Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug aus einer Anzahlungsrechnung für eine letztlich tatsächlich nicht gelieferte Photovoltaikanlage. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: XI R 30/23)
Leitsatz (redaktionell)
In einer Anzahlungsrechnung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 UStG – im Streitfall für die Lieferung einer letztlich tatsächlich nicht gelieferten Photovoltaikanlage – muss kenntlich gemacht werden, dass über eine noch nicht ausgeführte Leistung abgerechnet wird, weil die Rechnungsangaben eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug ermöglichen sollen.
Normenkette
UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 3, § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 6
Tenor
1. Die Umsatzsteuer für 2011 wird unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom 1. April 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. April 2020 auf den negativen Betrag von 4.789,92 EUR herabgesetzt; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens zu 16 Prozent und der Beklagte zu 84 Prozent.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Klägerin der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb einer wegen eines ihr gegenüber begangenen Anlagebetrugs tatsächlich nicht gelieferten Photovoltaikanlage zusteht.
Die Klägerin zeigte dem Beklagten (dem Finanzamt; im Folgenden: FA) im Juli 2011 die Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit zum 1. Januar 2011 an. Art der Tätigkeit war die Vermietung und Verpachtung einer Photovoltaikanlage. Ihre Besteuerung erfolgte gemäß Antrag vom 6. Juli 2011 nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 des Umsatzsteuergesetzes der Fassung des Streitjahres – UStG –).
Die Klägerin kaufte Komponenten einer Photovoltaikanlage im Rahmen des Anlagemodells „S”. Dieses sah vor, dass die G-KG Photovoltaikanlagen (Module und Zubehör) an die Kunden veräußerte. Die Kunden verpachteten die Anlage an bestimmten Anlagestandorten zu einem festen Pachtzins und für eine feste Laufzeit an die S-KG und später an die C-KG.
Mit zwei Rechnungen jeweils vom 22. Dezember 2010 (Nr. 201000255 und 20100256) erwarb die Klägerin von der G-KG, die den Vertrieb für die C-AG übernommen hatte und zu deren Unternehmensgruppe gehörte, eine Komponenten einer Photovoltaikanlage mit circa 7,89 kWp, bestehend aus Modulen, Unterkonstruktion, Wechselrichter und erforderlichem Zubehör zu einem Gesamtkaufpreis in Höhe von EUR zzgl. EUR Umsatzsteuer (Rechnung Nr. 2010002555 über netto EUR zzgl. EUR USt und Rechnung Nr. 20100256 über EUR zzgl. EUR USt); ein Standort der Photovoltaikanlage wurde in den Rechnungen nicht genannt.
Die Rechnung Nr. 2010002555 enthielt folgende Leistungsbeschreibung:
Pos |
Menge |
Nr. |
Text |
… |
1 |
1,00 |
Stück |
700200-01 |
Photovoltaikanlage mit 7,89 kWp Photovoltaikanlage bestehend aus folgenden Komponenten: |
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2 |
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70026-SN-SN50Wp |
SN Solartechnics SN5OWp Dünnschicht … |
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3 |
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70020-02 |
Unterkonstruktion inkl. aller Aluminiumprofile, Klemmen, Edelstahlschrauben und Dachanbindungen. |
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In der Rechnung Nr. 20100256 sind folgende Leistungen angegeben:
Pos |
Menge |
Nr. |
Text |
… |
1 |
1,00 |
Stück |
70020-03 |
Wechselrichter ausgelegt auf 7,89 kWp. Selbstverständlich erfüllt jeder installierte Wechselrichter alle notwendigen Richtlinien und Normen. |
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2 |
1,00 |
Stück |
70020-04 |
Elektrik & Verteiler für 7,89 kWp Elektromaterial inkl. aller notwendigen Kabel, Stecker, Verteiler bis zum Zählerkasten. Zählerschrank, Zählerfeld, Zähler inkl. Aller Schienen und Halterungen im Zählerschrank. |
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Die Rechnungen enthalten den Hinweis: „Das Rechnungsdatum entspricht dem Leistungsmonat.” Bei der Rechnung Nr. 201000255 findet sich zusätzlich als Zahlungsmodalität die Aussage „Vorauskasse”. Die Bezahlung der Rechnung Nr. 201000255 leistete die Klägerin am 12. Januar 2011 und die der Rechnung Nr. 20100256 im Dezember 2011.
Die G-KG hatte die Anlage zuvor in Bauteilen von der C-AG erworben. Laut Lieferschein vom 19. Januar 2011 (Nr. GL20110007) sollte „die Ware im Kundenauftrag direkt an die Firma C-AG ausgehändigt werden”.
Gleichzeitig wurde mit dem Erwerb am 21. Dezember 2010 ein Pachtvertrag über die Anlage zwischen der Klägerin (Verpächterin) und der C-AG (Pächterin) abgeschlossen. Darin war in der Vorbemerkung zum Pachtvertrag vereinbart, dass die Klägerin die Photovoltaikanlage „kaufe, um sie im Rahmen ihrer privaten Vermögensverwaltung an den Pächter zu verpachten”. In dem Pachtvertrag wurde vereinbart, dass die Klägerin monatliche Pachtzahlungen in Höhe von EUR zzgl. EUR Umsatzsteuer erhalten soll (§ 5 des Pachtvertrags). Weiter wurde eine grundsätzlich unkündbare Pachtdauer von 215 Monaten zugrunde gelegt. Nach Beendigung der Pachtdauer wurde der Pächterin ein Vorkaufsrecht in Höhe von EUR (netto) eingeräumt. Hinsichtlich der weiteren Vereinbarungen wird auf den Pachtver...