. 8.4.2014, 13 K 339/12 E).
Normenkette
EStG § 9 Abs. 2 Sätze 1-2, 3 Nr. 2, Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 1, § 9 Ab S. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Taxi als „öffentliches Verkehrsmittel” i. S. d. § 9 Abs. 2 Satz 2 des EStG zu qualifizieren ist und damit höhere Aufwendungen als die Entfernungspauschale geltend gemacht werden können.
Der Kläger wird mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Er arbeitet seit 1991 bei einem großen SB Warenhaus in A als Geschäftsleiter in einer führenden Position. Die berufliche Betätigung erfordert ein hohes Maß an Flexibilität, sodass er keine festen Arbeitszeiten mit einem regulären „Acht-Stunden-Arbeitstag” hat. Im Streitzeitraum wohnte der Kläger in B in der Nähe von A. Er musste jeden Arbeitstag pendeln.
Seit 2007 kann der Kläger krankheitsbedingt nicht mehr selbst Auto fahren. Er hat einen Schwerbehindertenausweis mit einem Grad der Behinderung von 60 % ohne besondere Merkmale.
Da die öffentliche Verkehrsanbindung zeitlich nicht hinreichend flexibel und zu langwierig war, nahm der Kläger in der Regel ein Taxi. Hierzu vereinbarte er Sonderkonditionen mit dem Taxiunternehmer. Es fielen Taxikosten in Höhe von 6.498,00 EUR an, die er als Werbungskosten geltend machte. Der Beklagte erkannte im Einkommensteuerbescheid 2015 vom 24.07.2017 nur die Pauschale von 30 Cent an, die wegen der kurzen Entfernung dazu führte, dass der Beklagte nur den Arbeitnehmerpauschbetrag von 1.000,00 EUR berücksichtigte.
Nach erfolglosem Einspruch verfolgen die Kläger ihr Begehren mit der Klage weiter und machen u.a. geltend, die Taxikosten in Höhe von 6.498,00 EUR seien gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusetzen, da Taxis „öffentliche Verkehrsmittel” im Sinne dieser Norm darstellten. Der Beklagte verkenne die Regelungswirkung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG.
Der Kläger trägt vor, er habe faktisch keine andere Möglichkeit gehabt, als mit einem Taxi zu seiner Arbeitsstätte zu fahren. Damit habe er auch hohe Einkünfte erzielen können. Die Nutzung sonstiger öffentlicher Nahverkehrsmittel sei praktisch unmöglich. Infolge der Hirnblutungen und damit verbundenen Schädigung könne er auch kein Fahrrad nutzen.
Zudem könne er als behinderter Mensch gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 EStG die Kosten geltend machen. Mit einem Grad der Behinderung von 60 % und einer erheblich beeinträchtigten Bewegungsfähigkeit, wie sie sich aus dem ärztlichen Gutachten ergebe, sei die Fahrtauglichkeit nicht gewährleistet. Er sei auch „ausreichend” behindert, die §§ 145, 146 des Sozialgesetzbuchs IX befassten sich mit einer anderen Sachlage. Es könne nicht entscheidend sein, ob der Kläger eine förmliche „Gehbehinderung” habe. Ihm als Behindertem mit Orientierungsschwierigkeiten müsse der volle Werbungskostenabzug zustehen. Andererseits läge ein Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes vor.
Der Kläger beantragt:
Unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2015 vom 24.07.2017 und der Einspruchsentscheidung vom 07.03.2018 wird die Einkommensteuer 2015 nach einem um 5.771 EUR niedrigeren Einkommen festgesetzt.
Die Hinzuziehung von Steuerberater A im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Er meint, § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG wolle lediglich öffentliche, regelmäßig verkehrende Verkehrsmittel, nicht dagegen die Benutzung von Taxis privilegieren. Der private Individualverkehr solle auch im Hinblick auf den primären Energieverbrauch und den Ausstoß von Treibhausgasen eingeschränkt werden (vgl. BFH-Urteil vom 26.03.2009 VI R 42/07, BFHE 224, 448, BStBl II 2009, 724). Die Benutzung von Taxen minimiere die Straßenauslastung dagegen nicht. Da das Taxi immer noch Leerfahrten habe und erst vom Standort zum Kläger bzw. zu dessen Arbeitsstätte fahren müsse, sei die Umwelt noch mehr belastet. Ein Abzug der tatsächlichen Taxikosten sei auch nach § 9 Abs. 2 Satz 3 EStG nicht möglich, da der Kläger nur zu 60 % behindert sei und über kein Merkzeichen „G” (für „Gehbehindert”) verfüge. Soweit das Gesetz nur erheblich gehbehinderten Personen eine bessere Abzugsmöglichkeit eröffne, liege keine gleichheitswidrige Schlechterstellung des Klägers vor (vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.04.2005 2 K 2028/03 Juris, Rn. 27)
Entscheidungsgründe
Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
Der Senat legt den Klageantrag unter Berücksichtigung ...