Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung des Betriebsrats bei Eingruppierungen
Leitsatz (redaktionell)
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei einer Eingruppierung erschöpft sich nicht darin, daß der Arbeitgeber dem Betriebsrat die von ihm für richtig befundene Eingruppierung mitteilt und dem Betriebsrat Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. Der Arbeitgeber hat vielmehr die Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten Eingruppierung einzuholen und bei deren Verweigerung ein Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten (Bestätigung der ständigen Senatsrechtsprechung).
Verfahrensgang
LAG München (Entscheidung vom 11.03.1992; Aktenzeichen 5 TaBV 32/90) |
ArbG Regensburg (Entscheidung vom 24.11.1989; Aktenzeichen 1 BV 54/86) |
Gründe
A. Die Beteiligten streiten über die tarifgerechte Eingruppierung einer bei dem Antragsteller beschäftigten Arbeitnehmerin und im Zusammenhang damit über den Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei Eingruppierungen überhaupt.
Der karitativ tätige Antragsteller ist Träger einer Werkstatt für Behinderte. Er beschäftigt in dieser Werkstatt sog. Gruppenleiter, deren Aufgabe allgemein in der Förderung und Betreuung einer Gruppe von Behinderten besteht. Wegen der Einzelheiten des Aufgabenbereichs wird auf die vom Arbeitgeber verwandte "Arbeitsplatzbeschreibung für Gruppenleiter" verwiesen. Der Arbeitgeber wendet auf die Arbeitsverhältnisse der bei ihm beschäftigten Angestellten die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) und der diesen ändernden und ergänzenden Tarifverträge an.
Mit Schreiben vom 24. Oktober 1986 teilte der Arbeitgeber dem in seinem Betrieb gewählten Betriebsrat mit, er beabsichtige - neben anderen - die Heilerziehungspflegerin Marianne B ab 1. Dezember 1986 einzustellen. Frau B sollte als Gruppenleiterin zunächst in VergGr. VII BAT, nach Ablauf der Probezeit in VergGr. VI b BAT eingruppiert werden.
Der Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom 28. Oktober 1986 mit der Begründung, die vorgenommene Eingruppierung sei nicht tarifgerecht; die Gruppenleiter seien in heilpädagogischen Gruppen tätig und daher in VergGr. V b BAT einzugruppieren.
Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 1986, beim Arbeitsgericht eingegangen am selben Tage, hat daraufhin der Arbeitgeber das vorliegende Verfahren eingeleitet. Frau B , die ausgebildete Heilerziehungspflegerin ist, nahm ihre Tätigkeit wie vorgesehen auf. Sie wurde zunächst nach VergGr. VII BAT vergütet, später nach VergGr. VI b BAT, welche Vergütung sie noch heute erhält.
Der Arbeitgeber hat die Auffassung vertreten, eine Mitbestimmung des Betriebsrats entfalle schon dem Grunde nach, weil die Werkstatt für Behinderte als anerkannte Werkstatt im Sinne des § 52 SchwbG ausschließlich karitativen Bestimmungen diene und sein Betrieb daher als Tendenzbetrieb gem. § 118 BetrVG anzusehen sei. Unabhängig davon erschöpfe sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Eingruppierungen darin, daß der Arbeitgeber ihm seine Ansicht über die Eingruppierung des Arbeitnehmers mitteile und ihm Gelegenheit gebe, sich hierzu zu äußern. Das Mitbestimmungsrecht sei hier ein Mitbeurteilungsrecht und kein Mitgestaltungsrecht. Die Eingruppierung sei bloßer Normenvollzug. Eine Zustimmung des Betriebsrats oder deren Ersetzung durch das Arbeitsgericht sei rechtlich unbedeutend, weil ohne Auswirkung auf das zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehende Rechtsverhältnis; sie könne daher auch nicht verlangt werden. Mit der Information über die beabsichtigte Eingruppierung habe er, der Arbeitgeber, daher das Beteiligungsrecht des Betriebsrats gewahrt.
Im übrigen sei die Eingruppierung der Angestellten B tarifgerecht. Die Gruppenleiter seien keine Sonderpädagogen (Heilpädagogen) und keine Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung. Es komme auch keine Gleichstellung mit Erziehern/Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung in Betracht. Die Eingruppierung der Gruppenleiter erfolge vielmehr nach den Bestimmungen für Angestellte im handwerklichen Erziehungsdienst. Danach sei eine Eingruppierung nur in die Vergütungsgruppen VIII bis VI b BAT vorgesehen.
