Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Betriebsvereinbarung
Leitsatz (redaktionell)
Der Arbeitgeber kann sich in einer Betriebsvereinbarung dem Betriebsrat gegenüber verpflichten, teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter nur zu den zuvor im Arbeitsvertrag festgelegten festen Arbeitszeiten zu beschäftigen. Er kann sich weiter verpflichten, Arbeitsverträge nur mit festen Arbeitszeiten abzuschließen, unter Verzicht auf Abrufmöglichkeiten entsprechend dem Arbeitsanfall.
Normenkette
BetrVG § 88; ZPO § 890 Abs. 1; BetrVG § 23 Abs. 3; BeschFG § 4 Abs. 1; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2; BeschFG § 2 Abs. 2 S. 1; BetrVG § 77 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 07.05.1986; Aktenzeichen 5 TaBV 8/85) |
ArbG Hannover (Entscheidung vom 05.11.1985; Aktenzeichen 7 BV 12/85) |
Gründe
A. Arbeitgeber und Betriebsrat streiten um die Auslegung einer Betriebsvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeit von Teilzeitmitarbeitern.
Der Arbeitgeber (Antragsgegner) betrieb ein Kaufhaus. Er schloß mit dem Betriebsrat der Zweigniederlassung H (Antragsteller) am 4. Juli 1985 eine Betriebsvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten. Diese Betriebsvereinbarung lautet:
"1. Die gegenwärtig für Teilzeitmitarbeiter
geltenden Arbeitszeit-Festlegungen beinhalten
entsprechend anliegendem Muster,
zum Beispiel:
- die vertragliche Vereinbarung von monatlicher
Stundenzahl,
- deren Verteilung auf die einzelnen Wochentage,
- Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit,
- die tarifliche Eingruppierung (Tarifgruppe,
Stufe),
- Höhe des Bruttoentgeltes einschließlich
aller tariflichen und übertariflichen
Bestandteile,
- Art und Umfang der Tätigkeit,
- Einsatz und Abteilungsbereiche,
- Kündigungsfristen.
2. Eine Beschäftigung von Teilzeitmitarbeitern
ist nur innerhalb folgender Grenzen
zulässig:
a) Die durch Betriebsvereinbarungen geregelten
Arbeitszeiten für die einzelnen
Abteilungen bilden den Rahmen für die
Beschäftigung von Teilzeitmitarbeitern
an den einzelnen Wochentagen, sachlich
begründete Abweichungen analog bestehender
Verträge sind möglich.
b) Die wöchentliche, vertragliche Arbeitszeit
von Teilzeitmitarbeitern ist entsprechend
der Regelung für Vollzeitbeschäftigte
auf höchstens 5 Tage - von
Montag bis Samstag - zu verteilen.
Nur für Wochen mit langen Samstagen und
- soweit in einer Betriebsvereinbarung
über Rahmenarbeitszeiten für einzelne
Abteilungen eine andere Regelung getroffen
worden ist - kann eine Verteilung
auf 6 Tage vereinbart werden.
Ausnahmen sind mit Zustimmung des Betriebsrates
möglich, insbesondere dann,
wenn Mitarbeiter eine Arbeitszeit von
6 Tagen ausdrücklich wünschen.
Für gegenwärtig bestehende Verträge
mit abweichenden, individuellen Arbeitszeitvereinbarungen
gilt die Zustimmung
des Betriebsrates als erteilt.
c) Vertraglich festgelegte Arbeits- und
Freizeiten sollen grundsätzlich eingehalten
und nicht verändert werden.
Eine Verlegung der vertraglichen Arbeitszeit
(Stunden oder Tage) erfolgt
nur in Ausnahmefällen.
d) Von einer Veränderung der vertraglich
vereinbarten Arbeitszeit durch Vertragsänderung
ist der Betriebsrat so
rechtzeitig zu informieren, daß er
eventuelle Rechte aus dem Betriebsverfassungsgesetz
wahren kann.
3. Die zur Zeit gültigen, EDV-mäßig ausgedruckten
Anwesenheitslisten für Teilzeitmitarbeiter
werden jeden Dienstag dem Betriebsrat
vorgelegt. In diese sind vom
Abteilungsleiter die geplanten und mit
dem Teilzeitmitarbeiter vereinbarten Änderungen/Verschiebungen
der Arbeitszeit
einzutragen.
