Entscheidungsstichwort (Thema)
Versetzung von Redakteuren innerhalb der Wochenfrist
Leitsatz (redaktionell)
Bei tendenzbezogenen personellen Einzelmaßnahmen hat der Betriebsrat kein Zustimmungsverweigerungs-, sondern nur ein Informationsrecht. Die Regelung des § 100 Abs 1 BetrVG über die vorläufige Durchführung von personellen Einzelmaßnahmen hat hier nur noch Bedeutung für die Fälle, in denen der Arbeitgeber die Maßnahme vor Ablauf der Wochenfrist durchführen will, die dem Betriebsrat zur Stellungnahme zur Verfügung steht. An die Voraussetzung, daß die vorläufige Durchführung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sein muß, sind hier besonders strenge Anforderungen zu stellen.
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 20.01.1989; Aktenzeichen 9 TaBV 186/88) |
ArbG Wuppertal (Entscheidung vom 15.09.1988; Aktenzeichen 3 BV 42/88) |
Gründe
A. Der Arbeitgeber gibt u.a. eine Tageszeitung, die W , heraus und unterhält Redaktionen in W, D und K. Am 30. Juni 1988 schieden zwei Redakteure der Redaktion D-Stadt aus dem Unternehmen aus. Auf eine innerbetriebliche Ausschreibung vom 6. Juni 1988 hatten sich für die freiwerdenden Stellen die Mitarbeiter H, F, S und L beworben. Mit Schreiben vom 23. Juni 1988 teilte der Arbeitgeber dem Betriebsrat mit, er wolle die Redakteure H (bisher Lokalredaktion W) und F (bisher Lokalredaktion D) ab 1. Juli 1988 auf die Arbeitsplätze in der Redaktion D-Stadt umsetzen. Gleichzeitig bat er um Zustimmung zu den beabsichtigten personellen Maßnahmen. Auf das am 27. Juni 1988 beim Betriebsrat eingegangene Schreiben erwiderte dieser unter dem 29. Juni 1988 schriftlich, wegen Nichteinhaltung der gesetzlich vorgesehenen Wochenfrist habe er keine ausreichende Zeit zur Stellungnahme. Hilfsweise widersprach er der geplanten Maßnahme unter Hinweis auf § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG und führte zur Begründung aus, der Angestellte L sei in der Zeit vom 1. August 1985 bis zum 31. Juli 1987 zum Redakteur ausgebildet worden. Am 1. August 1987 sei Herr L befristet bis zum 31. Juli 1988 als Redakteur in K eingestellt worden. Weder während seines Volontariats noch im Verlauf seiner Redakteurstätigkeit sei es zu irgendwelchen Beanstandungen gekommen. Vielmehr sei er von seinen Vorgesetzten mehrfach wegen seiner besonderen Leistungen gelobt worden. Da wegen Auslaufens des Vertrages der Redakteur L arbeitslos würde, sollte eine der beiden freiwerdenden Stellen mit dem Redakteur L besetzt werden. Der Arbeitgeber teilte daraufhin dem Betriebsrat mit Schreiben vom 30. Juni 1988 mit, die Versetzung der beiden Redakteure H und F sei zu dem geplanten Zeitpunkt aus sachlichen Gründen dringend erforderlich. Dieser Auffassung trat der Betriebsrat mit Schreiben vom 4. Juli 1988 entgegen.
Mit dem am 1. August 1988 bei Gericht eingegangenen Antrag hat der Betriebsrat verlangt, die Versetzungen der Redakteure H und F rückgängig zu machen.
Er hat vorgetragen, zu den tendenzbezogenen Maßnahmen habe der Arbeitgeber zwar nicht die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen, ihn aber rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Dies sei nicht geschehen, denn die geplanten Versetzungen seien vor Ablauf der in § 99 Abs. 3 BetrVG festgelegten Wochenfrist realisiert worden. Da der Arbeitgeber auch das Verfahren für vorläufige personelle Maßnahmen nach § 100 BetrVG nicht beachtet habe, müsse er die Versetzungen wieder rückgängig machen.
