Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsschutzinteresse im Beschlußverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Antrag des Betriebsrats, dem Arbeitgeber aufzugeben, die Anordnung bestimmter Überstunden solange zu unterlassen, bis der Betriebsrat diesen zugestimmt hat, wird unbegründet, wenn die Betriebspartner zwischenzeitlich die Behandlung dieser Überstunden in einer Betriebsvereinbarung geregelt haben.
2. Für einen Antrag des Betriebsrats auf Feststellung seines Mitbestimmungsrechts bei bestimmten Überstunden fehlt es am Feststellungsinteresse, wenn die Betriebspartner die Beteiligung des Betriebsrats bei diesen Überstunden in einer Betriebsvereinbarung geregelt haben (im Anschluß an die Entscheidung des Senats vom 13. Oktober 1987 - 1 ABR 10/86 = BB 1988, 270).
3. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anordnung von Mehrarbeit hat in erster Linie die gemeinsame Regelung der Frage zum Inhalt, wie bei aus bestimmten Anlässen erforderlich werdender Mehrarbeit zu verfahren ist. Eine solche Regelung kann auch zum Inhalt haben, daß der Arbeitgeber bestimmte Mehrarbeit ohne Zustimmung des Betriebsrats im Einzelfall anordnen kann. Erst wenn und soweit eine solche Regelung nicht besteht, bedarf auch die Anordnung von Überstunden im konkreten Einzelfall der Zustimmung des Betriebsrats.
Normenkette
ZPO §§ 253, 256; ArbGG § 81 Abs. 1; BetrVG § 23 Abs. 3, § 87 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 29.04.1986; Aktenzeichen 5 TaBV 104/85) |
ArbG Hanau (Entscheidung vom 08.08.1985; Aktenzeichen 1 BV 1/85) |
Gründe
A. Der Arbeitgeber betreibt in mehreren Filialen ein Einzelhandelswarenhaus. Im Warenhaus M werden 95 Arbeitnehmer beschäftigt. Der hier gewählte Betriebsrat ist Antragsteller des vorliegenden Verfahrens.
Entsprechend dem Arbeitsanfall ist Beginn und Ende der Arbeitszeit der Arbeitnehmer unterschiedlich geregelt. Der Arbeitgeber hat Arbeitnehmer wiederholt auch über das Ende ihrer Arbeitszeit hinaus aus unterschiedlichen Anlässen beschäftigt. Während der Betriebsrat zunächst gegen diese einseitige Anordnung von Überstunden nichts unternommen hatte, machte er Ende Januar 1985 dafür ein Mitbestimmungsrecht geltend. Nach seinem Vorbringen sind auch danach noch immer wieder Überstunden angeordnet worden, ohne daß sein Mitbestimmungsrecht beachtet worden wäre.
Der Betriebsrat hat daher im vorliegenden Verfahren hinsichtlich einer Reihe von Anlässen, aus denen heraus immer wieder Überstunden ohne seine Zustimmung angeordnet worden seien, vom Arbeitgeber verlangt, daß dieser die Anordnung oder die Entgegennahme von Überstunden aus diesen Anlässen bis zu einer Einigung mit ihm, dem Betriebsrat, unterlasse. Er hat vor dem Arbeitsgericht beantragt,
dem Arbeitgeber aufzugeben, es zu unterlassen,
ohne seine vorherige Zustimmung oder der Einigungsstelle
Überstunden anzuordnen, Überarbeit
verrichten zu lassen oder Beginn und Ende der
täglichen Arbeitszeit einzelner oder mehrerer
Arbeitnehmer zu verändern,
a) wenn infolge des Urlaubs eines Arbeitnehmers
gehäuft Arbeit anfällt,
b) wenn infolge der Schulungsteilnahme eines
Arbeitnehmers gehäuft Arbeit anfällt,
c) um vor Ladenöffnung die Theken auffüllen und
Ordnung in den Verkaufsräumen schaffen zu lassen,
d) um regelmäßig zu erwartende krankheitsbedingte
Ausfälle einzelner Arbeitnehmer auszugleichen,
e) weil die Anwesenheit der Spätdienstmitarbeiter
bis zur Schließung des Hauses vorgeblich erforderlich
sei,
f) um Preisschilder drucken zu lassen, deren Benötigung
schon einige Tage zuvor feststeht,
g) weil ein Korbwagenschieber angeblich nicht zur
Verfügung stünde sowie
h) um Stechkarten ausdrucken zu lassen,
hilfsweise,
festzustellen, daß in diesen Fällen ein Mitbestimmungsrecht
des Betriebsrats besteht.