Der Arbeitgeber hat erstinstanzlich beantragt
festzustellen, daß der Antragsteller bei der Eingruppierung seiner Arbeitnehmerin Marianne B das Beteiligungsrecht des Antragsgegners gewahrt hat, hilfsweise die Zustimmung des Antragsgegners zur Eingruppierung der Frau Marianne B in die VergGr. VII bzw. nach bestandener Probezeit in die VergGr. VI b BAT zu ersetzen.
Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Er hat der Auffassung widersprochen, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Eingruppierungen beschränke sich auf die bloße Zurkenntnisnahme der vom Arbeitgeber für richtig befundenen Eingruppierung und die Möglichkeit einer entsprechenden Erwiderung. Der Arbeitgeber habe vielmehr auch bei Eingruppierungen die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen und bei deren Verweigerung ein Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen. Dies entspreche auch der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Der Betriebsrat hat seine Auffassung mit Rechtsausführungen begründet.
Er ist weiter der Auffassung entgegengetreten, das Mitbestimmungsrecht sei wegen Tendenzcharakters des Arbeitgebers ausgeschlossen. Die beabsichtigte Eingruppierung der Arbeitnehmerin B in VergGr. VII/VI b BAT sei nicht tarifgerecht. Als staatlich geprüfte Heilerziehungspflegerin sei sie der staatlich geprüften Erzieherin gleichzustellen. Die Gleichwertigkeit der Ausbildung ergebe sich aus den Lehrinhalten, wie sie u.a. aus den Lehrplänen ersichtlich seien. Die zu betreuende Behindertengruppe sei als heilpädagogische Gruppe im tariflichen Sinne anzusehen. Die Aufgaben des Gruppenleiters seien überwiegend heilpädagogischer Art. Demnach sei die Angestellte B tarifgerecht in VergGr. V b BAT einzugruppieren.
Das Arbeitsgericht hat dem Hauptantrag des Arbeitgebers stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat sein Begehren der Abweisung beider Anträge des Arbeitgebers weiter.
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Abweisung des Hauptantrages des Arbeitgebers und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur Entscheidung über den Hilfsantrag.
I. Der Hauptantrag ist zulässig. Der Arbeitgeber hat an der begehrten Feststellung ein rechtliches Interesse gemäß § 256 ZPO, der auch im Beschlußverfahren gilt. Zwischen den Beteiligten ist der Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 99 BetrVG streitig. Der Arbeitgeber geht davon aus, daß er mit dem von ihm eingehaltenen Verfahren die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei Eingruppierung der Angestellten B gewahrt hat, was der Betriebsrat bestreitet. Die Klärung dieser konkreten Frage kann im Feststellungsverfahren erfolgen (vgl. auch Senatsbeschluß vom 28. Januar 1986, BAGE 51, 42 AP Nr. 34 zu § 99 BetrVG 1972). Der Arbeitgeber kann nicht darauf verwiesen werden, sie im Zustimmungsersetzungsverfahren ggf. als Vorfrage klären zu lassen. Er läuft Gefahr, daß sein Antrag abgewiesen wird, wenn das Gericht die Auffassung vertritt, eine Zustimmung des Betriebsrats sei bei Eingruppierungen nicht zu verlangen.
Der Arbeitgeber kann auch nicht darauf verwiesen werden abzuwarten, ob der Betriebsrat ggf. ein Verfahren nach § 101 BetrVG gegen ihn einleitet. Er muß vielmehr die Möglichkeit haben, den fortbestehenden Streit selbst positiv klären zu lassen. Hierfür ist der Feststellungsantrag das geeignete Mittel.