Der Betriebsrat hat beantragt, dem Arbeitgeber aufzugeben,
1. die Versetzung des Redakteurs Michael H
von der Lokalredaktion W in die Redak-
tion D -Stadt und
2. die Versetzung des Redakteurs Heinz F von
der Lokalredaktion D in die Redaktion
D -Stadt rückgängig zu machen.
Der Arbeitgeber hat beantragt, die Anträge abzuweisen.
Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe die Versetzungen durchführen können, da der Betriebsrat durch Schreiben vom 29. Juni 1988 - innerhalb seiner Äußerungsfrist von einer Woche - eine abschließende Stellungnahme zu der beabsichtigten Maßnahme gegeben habe. Ein weitergehendes Beteiligungsrecht habe der Betriebsrat bei tendenzbezogenen Maßnahmen in einem Tendenzunternehmen bzw. Tendenzbetrieb nicht. So könne der Betriebsrat nicht verlangen, daß eine personelle Einzelmaßnahme aufgehoben werde, weil der Arbeitgeber seine Mitteilungspflichten nach § 99 Abs. 1 BetrVG verletzt habe. Ebensowenig komme ein Verfahren nach § 100 Abs. 2 BetrVG in Betracht.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde des Arbeitgebers den Beschluß des Arbeitsgerichts abgeändert und den Antrag abgewiesen. Der Betriebsrat verfolgt seinen ursprünglich gestellten Antrag mit der Rechtsbeschwerde weiter, während der Arbeitgeber beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
B. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
I. Nach § 99 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat vor jeder Versetzung zu unterrichten. Nach Abs. 2 kann der Betriebsrat aus sechs abschließend genannten Gründen die Zustimmung zu der personellen Einzelmaßnahme verweigern. Nach § 99 Abs. 3 BetrVG hat der Betriebsrat die Verweigerung der Zustimmung dem Arbeitgeber innerhalb einer Woche nach Unterrichtung schriftlich mitzuteilen. Nach § 101 BetrVG kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, die personelle Maßnahme aufzuheben, wenn der Arbeitgeber eine personelle Maßnahme im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ohne Zustimmung des Betriebsrats durchführt.
Vorliegend bedarf es keiner näheren Begründung, daß die "Umsetzung" der beiden Redakteure eine Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG ist. Beiden Arbeitnehmern, die vorher in einem anderen Betrieb beschäftigt waren, sollte für die Dauer von mehr als einem Monat auf unbestimmte Zeit ein anderer Arbeitsbereich in der Redaktion D-Stadt zugewiesen werden.
II.1. Die Vorschriften über die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei Versetzungen finden aber vorliegend nicht uneingeschränkt Anwendung. Nach § 118 Abs. 1 BetrVG finden die Vorschriften des BetrVG auf Unternehmen und Betriebe keine Anwendung, die unmittelbar und überwiegend u.a. Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung, auf die Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes Anwendung findet, dienen, soweit die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs dem entgegensteht. Betriebe und Unternehmen dienen insbesondere der Berichterstattung oder Meinungsäußerung, wenn sie Zeitungen oder Zeitschriften herausgeben (vgl. Senatsbeschlüsse vom 1. September 1987 - 1 ABR 22/86 - und - 1 ABR 23/86 - BAGE 56, 71 und 56, 81 = AP Nr. 10 und 11 zu § 101 BetrVG 1972, beide m.w.N.; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 118 Rz 25, m.w.N.). Bei Redakteuren handelt es sich um sogenannte Tendenzträger (Senatsbeschlüsse vom 9. Dezember 1975 - 1 ABR 37/74 - AP Nr. 7 zu § 118 BetrVG 1972; 30. Januar 1979 - 1 ABR 78/76 - AP Nr. 11 zu § 118 BetrVG 1972; 19. Mai 1981, BAGE 35, 278 = AP Nr. 18 zu § 118 BetrVG 1972 und Senatsbeschlüsse vom 1. September 1987, aaO).