Der Arbeitgeber hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Nachdem der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht geltend gemacht habe, seien alle Abteilungen angewiesen worden, künftig vor der Anordnung mitbestimmungspflichtiger Überstunden die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen. In den Fällen der Krankheitsvertretung, des Spätdienstes, der morgendlichen Verkaufsvorbereitung und der überraschend aufgetretenen Schwierigkeiten beim Druck von Werbeschildern sei ein Mitbestimmungsrecht nicht gegeben.
Das Arbeitsgericht hat auf den Hilfsantrag des Betriebsrats dessen Mitbestimmungsrecht in den Fällen a), c), d) und e) - Urlaub und Krankheit von Arbeitnehmern, Verkaufsvorbereitungen vor Ladenöffnung und Anwesenheit bis zur Schließung des Hauses - festgestellt, im übrigen aber die Anträge des Betriebsrats zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß hat der Arbeitgeber Beschwerde eingelegt und auch insoweit die Abweisung der Anträge des Betriebsrats beantragt. Der Betriebsrat hat nach Ablauf der Beschwerdefrist Anschlußbeschwerde eingelegt und mit dieser seine Anträge insoweit weiterverfolgt, als das Arbeitsgericht sie zurückgewiesen hat, mit Ausnahme der auf die Fälle g) und h) bezogenen Anträge.
Das Landesarbeitsgericht hat die Anschlußbeschwerde des Betriebsrats als unzulässig verworfen und auf die Beschwerde des Arbeitgebers die Anträge des Betriebsrats auch insoweit abgewiesen, als das Arbeitsgericht ihnen entsprochen hatte. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seine vor dem Arbeitsgericht gestellten Anträge in vollem Umfang weiter.
Im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben die Beteiligten am 28. Oktober 1986 eine "Betriebsvereinbarung zur Regelung von Mehrarbeit" geschlossen, die auszugsweise wie folgt lautet:
Zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat ... werden
... folgende Grundsätze für die Handhabung von
Mehrarbeit vereinbart:
1. ...
2. Mehrarbeit ist jede Arbeitszeit, die über die
betriebsübliche oder vertraglich vereinbarte Arbeitszeit
hinausgeht.
3. Betrieblich veranlaßte Mehrarbeit ist in folgenden
Fällen mitbestimmungspflichtig:
a) bei Inventuren
b) aus Anlaß von Urlaub von Mitarbeitern, der
mindestens eine Woche vor Antritt beantragt
wurde bzw. wird
c) bei Auffüllarbeiten, bei Verkaufsvorbereitungs-
oder -abschlußarbeiten vor oder nach
Ladenschluß, sei es aufgrund besonderer Aktivitäten,
Werbemaßnahmen oder ähnlichen
Gründen, soweit vorhersehbar und planbar
d) durch betriebsratsbedingte Abwesenheit von
Betriebsratsmitgliedern/durch gewerkschaftlich
bedingte Abwesenheit von gewerkschaftlichen
Mandatsträgern gemäß MTV-Regelung
e) für Spätdienst-Tätigkeit (bis zur Schließung
des Hauses).
Krankheits- und kurbedingte Abwesenheiten werden
in diese Betrachtung mit einbezogen, soweit sie
mindestens eine Woche vorher bekannt und somit
hinsichtlich des Personaleinsatzes planbar sind.
4. Soll Mehrarbeit aus einem (oder mehreren) Anlaß
nach Ziffer 3 angeordnet werden, so beantragt die
Geschäftsleitung ...
5. Der Betriebsrat teilt der Geschäftsleitung ...
mit, ob er der beantragten Mehrarbeit zustimmt
oder nicht. Sollte der Betriebsrat bis zum ...
keine Stellungnahme abgeben, so gilt die Zustimmung
als erteilt. ...