II. Der Hauptantrag des Arbeitgebers ist jedoch nicht begründet. Der Arbeitgeber hat bei der Eingruppierung der Angestellten B die Beteiligungsrechte des Betriebsrats gem. § 99 BetrVG entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht gewahrt.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Eingruppierung von Arbeitnehmern gem. § 99 BetrVG beschränke sich darauf, daß der Arbeitgeber dem Betriebsrat die beabsichtigte Eingruppierung des Arbeitnehmers mitteile und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werde. Der nach dem Charakter des Mitbestimmungsrechts hier als Mitbeurteilungsrecht zugrunde liegende Zweck der gemeinschaftlichen Beantwortung der Frage der richtigen Eingruppierung erfordere keine übereinstimmenden Meinungsäußerungen. Entscheidend sei vielmehr, daß Betriebsrat und Arbeitgeber ihre etwa widersprechenden Rechtsauffassungen darlegten und mit dem ernsthaften Willen zur Verständigung die Argumentation der Gegenseite prüften. Unterlasse der Arbeitgeber dies, habe es Sinn, ihn gem. § 101 BetrVG zu einem solchen Rechtsgespräch zu zwingen. Habe aber das Gespräch zu keiner Übereinstimmung der Meinungen geführt, sei es vom Gesetz her nicht geboten, eine nur fiktive Übereinstimmung im Wege des Zustimmungsersetzungsverfahrens erlangen zu wollen.
Ein Zwang zur Durchführung eines solchen Verfahrens verstoße zum einen gegen den klaren Wortlaut des § 99 Abs. 4 BetrVG, wonach der Arbeitgeber das Verfahren durchführen könne, aber nicht müsse. Das Zustimmungsersetzungsverfahren sei auch als bedeutungslos anzusehen, weil es die Rechtsstellung des Arbeitnehmers völlig unberührt lasse. Die Gerichte für Arbeitssachen seien nicht verpflichtet, Rechtsgutachten zu erstellen.
2. Mit dieser Auffassung hat sich das Landesarbeitsgericht in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Senats gesetzt. Danach gilt folgendes:
Eine bestehende Lohn- oder Gehaltsgruppenordnung - wie hier der im Betrieb des Arbeitgebers angewendete Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) - begründet regelmäßig einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers selbst auf Vergütung entsprechend dieser Ordnung und damit auch einen Anspruch auf Eingruppierung in diese Ordnung. Die Eingruppierung ist dabei keine nach außen wirkende konstitutive Maßnahme, sondern ein gedanklicher Vorgang, ein Akt der Rechtsanwendung. Der Arbeitnehmer ist eingruppiert, er wird nicht eingruppiert. Es geht also um die Kundgabe des bei der Rechtsanwendung gefundenen Ergebnisses, welchen Tätigkeitsmerkmalen die vom Arbeitnehmer zu verrichtende Tätigkeit entspricht und aus welcher Vergütungsgruppe er dementsprechend zu vergüten ist.
Bei diesem dem Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer obliegenden Vorgang ist der Betriebsrat nach Maßgabe des § 99 BetrVG zu beteiligen. Da die Eingruppierung kein Gestaltungs-, sondern ein Beurteilungsakt ist, ist auch das Mitbestimmungsrecht hier nicht als Mitgestaltungs-, sondern als Mitbeurteilungsrecht zu verstehen. Die Beteiligung des Betriebsrats an diesem Akt der Rechtsanwendung soll sicherstellen, daß die angesichts der allgemein und weit gehaltenen Fassung der Tätigkeitsmerkmale oft schwierige Prüfung, welcher Vergütungsgruppe die Tätigkeit des Arbeitnehmers entspricht, möglichst zutreffend erfolgt. Es dient der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung der Lohn- und Gehaltsgruppenordnung in gleichen und vergleichbaren Fällen, damit aber auch der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit und Transparenz der im Betrieb vorgenommenen Eingruppierungen.
Die vom Betriebsrat und vom Arbeitgeber gemeinsam vorgenommene Eingruppierung gibt dem betroffenen Arbeitnehmer darüber hinaus eine größere Gewähr für ihre Richtigkeit, auch wenn sie für den Arbeitnehmer selbst nicht verbindlich ist.