Allein die Tatsache, daß es sich bei dem Betrieb des Arbeitgebers um einen Tendenzbetrieb handelt und die Redakteure Tendenzträger sind, reicht aber für den Ausschluß des Beteiligungsrechts des Betriebsrats nicht aus. Die Beteiligungsrechte gelten nur insoweit nicht, wie ihnen die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs entgegensteht. Das ist nicht bei allen Maßnahmen gegenüber Tendenzträgern der Fall. Es muß sich jeweils um eine tendenzbezogene Maßnahme handeln. Durch die Vorschrift des § 118 Abs. 1 BetrVG soll das Grundrecht der Pressefreiheit des Verlegers geschützt werden. Die Pressefreiheit des Verlegers und damit auch seine Freiheit, die Tendenz seiner Zeitschrift festzulegen, beizubehalten, zu ändern und diese Tendenz zu verwirklichen, soll vor einer Beeinträchtigung durch betriebliche Mitbestimmungsrechte abgeschirmt werden. Daraus folgt, daß die Beteiligungsrechte des Betriebsrats in Presseunternehmen nur insoweit zurücktreten müssen, wie durch ihre Ausübung die Freiheit des Verlegers zur Tendenzbestimmung und Tendenzverwirklichung ernsthaft beeinträchtigt und damit das Grundrecht der Pressefreiheit verletzt werden kann (Senatsbeschlüsse vom 1. September 1987, aaO, im Anschluß an den Senatsbeschluß vom 31. Mai 1983, BAGE 43, 35 = AP Nr. 27 zu § 118 BetrVG 1972). Auch der Zustimmungsbedürftigkeit einer personellen Maßnahme durch den Betriebsrat steht die Eigenart des Unternehmens als Tendenzunternehmen entgegen, wenn bei einer Verweigerung der Zustimmung die Freiheit des Tendenzunternehmens, hier des Zeitungsverlags, zur Tendenzbestimmung und Tendenzverwirklichung ernsthaft beeinträchtigt und damit das Grundrecht der Pressefreiheit verletzt werden kann (BAG Urteil vom 7. November 1975 - 1 AZR 282/74 - AP Nr. 4 zu § 118 BetrVG 1972; BAG Beschluß vom 30. Januar 1979 - 1 ABR 78/76 - AP Nr. 11 zu § 118 BetrVG 1972, zu II 2 der Gründe; BAG Beschlüsse vom 22. Mai 1979 - 1 ABR 45/77 - und - 1 ABR 100/77 - AP Nr. 12 und 13 zu § 118 BetrVG 1972; BAGE 35, 278, 284 = AP Nr. 18 zu § 118 BetrVG 1972, zu B II der Gründe; BAGE 40, 296 = AP Nr. 12 zu § 15 KSchG 1969; BAGE 43, 35, 41 = AP Nr. 27 zu § 118 BetrVG 1972, zu B II 1 b aa der Gründe; BAG Beschluß vom 10. April 1984 - 1 ABR 73/82 - AP Nr. 3 zu § 81 ArbGG 1979, zu B II 2 der Gründe; BAGE 50, 241, 245 = AP Nr. 31 zu § 99 BetrVG 1972; BAG Beschluß vom 30. Januar 1987 - 1 ABR 49/85 - AP Nr. 33 zu § 118 BetrVG 1972, zu B II 2 c der Gründe; BAG Beschluß vom 13. Juni 1989 - 1 ABR 15/88 - AP Nr. 36 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; BAG Beschluß vom 30. Januar 1990 - 1 ABR 101/88 - zur Veröffentlichung bestimmt, zu B II 3 b aa der Gründe, mit zahlreichen Nachweisen aus der Literatur). Das ist hier der Fall. Muß die Versetzung eines Redakteurs infolge der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung unterbleiben, ist der Verleger gehindert, seine Tendenz so wie gewollt, nämlich dadurch, daß der Redakteur seine Kenntnisse, Fähigkeiten und Meinungen im Rahmen des Aufgabenbereichs der Redaktion D-Stadt zur Gestaltung der Zeitung einbringt, zu verwirklichen.