6. Geschäftsleitung und Betriebsrat beraten mindestens
einmal halbjährlich erforderlich werdende
Mehrarbeit und die sich evtl. daraus ergebenden
personellen Konsequenzen.
7. ...
Der Betriebsrat verfolgt seine Anträge gleichwohl weiter. Er macht geltend, nicht alle Fälle mitbestimmungspflichtiger Mehrarbeit seien durch die Betriebsvereinbarung geregelt worden. Nach wie vor bestehe Streit, in welchen Fällen von Mehrarbeit ein Mitbestimmungsrecht gegeben sei.
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist nicht begründet. Im Ergebnis hat das Landesarbeitsgericht die Anträge des Betriebsrats zu Recht abgewiesen. Der Unterlassungsantrag ist unbegründet geworden, nachdem die Betriebspartner sich in der Betriebsvereinbarung vom 28. Oktober 1986 geeinigt hatten. An der erbetenen Feststellung von Mitbestimmungsrechten bei Überstunden in den genannten Fällen besteht kein Rechtsschutzinteresse mehr.
I. Unzulässig ist die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats, soweit er mit ihr seine Anträge hinsichtlich eines Mitbestimmungsrechts bei Überstunden wieder aufgreift, die aus Anlaß der unter g) und h) seiner Anträge genannten Fälle erforderlich werden. Diese Anträge hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Die Anschlußbeschwerde des Betriebsrats hat diesen Teil der Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht angegriffen, die Beschwerdeanträge des Betriebsrats beziehen sich nicht auf diese Anlaßfälle. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist damit insoweit rechtskräftig geworden. Das Landesarbeitsgericht hat über diese Anträge nicht mehr entschieden. Der Betriebsrat ist daher insoweit durch die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auch nicht beschwert worden. Seine Rechtsbeschwerde, die diese Anträge wieder aufgreift, ist damit unzulässig.
Im übrigen ist die Rechtsbeschwerde zulässig. Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtsbeschwerde im Tenor seiner Entscheidung zugelassen. Wenn es in den Entscheidungsgründen heißt, die Rechtsbeschwerde werde wegen der Abweichung von einer genannten Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf wegen der Frage der Statthaftigkeit einer unselbständigen Anschlußbeschwerde zugelassen, so liegt darin keine Beschränkung der Zulassung der Rechtsbeschwerde. Mit diesem Hinweis wird die Zulassung der Rechtsbeschwerde lediglich begründet.
II. Der Unterlassungsantrag des Betriebsrats ist nicht begründet.
1. Das Arbeitsgericht hat diesen Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Entscheidung im Ergebnis bestätigt, indem es die unselbständige Anschlußbeschwerde des Betriebsrats als unzulässig verworfen hat. Dieser Begründung vermag der Senat nicht zu folgen.
Seit der Änderung der Vorschriften über das arbeitsgerichtliche Beschlußverfahren durch die Beschleunigungsnovelle vom 21. Mai 1979 ist auch in diesem Verfahren die unselbständige Anschlußbeschwerde zulässig. Nach § 87 Abs. 2 ArbGG gelten für das Beschwerdeverfahren die für das Berufungsverfahren maßgebenden Vorschriften über die Einlegung der Berufung und ihre Begründung entsprechend. Zu den Vorschriften über die Einlegung der Berufung gehören gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG auch die Vorschriften der §§ 521 ff. ZP0 über die Anschlußberufung. Besonderheiten des Beschlußverfahrens stehen der Anwendung dieser Vorschriften nicht entgegen, insbesondere vermögen Gesichtspunkte der Beschleunigung des Verfahrens entsprechend § 9 ArbGG die Unzulässigkeit einer unselbständigen Anschlußbeschwerde nicht mehr zu begründen, nachdem nunmehr entsprechend § 87 Abs. 2 Satz 3 ArbGG auch eine Änderung des Antrages in der Beschwerdeinstanz zulässig ist. Der Senat schließt sich damit der Entscheidung des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 2. April 1987 (- 6 ABR 29/85 -, auch zur Veröffentlichung vorgesehen) an.
2. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats gleichwohl im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist zutreffend. Dem Betriebsrat steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht mehr zu.
a) Der Betriebsrat verlangt vom Arbeitgeber, daß dieser die Anordnung oder die Entgegennahme von Überstunden, die in den im Antrag genannten Fällen erforderlich werden, solange unterläßt, als nicht der Betriebsrat den jeweiligen Überstunden zugestimmt habe oder eine Zustimmung durch einen Spruch der Einigungsstelle vorliege. Die gerichtliche Verpflichtung des Arbeitgebers zu einem solchen Unterlassen soll sicherstellen, daß das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei erforderlich werdender Mehrarbeit beachtet wird.
Der Senat braucht im vorliegenden Falle nicht zu entscheiden, ob ein solcher Unterlassungsanspruch des Betriebsrats nur dann begründet ist, wenn der Arbeitgeber in der Vergangenheit schon grob gegen seine Verpflichtung aus dem Betriebsverfassungsgesetz, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei notwendig werdender Mehrarbeit zu beachten, verstoßen hat (so der Beschluß des Senats vom 22. Februar 1983, BAGE 42, 11 = AP Nr. 2 zu § 23 BetrVG 1972) oder ob ein solcher Unterlassungsanspruch auch unter erleichterten Voraussetzungen in Betracht kommt. Ein Anspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf Unterlassung mitbestimmungspflichtiger Maßnahmen und Handlungen kommt jedenfalls dann nicht mehr in Betracht, wenn dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats Genüge getan worden ist, der Betriebsrat von seinem Mitbestimmungsrecht Gebrauch gemacht hat. Das ist vorliegend der Fall.
b) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG bei der vorübergehenden Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit hat nicht ausschließlich zum Inhalt, daß jede Anordnung von Überstunden der Zustimmung des Betriebsrats bedarf. Ein ausschließlich so verstandenes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats müßte in vielen Fällen entweder leerlaufen oder die konkret erforderlich werdende Mehrarbeit unmöglich machen, weil die Zustimmung des Betriebsrats oder gar eine Entscheidung der Einigungsstelle schon aus tatsächlichen Gründen nicht bis zu dem Zeitpunkt herbeigeführt werden kann, zu dem die Mehrarbeit geleistet werden muß. Gerade für solche "Eilfälle" hat daher der Senat schon entschieden, daß die Betriebspartner für diese in einer Betriebsvereinbarung Vorsorge treffen können und der Betriebsrat in gleichliegenden, immer wieder auftretenden Fällen seine Zustimmung auch im voraus erteilen kann (Beschluß vom 2. März 1982, BAGE 38, 96 = AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit).
Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Anordnung von Mehrarbeit oder Überstunden setzen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats einen kollektiven Tatbestand voraus (vgl. zuletzt Beschluß des Senats vom 11. November 1986 - 1 ABR 17/85 - AP Nr. 21 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Dieser kollektive Tatbestand wird ausgewiesen gerade dadurch, daß sich eine Regelungsfrage stellt, die kollektive Interessen der Arbeitnehmer des Betriebs berührt. Inhalt des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei Mehrarbeit und Überstunden ist daher in erster Linie die gemeinsame Lösung dieser Regelungsfrage durch die Betriebspartner. Es bedarf der Regelung der Frage, wie bei einem auftretenden Bedarf nach Mehrarbeit zu verfahren ist. Eine solche Regelung - notfalls auch über einen Spruch der Einigungsstelle - herbeizuführen, liegt im Interesse beider Betriebspartner. Nur wenn und solange eine solche Regelung der aus bestimmten Anlässen notwendig werdenden Mehrarbeit nicht geschaffen worden ist, bedarf die im Einzelfall konkret notwendig werdende Mehrarbeit - auch in Eilfällen - der Zustimmung des Betriebsrats.
c) Eine solche Regelung haben die Betriebspartner mit der Betriebsvereinbarung vom 28. Oktober 1986 getroffen. Diese Regelung erfaßt in ihrer Ziff. 3 gerade diejenige Mehrarbeit, deren Mitbestimmungspflichtigkeit der Betriebsrat im vorliegenden Verfahren zur Entscheidung gestellt hat und deren Anordnung oder Entgegennahme der Arbeitgeber bis zu einer Zustimmung des Betriebsrats unterlassen sollte. Ziff. 3 der Betriebsvereinbarung erklärt die hier genannte Mehrarbeit für mitbestimmungspflichtig. Aus der in den Ziff. 4 und 5 getroffenen Verfahrensregelung ergibt sich, daß die Betriebspartner die Anordnung von Mehrarbeit in diesen Fällen von der erklärten oder fingierten Zustimmung des Betriebsrats abhängig gemacht haben.