Der Arbeitgeber hat dementsprechend - wie bei den anderen Mitbestimmungstatbeständen des § 99 BetrVG auch - die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung einzuholen und bei Weigerung das Zustimmungsersetzungsverfahren zu betreiben, will er seine Eingruppierung aufrechterhalten. Er kann die Schutzfunktion des Mitbestimmungsrechts nicht dadurch unterlaufen, daß er die gebotene Eingruppierung überhaupt oder bei Weigerung der Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten Eingruppierung die Durchführung des Ersetzungsverfahrens unterläßt und den Arbeitnehmer damit darauf verweist, seine zutreffende Eingruppierung selbst geltend zu machen. Der Betriebsrat kann zwar in diesem Fall nicht die "Aufhebung" der falschen Eingruppierung bzw. "Nichteingruppierung" verlangen, da ein aufzuhebender Gestaltungsakt nicht vorliegt. § 101 BetrVG ist aber seinem Sinn und Zweck entsprechend so auszulegen, daß sein Ziel auch bei Eingruppierungen erreicht wird. Das Verfahren nach § 101 BetrVG dient der Sicherung des Mitbestimmungsrechts bei personellen Einzelmaßnahmen. Diese Sicherung kann bei Eingruppierungen nur dadurch geschehen, daß der Arbeitgeber, sofern er die vorgenommene Eingruppierung weiterhin für richtig ansieht und an ihr festhält, vom Gericht angehalten wird, die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen bzw. - falls der Betriebsrat diese nicht erteilt - das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG durchzuführen (ständige Senatsrechtsprechung seit den Senatsbeschlüssen vom 22. März 1983, BAGE 42, 121 AP Nr. 6 zu § 101 BetrVG 1972 m. Anm. Löwisch und vom 31. Mai 1983, BAGE 43, 35 AP Nr. 27 zu § 118 BetrVG 1972 m. Anm. Misera; vgl. weiter etwa Senatsbeschluß vom 20. Dezember 1988, BAGE 60, 330 AP Nr. 62 zu § 99 BetrVG 1972 m. Anm. Misera; Senatsbeschluß vom 3. Oktober 1989 - 1 ABR 66/88 -, vom 20. März 1990 - 1 ABR 20/89 -, vom 20. September 1990 - 1 ABR 17/90 - AP Nr. 75, Nr. 79 und Nr. 83 zu § 99 BetrVG 1972; Senatsbeschluß vom 18. Juni 1991 - 1 ABR 53/90 - EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 100).
Dieser Rechtsprechung entspricht jedenfalls in dem Grundsatz, daß auch bei Eingruppierungen die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen bzw. bei deren Weigerung ein Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen ist, die ganz herrschende Meinung in der Literatur (Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 3. Aufl., § 101 Rz 5; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 99 Rz 50, 237 und § 101 Rz 13; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 99 Rz 14 ff. und § 101 Rz 4 a; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 99 Rz 29 ff.; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 99 Rz 22; auch Kraft, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 99 Rz 36, hält zwar die Einbeziehung der Eingruppierung in die Mitbestimmung nach wie vor für problematisch, will aber den "radikalen Weg, durch teleologische Reduktion die §§ 100, 101 auf Ein- und Umgruppierungen für nicht anwendbar zu erklären", selbst nicht gehen, aaO, § 100 Rz 6, 7; vgl. weiter Dütz, AuR 1993, 33 ff. - zugleich Anm. zum hier angefochtenen Beschluß; Veit, RdA 1990, 325, 328, 329). Soweit die Rechtsprechung kritisch diskutiert wird, bezieht sich diese Kritik nicht auf die Frage, ob überhaupt die Zustimmung des Betriebsrats zu verlangen ist, sondern darauf, ob entgegen der Senatsrechtsprechung dem Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG nicht doch eine präjudizielle Wirkung auf das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beizumessen ist (s. etwa Dütz, aaO, 38 f.; Kraft, aaO, § 100 Rz 6, 7; Löwisch, Anm. zu BAG AP Nr. 6 zu § 101 BetrVG 1972).
3. Der Senat sieht keinen Anlaß, im Sinne des angefochtenen Beschlusses von seiner ständigen Rechtsprechung abzuweichen. Das Landesarbeitsgericht hat für seine Auffassung keine Gesichtspunkte vorgebracht, die nicht bereits in der bisherigen Erörterung angesprochen und berücksichtigt worden wären.
a) Das Landesarbeitsgericht meint zu Unrecht, der nach der Senatsrechtsprechung gegebene Zwang zur Durchführung eines Mitbestimmungsverfahrens verstoße gegen den klaren Wortlaut des § 99 Abs. 4 BetrVG, wonach der Arbeitgeber die Ersetzung der Zustimmung verlangen kann; hieraus mache der Senat - anders als etwa bei Einstellung und Versetzung - eine Mußvorschrift.
