Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Aus einer Anzahlungsrechnung muss hervorgehen, dass über eine noch nicht ausgeführte Leistung abgerechnet wird. Unter dieser Voraussetzung kann ein Vorsteuerabzug selbst dann in Betracht kommen, wenn der bezahlte Gegenstand tatsächlich nicht geliefert wird.
Sachverhalt
Die Klägerin war Betrügern aufgesessen und hatte Zahlungen für eine Photovoltaikanlage geleistet, die tatsächlich nie geliefert worden war (Schneeballsystem). Sie begehrte den Vorsteuerabzug aus zwei Rechnungen, jeweils vom 22.12.2010. Das "Modell" sah vor, dass die Klägerin die Anlage erwarb und an einem bestimmten Anlagestandort zu einem festen Pachtzins für eine feste Laufzeit an vorbestimmte Pächter überließ. In späteren Strafprozessen wurde festgestellt, dass tatsächlich keine Anlage vorhanden war. Während eine der Rechnungen an die Klägerin den Vermerk "Vorauskasse" aufwies, enthielt die andere Rechnung lediglich den Hinweis "Das Rechnungsdatum entspricht dem Leistungsmonat". Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug letztlich aus beiden Rechnungen, da die Klägerin keine Verfügungsmacht an der Photovoltaikanlage erlangt hatte und somit auch keine Lieferung im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG vorliegen würde.
Entscheidung
Die Klage hatte teilweise Erfolg. Während die Rechnung mit dem Vermerk "Vorauskasse" die Klägerin zum Vorsteuerabzug berechtigt, ist dies bei der anderen Rechnung nicht der Fall, da diese nicht als Anzahlungsrechnung ausgestellt wurde und der Klägerin deshalb der Vorsteuerabzug mangels Verschaffung der Verfügungsmacht zu versagen war.
Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung des Umsatzes entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist. Der Eintritt des Steuertatbestands darf zum Zeitpunkt der Anzahlung bzw. Vorauszahlung nicht "unsicher" sein. Hierfür ist maßgeblich, ob im Zeitpunkt der Zahlung alle maßgeblichen Elemente der zukünftigen Lieferung als dem Erwerber bekannt angesehen werden konnten, sodass der Gegenstand der Lieferung genau bestimmt war. Außerdem darf anhand objektiver Umstände nicht erwiesen sein, dass der Erwerber zu diesem Zeitpunkt wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass die Bewirkung dieser Lieferung unsicher ist.
In der Rechnung über eine Anzahlung muss kenntlich gemacht werden, dass über eine noch nicht ausgeführte Leistung abgerechnet wird, weil die Rechnungsangaben eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug ermöglichen sollen. Dementsprechend scheidet nach ständiger Rechtsprechung auch eine etwaige Steuerschuld des Unternehmers wegen eines unberechtigten Steuerausweises nach § 14c Abs. 2 UStG aus, wenn eine Vorausrechnung vorliegt, die einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt der Leistung erkennen lässt.
Hinweis
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nach der Überzeugung des Finanzgerichts "gutgläubig" war. Sie wusste also zum Zeitpunkt der Zahlung nicht, dass sie einem Schneeballsystem aufgesessen war und die Anlage zu keinem Zeitpunkt an sie geliefert werden sollte. Dieser Umstand ist auch maßgebend dafür, dass sie den Vorsteuerabzug aus der Anzahlungsrechnung durchsetzen konnte. Einem "bösgläubigen" Erwerber ist dies nicht möglich. Darüber hinaus macht die Entscheidung sehr deutlich, dass die Kenntlichmachung einer Anzahlungsrechnung als solche in der Praxis sehr wichtig sein kann. In welcher Form dies geschieht, ist nicht eindeutig geregelt. Dem Finanzgericht reichte der bloße Vermerk "Vorauskasse". Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist der voraussichtliche Zeitpunkt oder der Kalendermonat der Leistung anzugeben. Ist der Leistungszeitpunkt noch nicht vereinbart worden, genügt es, dass dies aus der Rechnung hervorgeht.
Um jegliche Missverständnisse zu vermeiden und um sicherzustellen, dass der Vorsteuerabzug aus einer Anzahlungsrechnung im zutreffenden Voranmeldungszeitraum (nämlich dem der Zahlung, sofern die Rechnung vorliegt) geltend gemacht wird, sollten An- oder Vorauszahlungsrechnungen möglichst auch immer klar als solche bezeichnet werden.
Gegen das Urteil des Finanzgerichts hat die Finanzverwaltung Revision eingelegt, Az. beim BFH XI R 30/23.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil v. 26.09.2023, 5 K 1017/20