2. Bedarf die Versetzung eines Redakteurs regelmäßig nicht der Zustimmung des Betriebsrats, so hat der Arbeitgeber den Betriebsrat dennoch vor einer Versetzung nach § 99 Abs. 1 BetrVG zu unterrichten und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Dadurch, daß der Arbeitgeber den Betriebsrat vor einer geplanten Versetzung zu unterrichten und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb der Frist des § 99 Abs. 3 BetrVG zu geben hat und Bedenken des Betriebsrats bei seiner endgültigen Entscheidung zur Kenntnis nimmt und in seine Überlegungen einbezieht, wird er in der Ausübung seiner Freiheit als Verleger zur Tendenzbestimmung und Tendenzverwirklichung nicht ernsthaft beeinträchtigt (BAG Beschluß vom 1. September 1987 - 1 ABR 22/86 - BAGE 56, 71, 78 f. = AP Nr. 10 zu § 101 BetrVG, zu B 2 b aa der Gründe).
Insofern gilt nichts anderes als bei der Anhörung des Betriebsrats zu einer Kündigung. Für diesen Fall hat das Bundesverfassungsgericht durch Beschluß vom 6. November 1979 (- 1 BvR 81/76 - AP Nr. 14 zu § 118 BetrVG 1972) entschieden, es sei mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar, § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dahin auszulegen, daß die Kündigung eines Tendenzträgers die Pflicht zur vorherigen Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht ausschließt und dem Betriebsrat auch tendenzbedingte Kündigungsgründe mitzuteilen sind. Dies hat zur Folge, daß nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG rechtsunwirksam ist.
III. Das Landesarbeitsgericht geht zwar zutreffend davon aus, daß die Versetzung eines Redakteurs in einem Tendenzunternehmen nicht der Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 2 BetrVG bedarf. Es hat auch gesehen, daß dadurch die Informationspflicht des Arbeitgebers nach § 99 Abs. 1 BetrVG nicht berührt wird. Im Gegensatz zum Arbeitgeber in der Rechtsbeschwerdeinstanz ist das Landesarbeitsgericht auch in Übereinstimmung mit dem Senat (Beschluß vom 1. September 1987, aaO) davon ausgegangen, § 99 Abs. 3 BetrVG sei zu entnehmen, daß dem Betriebsrat nach der Unterrichtung eine Frist von einer Woche zur Stellungnahme zu geben ist. Insofern unterscheiden sich § 99 Abs. 3 und § 102 Abs. 2 BetrVG nicht. In beiden Fällen soll die Wochenfrist u.a. dem Betriebsrat die Möglichkeit geben, über seine Stellungnahme zu der geplanten Maßnahme gründlich zu beraten.