Richtig ist, daß in der Betriebsvereinbarung nicht jede konkret in den genannten Anlaßfällen notwendig werdende Mehrarbeit für zustimmungspflichtig erklärt wird. So ist Mehrarbeit aus Anlaß von Urlaub von Mitarbeitern nur mitbestimmungspflichtig - d.h. zustimmungspflichtig -, wenn der Urlaub mindestens eine Woche vor seinem Antritt beantragt wird. Ähnliches gilt für Mehrarbeit, die bei krankheits- und kurbedingter Abwesenheit notwendig wird. Mehrarbeit vor oder nach Ladenschluß für Verkaufsvorbereitungs- oder -abschlußarbeiten bedarf nur insoweit der Zustimmung, als sie vorhersehbar und planbar ist. Damit ist gleichzeitig geregelt, daß notwendig werdende Mehrarbeit, die diese Voraussetzungen nicht erfüllt, etwa nicht vorhersehbar und planbar ist, nicht der Zustimmung des Betriebsrats bedarf. Auch diese Fälle sind damit geregelt. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung zur Anordnung von solcher Mehrarbeit im voraus erteilt.
Gegen die Wirksamkeit einer solchen Regelung bestehen keine Bedenken. Welchen Inhalt eine mitbestimmte Regelung der Mehrarbeit hat, überläßt das Betriebsverfassungsgesetz der Vereinbarung der Betriebspartner und notfalls dem Spruch der Einigungsstelle. Der Senat hat daher schon wiederholt entschieden, daß eine solche Regelung oder ein solcher Spruch auch dann nicht gegen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats verstößt, wenn die Regelung dem Arbeitgeber eine Freiheit einräumt, die einem mitbestimmungsfreien Zustand nahekommt (Beschluß des Senats vom 2. März 1982, BAGE 38, 96 = AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; Beschluß vom 11. März 1986 - 1 ABR 12/84 - AP Nr. 14 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; Beschluß vom 28. Oktober 1986 - 1 ABR 11/85 - AP Nr. 20 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit).
Damit hat der Betriebsrat von seinem Mitbestimmungsrecht bei der Anordnung von Überstunden in den im vorliegenden Verfahren strittigen Fällen Gebrauch gemacht. Der Arbeitgeber kann nach dieser Vereinbarung verfahren. Der Betriebsrat kann nicht (mehr) verlangen, daß der Arbeitgeber die Anordnung oder Entgegennahme aller Überstunden aus den genannten Anlässen unterläßt, bis die Zustimmung des Betriebsrats oder der Einigungsstelle vorliegt.
d) Der Unterlassungsantrag des Betriebsrats ist auch nicht teilweise hinsichtlich derjenigen Überstunden begründet, die auch nach der Betriebsvereinbarung vom 28. Oktober 1986 der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen. Betriebsvereinbarungen sind nach § 77 Abs. 1 BetrVG vom Arbeitgeber durchzuführen. Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber die Durchführung der Betriebsvereinbarung verlangen. Dem Arbeitgeber kann auf Antrag des Betriebsrats vom Arbeitsgericht eine Handlung untersagt werden, die gegen die Betriebsvereinbarung verstößt (Beschluß des Senats vom 10. November 1987 - 1 ABR 55/86 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Dafür, daß der Arbeitgeber gegen die Betriebsvereinbarung bereits verstoßen hat und auch künftig solche Verstöße zu besorgen sind, hat der Betriebsrat jedoch nichts vorgetragen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob eine in der Rechtsbeschwerdeinstanz unzulässige Antragsänderung vorläge, wenn der Betriebsrat seinen Unterlassungsantrag auf Verstöße des Arbeitgebers gegen die Betriebsvereinbarung vom 28. Oktober 1986 beziehen wollte.