Diese Kritik trifft nicht zu. Das Mitbestimmungsverfahren nach § 99 BetrVG ist zwingend. Der Arbeitgeber muß es immer dann durchführen, wenn er die mitbestimmte Maßnahme durchführen will. Bei Versetzungen und Einstellungen besteht eine Wahlfreiheit allein darin, daß er von der beabsichtigten Maßnahme absehen kann und dann auch nicht das Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen braucht. Hält er jedoch an der Versetzung fest, muß er auch das Mitbestimmungsverfahren durchführen.
Von einer Eingruppierung kann der Arbeitgeber in diesem Sinne schon deshalb nicht absehen, weil er dem Arbeitnehmer eine Vergütung zahlt, damit aber zumindest faktisch eine Zuordnung zu der im Betrieb geltenden Lohn- oder Vergütungsordnung vornimmt. Die Überprüfung dieser Zuordnung - auch unter dem Aspekt einer etwa übertariflichen Entlohnung - an der im Betrieb geltenden Lohnordnung soll aber gerade der Mitbestimmung des Betriebsrats unterworfen werden.
Der Zwang zur Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahrens ergibt sich also daraus, daß der Arbeitgeber von der mitbestimmungspflichtigen Maßnahme als solcher - anders als bei Versetzungen oder Einstellungen - während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses nicht absehen kann. Grundsätzlich ist die Sachlage dann aber nicht anders als bei der mitbestimmungspflichtigen Versetzung - führt der Arbeitgeber die Versetzung durch, unterliegt er gleichfalls einem Zwang zur Einhaltung des Mitbestimmungsverfahrens. Die "Kann-Vorschrift" des § 99 Abs. 4 BetrVG eröffnet also keine Dispositionsbefugnis hinsichtlich des Mitbestimmungsverfahrens selbst.
Wenn man schon auf den "eindeutigen Wortlaut" des Gesetzes abstellen will - so das Landesarbeitsgericht -, dann ergibt sich daraus gerade umgekehrt, daß der Gesetzgeber den Mitbestimmungstatbestand Eingruppierung von der Zustimmung des Betriebsrats bzw. dem Zustimmungsersetzungsverfahren nicht ausgenommen hat (eine Unanwendbarkeit des § 101 BetrVG hält Misera, Anm. zu BAG AP Nr. 27 zu § 118 BetrVG 1972, als mit dem Gesetz offensichtlich und keiner näheren Begründung bedürfend nicht im Einklang; auch nach Kraft, aaO, § 100 Rz 7 wäre die Nichtanwendung der §§ 100, 101 bei Eingruppierungen nur auf dem "radikalen Wege" der teleologischen Reduktion denkbar, den er selbst aber nicht beschreitet).
b) Das Landesarbeitsgericht führt für seine Auffassung zu Unrecht weiter an, die im Zustimmungsersetzungsverfahren vorgenommene Eingruppierung habe keinerlei rechtliche Wirkung, sie lasse die Rechtsstellung des betroffenen Arbeitnehmers völlig unberücksichtigt. Zutreffend an dieser Argumentation ist, daß die Entscheidung im Zustimmungsersetzungsverfahren nach der ständigen Senatsrechtsprechung keine präjudizielle Wirkung auf das Verhältnis des Arbeitgebers zum Arbeitnehmer hat. Das Landesarbeitsgericht verkennt aber den Sinn des Mitbestimmungsverfahrens bei Eingruppierungen, wenn es hieraus ableitet, auf die Zustimmung des Betriebsrats könne es nicht ankommen. Diese betrifft allein das Verhältnis der Betriebsparteien zueinander und die von beiden gemeinsam vorzunehmende Rechtsanwendung. Überprüft werden soll die tarifgerechte Bewertung des Arbeitsplatzes. Wie bereits dargelegt, dient dieses Mitbestimmungsrecht vor allem der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung der Lohn- und Gehaltsgruppenordnung in gleichen oder vergleichbaren Fällen, damit aber der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit und der Durchschaubarkeit der vorgenommenen Eingruppierungen. Das Verfahren wahrt demzufolge die Interessen der gesamten Belegschaft.
Es dient aber auch den Interessen des betroffenen Arbeitnehmers schon deshalb, weil es trotz fehlender rechtlicher Verbindlichkeit in vielen Fällen tatsächliche Auswirkungen hat insoweit, als die Arbeitsvertragsparteien die im Zustimmungsersetzungsverfahren festgestellte Eingruppierung annehmen und es daher eines zusätzlichen Individualverfahrens nicht bedarf.