Geplante Änderungen sind vom Abteilungsleiter
mit dem Mitarbeiter so zu vereinbaren,
daß sie bis Dienstag der laufenden
Woche für die Folgewoche in die Anwesenheitslisten
eingetragen werden können.
Geplante Änderungen/Verschiebungen, die
noch nicht mit dem Mitarbeiter vereinbart
wurden, sind gesondert durch ein
Fragezeichen zu kennzeichnen.
Auf Wunsch des Betriebsrates, nach vorheriger
Information an die Geschäftsführung,
sind ihm die Anwesenheitslisten
für angemessene Zeit zur Verfügung zu
stellen.
4. Kurzfristige Änderungen, die nicht bis
zur Vorlage der Anwesenheitslisten beim
Betriebsrat geplant oder vereinbart werden
konnten (zum Beispiel unvorhergesehener
Ausfall von Mitarbeitern, Arbeitszeittausch
auf Wunsch des Mitarbeiters,
unvorhergesehene betriebliche Notwendigkeiten
oder ähnliches), sind in die Anwesenheitslisten
einzutragen und einheitlich
kenntlich zu machen.
5. Eine im voraus von der Geschäftsführung
oder Abteilungsleitung geplante und/oder
mit dem Mitarbeiter vereinbarte vorhersehbare
Änderung im Sinne der Ziffer 3
dieser Betriebsvereinbarung, die aufgrund
zusätzlichen Arbeitskräftebedarfs (z.B.
Inventuren, SSV, WSV, Verkaufsaktionen,
erhebliche Personalengpässe und ähnliches)
erforderlich ist, nicht dagegen
z.B. bei ausdrücklichem nachgewiesenen
Wunsch des Mitarbeiters oder Arbeitszeittausch,
bedarf der Zustimmung des Betriebsrates.
6. Für die teilzeitbeschäftigten Mitarbeiter,
die regelmäßig Termin- und AbschlußArbeiten
zu leisten haben (Verwaltung,
Dispo-Büro, Kredit-Büro), werden Geschäftsführung
und Betriebsrat eine Vereinbarung
treffen, die die Zustimmung
des Betriebsrates im Einzelfall entbehrlich
macht und eine termingerechte Erledigung
dieser Arbeiten gewährleistet,
sowie die Bedingungen der damit verbundenen
Arbeitszeitänderungen festlegt.
7. Teilzeitbeschäftigte, die an einzelnen
Wochentagen die Arbeitszeit der Vollbeschäftigten
vertraglich abzuleisten haben,
nehmen an diesen Tagen an der Pausenregelung
für Vollbeschäftigte teil.
Abweichungen können nur mit Zustimmung
des Betriebsrates vereinbart werden.
Für gegenwärtig bestehende Verträge mit
abweichenden individuellen Pausenregelungen
gilt die Zustimmung des Betriebsrates
als erteilt.
8. Zusätzliche Stunden der Teilzeitmitarbeiter
(Überarbeit) sollen nach Möglichkeit
durch Freizeit in den darauf folgenden
vier Wochen ausgeglichen werden.
In den Fällen, in denen der Mitarbeiter
den Ausgleich durch Bezahlung wünscht,
erfolgt die Verrechnung im folgenden Monat.
Bei der Bezahlung oder dem Ausgleich der
Zusatzstunden werden die Bestimmungen
des Manteltarifvertrages berücksichtigt.
9. Geschäftsführung und Betriebsrat sind sich
darüber einig, daß durch diese Betriebsvereinbarung
die Mitbestimmungsrechte des
Betriebsrates weder eingeschränkt noch
erweitert werden.
10.Diese Betriebsvereinbarung tritt zum
01. August 1985 in Kraft. Sie kann erstmals
zum 31. Dezember 1986 gekündigt werden.
Die Kündigungsfrist beträgt 3 Monate
zum Schluß des Kalenderjahres.
Im Falle einer Kündigung sind die Verhandlungen
so rechtzeitig aufzunehmen, daß vor
Ablauf der Kündigungsfrist eine neue Vereinbarung
getroffen kann werden."