Es wird auch an der bisherigen Rechtsprechung des Senats festgehalten, daß bei einer unterlassenen oder nicht ordnungsgemäßen Unterrichtung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG dieser nach § 101 BetrVG die Aufhebung der personellen Einzelmaßnahme verlangen kann (Beschluß vom 1. September 1987, aaO). Der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann nicht gefolgt werden, § 101 BetrVG sei auf § 99 Abs. 1 BetrVG nicht anzuwenden, weil nach seinem Wortlaut § 101 BetrVG sich unmißverständlich nur auf den Fall beziehe, daß der Arbeitgeber eine Personalmaßnahme im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ohne Zustimmung des Betriebsrats durchgeführt habe. Schon dieses stimmt nicht. Der Betriebsrat kann die Aufhebung der Maßnahme auch verlangen, wenn der Arbeitgeber nach § 100 BetrVG die Maßnahme vorläufig durchführt und, wenn der Betriebsrat unverzüglich bestreitet, daß die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sei, die vorläufige personelle Maßnahme aufrechterhält, ohne beim Arbeitsgericht die Feststellung zu beantragen, daß die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war. Führt der Arbeitgeber eine personelle Maßnahme im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG durch, ohne den Betriebsrat informiert zu haben, so kann der Betriebsrat in gleicher Weise nach § 101 BetrVG die Aufhebung der Maßnahme verlangen, wie in dem Fall, in dem er die Information erhalten hat, der Arbeitgeber aber nicht die Zustimmung des Betriebsrats einholt. In beiden Fällen soll dem Betriebsrat die Möglichkeit gegeben werden, den betriebsverfassungswidrigen Zustand mit Hilfe von § 101 BetrVG beseitigen zu lassen. Nicht nachzuvollziehen ist die Überlegung des Landesarbeitsgerichts, daß die Anwendung des § 101 BetrVG § 118 Abs. 1 BetrVG verletzen soll. Ebenso wie die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG die Folge eines betriebsverfassungswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers ist, gilt dies auch für § 101 BetrVG. Es handelt sich hier nicht um eine Tendenzbeeinträchtigung, sondern nur um die Folge der Nichtbeachtung einer betriebsverfassungsrechtlichen Vorschrift durch den Arbeitgeber. In beiden Fällen wird der Arbeitgeber bei der Beachtung der betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften im Rahmen von § 118 Abs. 1 BetrVG nicht in seiner Tendenz beeinträchtigt, er hat den Betriebsrat nur zu informieren und anzuhören. Entscheiden kann er sowohl bei den personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 Abs. 1 wie bei der Kündigung nach § 102 Abs. 1 BetrVG, ohne von der Zustimmung eines Dritten, hier des Betriebsrats, abhängig zu sein. Nur wenn er auch diese Informationspflichten vernachlässigt, trifft ihn die Rechtsfolge des § 101 bzw. des § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Ebensowenig wie die Rechtsfolge der Unwirksamkeit der Kündigung bei Nichtanhörung des Betriebsrats nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (aaO) verfassungswidrig ist, verstößt die Anwendung von § 101 BetrVG gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG bzw. § 118 Abs. 1 BetrVG.
IV. Bei Anwendung dieser Grundsätze war im vorliegenden Fall die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen.
1. Der Betriebsrat hat - auch wenn er darauf hingewiesen hat, keine ausreichende Zeit zur Stellungnahme zu haben - mit Schreiben vom 29. Juni 1988 abschließend zu den beabsichtigten Versetzungen Stellung genommen. Er hat den geplanten Maßnahmen nicht nur unter Hinweis auf § 99 Abs. 2 Ziffer 3 BetrVG widersprochen, sondern die Stellungnahme auch inhaltlich sehr ausführlich begründet. U.a. hat der Betriebsrat die Verweigerung der Zustimmung darauf gestützt, der Angestellte L habe in der Zeit vom 1. August 1985 bis 31. Juli 1987 die Ausbildung zum Redakteur erhalten. Am 1. August 1987 sei Herr L befristet bis zum 31. Juli 1988 als Redakteur in K eingestellt worden. Weder während seines Volontariats noch im Verlauf seiner Redakteurstätigkeit sei es zu irgendwelchen Beanstandungen gekommen. Vielmehr sei er von seinen Vorgesetzten mehrfach wegen seiner besonderen Leistungen gelobt worden. Da wegen Auslaufens des Vertrages der Redakteur L arbeitslos würde, sollte eine der beiden freiwerdenden Stellen mit diesem Redakteur besetzt werden. In dem anhängigen Verfahren hat der Betriebsrat zu keiner Zeit dargelegt, er hätte weitere Einwendungen gegen die Versetzungen vortragen können, wenn ihm genügend Zeit für eine Stellungnahme gelassen worden wäre. Aus dem Schriftwechsel der Beteiligten ergibt sich, daß es dem Betriebsrat bei seiner Stellungnahme allein darum ging, den Arbeitgeber zu veranlassen, dem Redakteur L den Arbeitsplatz durch Versetzung zu erhalten.