III. Der hilfsweise gestellte Antrag des Betriebsrats festzustellen, daß die Anordnung oder Entgegennahme von Mehrarbeit in den genannten Fällen mitbestimmungspflichtig ist, ist unzulässig. Für eine solche Feststellung besteht kein Rechtsschutzinteresse.
1. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 13. Oktober 1987 (- 1 ABR 10/86 -, zur Veröffentlichung vorgesehen) für Anträge des Arbeitgebers auf Feststellung, daß dem Betriebsrat in einer bestimmten Angelegenheit kein Mitbestimmungsrecht zusteht, ausgesprochen, daß für einen solchen Antrag in aller Regel ein Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn die Angelegenheit durch einen Spruch der Einigungsstelle geregelt worden ist und dieser Spruch in seiner Wirksamkeit nicht umstritten ist und im Betrieb angewandt wird. Für eine Regelung der in ihrer Mitbestimmungspflichtigkeit zunächst umstrittenen Angelegenheit durch Betriebsvereinbarung kann nichts anderes gelten. Haben die Betriebspartner eine Angelegenheit durch Betriebsvereinbarung geregelt, so ist es für ihre Rechtsbeziehungen zueinander ohne Bedeutung, ob dem Betriebsrat in dieser Angelegenheit ein Mitbestimmungsrecht zusteht und ob er gegebenenfalls die getroffene Regelung aufgrund seines Mitbestimmungsrechts auch über einen entsprechenden Spruch der Einigungsstelle hätte erzwingen können. Damit fehlt es auch für einen positiven Feststellungsantrag des Betriebsrats an einem Rechtsschutzinteresse.
2. Wenn der Betriebsrat geltend macht, es sei nach wie vor unter den Betriebspartnern umstritten, ob der Betriebsrat auch in denjenigen Fällen ein Mitbestimmungsrecht habe, in denen Überstunden nach der Betriebsvereinbarung vom 28. Oktober 1986 nicht seiner Zustimmung bedürfen, so vermag das eine andere Beurteilung des Rechtsschutzinteresses nicht zu rechtfertigen.
Auch für diese Fälle hat der Betriebsrat von seinem Mitbestimmungsrecht Gebrauch gemacht. Er hat - wie oben dargelegt - dem Arbeitgeber die Befugnis eingeräumt, Überstunden ohne Zustimmung des Betriebsrats anzuordnen. Er hat seine Zustimmung für diese Überstunden im voraus generell erteilt. Die Frage, ob jede konkrete, auch nicht planbare und vorhersehbare Überstunde der Zustimmung des Betriebsrats bedarf, kann für die Rechtsbeziehungen der Beteiligten allenfalls für die Zeit nach Beendigung der Betriebsvereinbarung von Bedeutung werden, wenn der Betriebsrat eine Neuregelung mit einem solchen Inhalt anstrebt oder eine Einigungsstelle eine Regelung mit einem solchen Inhalt beschließen würde. Ob das in absehbarer Zeit je der Fall sein wird, steht nicht fest. Ein Interesse an alsbaldiger Feststellung im Sinne von § 256 ZP0 ist daher nicht erkennbar. Die Entscheidung des Gerichts würde sich als reines Gutachten darstellen.
Der Feststellungsantrag ist daher mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig.
Die Anträge des Betriebsrats sind daher in den Vorinstanzen zu Recht abgewiesen worden. Seine Rechtsbeschwerde ist damit unbegründet.
Dr. Kissel Dr. Weller Matthes
Schneider Rösch
Fundstellen
Haufe-Index 436959 |
BB 1988, 1331-1332 (LT1-3) |
DB 1988, 1272-1273 (LT1-3) |
AiB 1988, 189-189 (ST1-3) |
BetrR 1988, Nr 8, 10-13 (LT1-3) |
EWiR 1988, 859-859 (LT1-3) |
JR 1988, 484 (K) |
NZA 1988, 517-519 (LT1-3) |
AP § 81 ArbGG 1979 (LT1-3), Nr 8 |
AR-Blattei, Betriebsverfassung XIVB Entsch 106 (LT1-3) |
AR-Blattei, ES 530.14.2 Nr 106 (LT1-3) |
EzA § 87 BetrVG 1972, Nr 26 (LT1-3) |