Leitsatz (amtlich)
Es stellt einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung und gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar, wenn der BGH bei einer unter dem Druck der Zwangsvollstreckung erwirkten Zahlung des späteren Insolvenzschuldners auf eine titulierte Forderung innerhalb der – kritischen Zeit – eine sog. – inkongruente Deckung – im Sinne von § 131 InsO annimmt.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Als Sicherheit genügt stets eine selbstschuldnerische, unwiderrufliche Bürgschaft einer deutschen Großbank, einer öffentlich-rechtlichen Sparkasse oder einer sonstigen, als Zoll- oder Steuerbürge zugelassenen beziehungsweise dem Einlagensicherungsfonds angeschlossenen Bank.
Tatbestand
Mit Beschluß des Amtsgerichts/Insolvenzgerichts C2 vom 18.6.2004 (98 IN 25/04) wurde über das Vermögen der K.-GmbH, C2 (im folgenden: Schuldnerin), das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Dem Insolvenzverfahren liegt ein Insolvenzeröffnungsantrag vom 26.1.2004 zugrunde.
Noch vor der Stellung des Insolvenzantrages hatte der Beklagte die Schuldnerin gerichtlich auf Zahlung in Anspruch genommen und einen Titel erwirkt. In der Folgezeit betrieb der Beklagte die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin. Im Rahmen der Vollstreckung vereinnahmte der Gerichtsvollzieher S. am 13.1.2004 einen Betrag in Höhe von 3.000 EUR und am 20.1.2004 einen weiteren Betrag in Höhe von 481,99 EUR zugunsten des Beklagten.
Der Kläger meint, daß ihm ein Anfechtungsrecht nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO zustehe. Die Leistungen der Schuldnerin seien unter dem Druck der Zwangsvollstreckung erfolgt. Deshalb sei nach der Rechtsprechung des BGH von einer inkongruenten Deckung auszugehen. Hilfsweise behauptet der Kläger, daß dem Beklagten bei der Durchführung der Vollstreckungsmaßnahmen bekannt gewesen sei, daß die Schuldnerin zahlungsunfähig gewesen sei. Die Anfechtung sei daher auch nach § 130 InsO berechtigt.
Er beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 3.481,99 EUR nebst 5 % Zinsen über dem (jeweiligen) Basiszinssatz seit dem 9.12.2004 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schriftwechsel der Parteien sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2005 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Der Kläger hat die von der Schuldnerin unter dem 13. und 20.1.2004 erbrachten Zahlungen an den Beklagten nicht mit Erfolg anfechten können.
Das Gericht sieht sich nicht in der Lage, der vom Kläger dargelegten Rechtsprechung des BGH zu folgen.
Der BGH geht inzwischen in ständiger Rechtsprechung (vgl. zunächst Urteil vom 9.9.1997 – IX ZR 14/97 –, BGHZ 136, 309 ff. = NJW 1997, 3445; Urteil vom 15.11.1990 – IX ZR 92/90 –, WPM 1991, 150; Urteil vom 15.12.1994 – IX ZR 24/94 –, WPM 1995, 446; Urteil vom 20.11.2001 – IX ZR 159/00 –, ZIP 2002, 228) davon aus, daß die Abgrenzung von kongruenten zu inkongruenten Leistungen des Schuldners nicht alleine mit Blick darauf bestimmt werden kann, ob der Gläubiger die Leistung zu beanspruchen hatte. Maßgeblich soll vielmehr auch sein, ob die Leistung „mit Hilfe hoheitlicher Zwangsmittel” erreicht wurde.
Diese Rechtsprechung des BGH verstößt nach Auffassung des Gerichts gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung sowie gegen den in Art. 3 Abs. 1 GG niedergelegten Grundsatz der Gleichbehandlung. Die Rechtsprechung des BGH erweist sich daher nach Auffassung des Gerichts sogar als verfassungswidrig.
Im einzelnen:
Besitzt der Gläubiger einen (fälligen oder gar titulierten) Anspruch auf die Leistung (im Sinne von § 131 InsO), so ist nach der gesetzlichen Regelung grundsätzlich der Anwendungsbereich des § 130 InsO eröffnet. Zahlt der Schuldner freiwillig, so hat es nach der Rechtsprechung des BGH auch dann dabei zu verbleiben, wenn für die Gesamtheit der Gläubiger keine Aussicht mehr besteht, sich noch aus anderen Vermögensgegenständen volle Deckung zu verschaffen. In einem solchen Fall sieht der BGH zwar den „Gleichbehandlungsgrundsatz” als verletzt an; dieser Verstoß rechtfertige es aber nicht, auf die erweiterten Anfechtungsrechte zurückzugreifen (vgl. a.a.O., Urteil vom 9.9.1997 unter II. 1a; ergangen noch zu § 30 Nr. 2 KO).
Anders soll die Rechtslage nach Auffassung des BGH indessen dann zu beurteilen sein, wenn neben dem „Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz” noch hinzu komme, „daß der Gläubiger seine Rechtsposition mit Hilfe von staatlichen Zwangsmitteln durchgesetzt hat” wobei unerheblich sein soll, ob der Schul...