Die rechtliche Durchsetzung des individualrechtlichen Anspruchs des Arbeitnehmers ist nicht das Ziel des Verfahrens nach § 99 BetrVG. Sein Sinn und Zweck liegt auf der kollektivrechtlichen Ebene. Diesem Zweck wird es gerecht.
Das Landesarbeitsgericht trennt bei seiner Argumentation die kollektivrechtliche und die individualrechtliche Ebene nicht hinreichend und betrachtet das Verfahren allein im Hinblick auf die individualrechtlichen Auswirkungen, um die es nicht oder nicht in erster Linie geht (vgl. auch Dütz, AuR 1993, 33, 36).
c) Der kollektivrechtliche Sinn der gesetzlichen Regelung kann auch nicht mit der Begründung übergangen werden, es sei nicht Aufgabe der Arbeitsgerichte, Rechtsgutachten zu erstatten. § 99 Abs. 4 BetrVG nimmt Fälle, in denen der Betriebsrat seine Zustimmung zu einer Ein- oder Umgruppierung verweigert hat, nicht vom Zustimmungsersetzungsverfahren aus. Diesem vom Gesetzgeber vorgegebenen Auftrag kann sich das Gericht nicht entziehen. Daß es tatsächlich um mehr als nur die Erstattung eines Gutachtens geht - nämlich um die dem Betriebsrat im kollektiven Interesse obliegende Überwachung der Einhaltung der betrieblichen Lohn- oder Gehaltsordnung - wurde dargelegt.
4. Die vom Beschwerdegericht vertretene Auffassung widerspricht also nicht nur dem eindeutigen Gesetzeswortlaut, sie wird auch dem Sinn und Zweck des Mitbestimmungsverfahrens gem. § 99 BetrVG bei Eingruppierungen nicht gerecht.
Der antragstellende Arbeitgeber hat danach die Beteiligungsrechte des Betriebsrats mit dessen Information und der Entgegennahme seiner Stellungnahme nicht gewahrt. Er hätte vielmehr das Zustimmungsersetzungsverfahren einleiten müssen, wenn er an der von ihm für richtig befundenen Eingruppierung der Angestellten B festhalten wollte.
5. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht allerdings angenommen, die karitative Tätigkeit des Arbeitgebers stehe der Beteiligung des Betriebsrats bei der Eingruppierung nach § 99 BetrVG nicht entgegen.
Die Vorschriften des BetrVG finden auf Unternehmen und Betriebe, die unmittelbar und überwiegend - u.a. - karitativen Bestimmungen dienen, keine Anwendung, soweit ihre Eigenart dem entgegensteht, § 118 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Dadurch soll die Freiheit des Unternehmens geschützt werden, auf welche Weise es seine karitativen Zwecke verfolgen will. Diese Freiheit soll vor einer Beeinträchtigung durch betriebliche Mitbestimmungsrechte abgeschirmt werden. Daraus folgt, daß die Beteiligungsrechte des Betriebsrats in karitativen Unternehmen insoweit zurücktreten müssen, als durch ihre Ausübung die Freiheit des Unternehmers, wie er den karitativen Zweck seines Unternehmens verwirklichen will, ernsthaft beeinträchtigt werden kann. Eine solche Beeinträchtigung der Freiheit des Unternehmers ist aber durch die Ausübung von Mitbestimmungsrechten bei einer vom Unternehmer selbst gewollten tariflichen Eingruppierung von Arbeitnehmern nicht zu befürchten. Wenn der Unternehmer eine zutreffende tarifliche Eingruppierung seiner Arbeitnehmer erstrebt, nimmt er den Tendenzcharakter seines Unternehmens gerade nicht für eine Sonderstellung seiner Arbeitnehmer in Anspruch. Dann muß er aber auch eine gerichtliche Überprüfung seiner Eingruppierungsentscheidung hinnehmen (vgl. nur Senatsbeschluß vom 31. Mai 1983 - BAGE 43, 35 AP Nr. 27 zu § 118 BetrVG 1972).
III. Der angefochtene Beschluß ist demnach aufzuheben. Der Hauptantrag des Arbeitgebers ist unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses abzuweisen.