Hat aber der Betriebsrat zu den in Aussicht genommenen Versetzungen vor Ablauf der Wochenfrist abschließend Stellung genommen, hat der Arbeitgeber die personellen Einzelmaßnahmen zum 1. Juli 1988 durchführen können.
2. Da der Betriebsrat vor den Versetzungen abschließend Stellung genommen hatte, konnte der Arbeitgeber die personellen Einzelmaßnahmen auch durchführen, ohne das Verfahren nach § 100 BetrVG durchzuführen.
Zutreffend ist der Betriebsrat allerdings davon ausgegangen, daß, obwohl sich das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG bei tendenzbezogenen personellen Einzelmaßnahmen auf ein Unterrichtungsrecht reduziert, § 100 BetrVG seine Funktion nicht völlig verliert. Er hat noch Bedeutung für die Fälle, in denen der Arbeitgeber die Maßnahme vor Ablauf der Wochenfrist bzw. abschließender Stellungnahme des Betriebsrats durchführen will. Stellt der Arbeitgeber in einem solchen Falle nicht den Antrag nach § 100 Abs. 2 BetrVG, handelt er betriebsverfassungswidrig, so daß der Betriebsrat die Aufhebung der Maßnahme verlangen kann.
Es gibt allerdings nur wenige Ausnahmefälle, in denen die personellen Einzelmaßnahmen so dringlich sind, daß der Arbeitgeber nicht einmal die Frist von einer Woche abwarten und die Stellungnahme des Betriebsrats zur Kenntnis nehmen kann. Deshalb sind bei tendenzbezogenen personellen Einzelmaßnahmen besonders strenge Anforderungen an die Voraussetzung zu stellen, daß die vorläufige Durchführung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist. Entsprechend leichter ist es bei dieser Fallgestaltung für die Gerichte festzustellen, daß offensichtlich die Maßnahme aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war. Auf diese Weise wird erreicht, daß bei tendenzbezogenen personellen Einzelmaßnahmen der Arbeitgeber in der Regel wenigstens die Stellungnahme des Betriebsrats vor Durchführung der Maßnahme zur Kenntnis nimmt und in seine Überlegungen miteinbezieht.
Auch im vorliegenden Falle war dem Arbeitgeber seit langem bekannt, daß zwei Redakteure zum 1. Juli 1988 zu versetzen waren. Er hätte den Betriebsrat so rechtzeitig informieren können, daß dieser eine Woche Zeit zur Überlegung gehabt hätte. Bringt der Arbeitgeber sich aber ohne Not selber dadurch in Zugzwang, daß er den Betriebsrat nicht wenigstens eine Woche vor der Durchführung der geplanten personellen Einzelmaßnahme informiert, ist die vorläufige Durchführung der Maßnahme offensichtlich nicht durch sachliche (= betriebliche) Gründe dringend erforderlich. Deshalb wäre der Antrag des Betriebsrats vorliegend erfolgreich gewesen, wenn der Betriebsrat nicht eine abschließende Stellungnahme zu den Versetzungen vor dem 1. Juli 1988 abgegeben hätte.
So aber war die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen.
Dr. Kissel Matthes Dr. Weller
Weinmann H. Paschen
Fundstellen
Haufe-Index 436846 |
DB 1990, 2227-2228 (LT1) |
BetrVG, (7) (LT1) |
NZA 1990, 901-903 (LT1) |
AP § 118 BetrVG 1972 (LT1), Nr 46 |
AR-Blattei, ES 1570 Nr 42 (LT1) |
AR-Blattei, Tendenzbetrieb Entsch 42 (LT1) |
AfP 1990, 237 |
AfP 1990, 237-239 (ST1) |
EzA § 118 BetrVG 1972, Nr 52 (LT1) |