Aus seiner Sicht folgerichtig nicht entschieden hat das Landesarbeitsgericht den Hilfsantrag des Arbeitgebers, die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Frau Marianne B in die VergGr. VII bzw. nach bestandener Probezeit in die VergGr. VI b BAT zu ersetzen (zur Zulässigkeit eines solchen Hilfsantrags vgl. Senatsbeschluß vom 28. Januar 1986, BAGE 51, 42, 45 AP Nr. 34 zu § 99 BetrVG 1972, zu B I der Gründe).
1. Legt - wie hier der Betriebsrat - die unterlegene Partei bei einer Verurteilung nach dem Hauptantrag Rechtsbeschwerde ein, so ist ohne weiteres auch der auf einem einheitlichen Sachverhalt beruhende Hilfsantrag Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Eines Anschlußrechtsmittels bedarf es nicht. Insoweit gilt für das Rechtsbeschwerdeverfahren nichts anderes als für das Revisionsverfahren (vgl. dort BGH Urteil vom 24. Januar 1990 - VIII ZR 296/88 - NJW-RR 1990, 518, 519; BGH Urteil vom 24. September 1991 - XI ZR 245/90 - NJW 1992, 117).
2. Danach ist noch über den Hilfsantrag des Arbeitgebers zu entscheiden. Der Senat kann insoweit nicht in der Sache selbst entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat keine näheren Feststellungen über die von der Angestellten B zu verrichtenden Tätigkeiten getroffen. Die vom Arbeitgeber als Anlage zu den Arbeitsverträgen der Angestellten R und S vorgelegte "Arbeitsplatzbeschreibung für Gruppenleiter" ist ohne nähere Erläuterungen nicht ausreichend für eine Eingruppierung nach Maßgabe des § 22 BAT.
Danach ist der Angestellte in die Vergütungsgruppe eingruppiert, der mindestens die Hälfte der von ihm nicht nur vorübergehend zu erbringenden Arbeitsvorgänge entspricht. Das Landesarbeitsgericht wird demnach zu prüfen haben, welche Arbeitsvorgänge mit welchen zeitlichen Anteilen an der Gesamttätigkeit anfallen. Es wird weiter zu prüfen haben, ob es sich bei den danach festgestellten Tätigkeiten im tariflich hinreichenden Umfang um solche des sog. handwerklichen Erziehungsdienstes handelt im Sinne der vom Arbeitgeber für seine Eingruppierung herangezogenen Fall- bzw. Vergütungsgruppen oder ob es sich - wie der Betriebsrat meint - etwa um eine Tätigkeit handelt in einer heilpädagogischen Gruppe im Sinne der Fallgruppe 1 k VergGr. V b Teil II G der Anl. 1 a zum BAT - Angestellte im Erziehungsdienst - in der bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Fassung (zum Begriff der heilpädagogischen Gruppe vgl. BAG Beschluß vom 3. Dezember 1985, BAGE 50, 241 AP Nr. 31 zu § 99 BetrVG 1972).
Dabei ist zu berücksichtigen, daß eine Eingruppierung - abgesehen von der Frage der heilpädagogischen Gruppe - für die Angestellte B nur nach Maßgabe der Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II G der Anl. 1 a zum BAT - Angestellte im Erziehungsdienst - in der bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Fassung in Betracht kommt, da die Angestellte keine Ausbildung als Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin hat. Bei ihrer Ausbildung als Heilerziehungspflegerin müßte es sich um eine der Ausbildung einer Erzieherin mindestens gleichwertige Fachausbildung handeln. Auch hierzu fehlen bisher entsprechende Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (vgl. dazu etwa Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand November 1992, Vergütungsordnung BL, Teil II BL, Anm. 78 B m.N.).
Das Landesarbeitsgericht hat für seine Entscheidung allerdings allein zugrunde zu legen die Bestimmungen des Teils II G der Anl. 1 a zum BAT in der bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Fassung und nicht die durch § 1 Nr. 3 des Tarifvertrages zur Änderung der Anl. 1 a zum BAT vom 24. April 1991 geänderte Fassung - gültig ab 1. Januar 1991. Die Beteiligten streiten nach wie vor um die erstmalige Eingruppierung der 1986 eingestellten Angestellten B . Der Betriebsrat hat ein Recht auf korrekte Eingruppierung der Angestellten von Beginn des Arbeitsverhältnisses an. Das rechtliche Interesse hieran entfällt nicht durch eine Änderung der Vergütungsordnung während des laufenden Zustimmungsersetzungsverfahrens. Könnte der Betriebsrat jetzt nur noch die Eingruppierung nach Maßgabe des bei abschließender Entscheidung des Gerichts jeweils geltenden Tarifvertrages verlangen, würde die Eingruppierung bis dahin ungeklärt bleiben.
Maßgeblich muß bei dem Streit um die (erstmalige) Eingruppierung also die tarifliche Vergütungsordnung sein, die zu dem Zeitpunkt galt, als die Eingruppierung vorzunehmen war - hier also die bei Einstellung der Angestellten B geltende Fassung (das ist die bis zum 31. Dezember 1990 geltende Fassung des Teils II G der Anl. 1 a zum BAT - Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst -).
Dies folgt auch aus der Überlegung, daß bei einer Änderung der Vergütungsordnung der Arbeitgeber auch bei unveränderter Tätigkeit des Arbeitnehmers eine Umgruppierung vorzunehmen hat (Senatsbeschluß vom 18. Juni 1991 - 1 ABR 53/90 - EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 100). Wäre es also zwischen den Beteiligten bei Einstellung der Angestellten zu einem Einverständnis über die Eingruppierung gekommen, hätte bei Inkrafttreten der neuen Fassung der Vergütungsordnung geprüft werden müssen, ob die Änderungen eine Umgruppierung zur Folge haben. Es wären also zwei voneinander unabhängige Verfahren einzuhalten gewesen. Dies kann nicht anders sein, wenn der die Eingruppierung betreffende Zustimmungsersetzungsstreit sich über den Zeitpunkt hinauszieht, zu dem eine Umgruppierung infolge Änderung der tariflichen Bestimmungen in Betracht kommt. Insoweit handelt es sich um unterschiedliche Streitgegenstände.
Das fortbestehende Interesse an der Feststellung der richtigen Eingruppierung nach der bei Einstellung geltenden Fassung der Vergütungsordnung kann auch nicht mit der Begründung verneint werden, daß der Arbeitnehmer infolge des Ablaufs von Ausschlußfristen oder Verjährungsfristen - wenn er seine Ansprüche nicht geltend gemacht hat - aus der nachträglichen Feststellung der Eingruppierung in eine höhere Vergütungsgruppe möglicherweise keinen Nutzen mehr ziehen kann. Die Verfolgung oder Durchsetzung des individualrechtlichen Anspruchs ist - wie oben dargelegt - nicht Sinn und Zweck des Mitbestimmungsverfahrens nach § 99 BetrVG. Maßgebend ist vielmehr die Überprüfung der richtigen Arbeitsplatzbewertung wegen des kollektiven Interesses an der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit. Dieses Interesse bleibt unberührt von der Frage, welchen Nutzen der Arbeitnehmer im Einzelfall daraus ziehen kann.
Im übrigen kann die Klärung der richtigen Eingruppierung nach der früher geltenden Vergütungsordnung für den einzelnen Arbeitnehmer durchaus auch bei Ausschluß eventueller Vergütungsnachforderungen noch von Interesse sein unter dem Gesichtspunkt, aus welcher Vergütungsgruppe er in die jetzt geltende Vergütungsordnung überzuleiten ist (vgl. hier § 5 Nr. 1 ÄndTV vom 24. April 1991).
Dr. Kissel Dr. Weller Dr. Rost
Dr. Federlin Peter Berg
Fundstellen
Haufe-Index 436946 |
BAGE 00, 00 |
BAGE, 187 |
BB 1993, 1007 |
BB 1993, 1007-1009 (LT1) |
DB 1993, 1294-1295 (LT1) |
DStR 1993, 1927-1927 (T) |
AiB 1993, 449-452 (LT1) |
BetrVG, (33) (LT1) |
JR 1993, 396 (L) |
JR 1993, 528 (S) |
NZA 1993, 664 |
NZA 1993, 664-668 (LT1) |
AP § 99 BetrVG 1972 (LT1), Nr 103 |
AR-Blattei, ES 530.14.3 Nr 143 (LT1) |
ArbuR 1993, 258-260 (LT1) |
AuA 1994, 158-159 (LT1) |
EzA § 99 BetrVG 1972, Nr 111 (LT1) |
MDR 1993, 771-772 (LT1) |
ZfPR 1994, 17 (L) |