In den zur Zeit des Abschlusses der Betriebsvereinbarung verwendeten Formularanstellungsverträgen für kaufmännische Teilzeitbeschäftigung bzw. gewerbliche Teilzeitbeschäftigung ist folgende Nr. 3 vorgesehen:
Es wird folgende Beschäftigung vereinbart:
Tag von-bis Pause/Min. bez.Stunden
Montag ------- ---------- -----------
Dienstag ------- ---------- -----------
Mittwoch ------- ---------- -----------
Donnerstag ------- ---------- -----------
Freitag ------- ---------- -----------
kurzer Samstag------- ---------- -----------
Langer Samstag------- ---------- -----------
--------- vereinbarte Stunden im Monat.
Der Arbeitgeber beabsichtigte die Benutzung geänderter Formulare für Anstellungsverträge für kaufmännische bzw. gewerbliche Teilzeitbeschäftigung, deren Nr. 3 nunmehr folgende Fassung hat:
Die Arbeitszeit beträgt ----- % der jeweiligen
tariflichen Arbeitszeit; das sind derzeit
durchschnittlich ----- Stunden im Monat.
Im Falle einer Verkürzung der tariflichen Wochenarbeitszeit
für Vollbeschäftigte tritt damit
automatisch eine Verkürzung der effektiven
Arbeitszeit ein.
Der Arbeitseinsatz sowie die Lage und Dauer
der Arbeitszeit erfolgt entsprechend dem Arbeitsanfall.
Wird keine anderslautende mündliche oder
schriftliche Weisung über den Arbeitseinsatz
gegeben, gelten nachfolgende Arbeits- und
Pausenzeiten:
Tag von-bis Pause/Min. bez.Stunden
Montag ------- ---------- -----------
Dienstag ------- ---------- -----------
Mittwoch ------- ---------- -----------
Donnerstag ------- ---------- -----------
Freitag ------- ---------- -----------
kurzer Samstag------- ---------- -----------
Langer Samstag------- ---------- -----------
Ändert sich die effektive Arbeitszeit, wird der
Arbeitseinsatz neu vorgegeben.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, in der Betriebsvereinbarung vom 4. Juli 1985 sei ein bestimmtes Arbeitszeitsystem für Teilzeitbeschäftigte festgelegt worden. Nach der Betriebsvereinbarung müsse die Arbeitszeit von Anfang an im Arbeitsvertrag auf bestimmte Wochentage festgelegt werden. Dasselbe gelte für die vorherige Festlegung des Arbeitsbeginns, des Arbeitsendes und des zeitlichen Umfangs der Pausen je Arbeitstag. Dieses Arbeitszeitsystem werde vom Arbeitgeber durch die neu verwendeten Arbeitsverträge für Teilzeitbeschäftigte geändert. Das vom Arbeitgeber beabsichtigte Arbeitszeitsystem weiche erheblich von dem bis dahin bestehenden ab. Es erlaube den Übergang von fest vereinbarten Beschäftigungszeiten zu Arbeitseinsatzzeiten entsprechend dem Arbeitsanfall, der vom Arbeitgeber bestimmt werde. Nach der Betriebsvereinbarung vom 4. Juli 1985 sei der Arbeitgeber gehindert, auf das von ihm beabsichtigte Arbeitszeitsystem überzugehen. Die entsprechenden Regelungen in der Betriebsvereinbarung gewährleisteten den Teilzeitbeschäftigten feste Arbeitszeiten und schlössen Arbeitszeit auf Abruf des Arbeitgebers entsprechend dem jeweiligen Arbeitsanfall aus.
Der Betriebsrat hat beantragt,
den Arbeitgeber zu verpflichten, bis zur
rechtswirksamen Abänderung der Betriebsvereinbarung
vom 4. Juli 1985 Anstellungsverträge
für kaufmännische und gewerbliche
Teilzeitbeschäftigte nur unter Vereinbarung
der Festlegung der Verteilung der Arbeitsstunden
auf die einzelnen Wochentage und
der Festlegung des Beginns und des Endes
der täglichen Arbeitszeit und der Pausen
zu schließen.
Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, der vom Betriebsrat gestellte Antrag beziehe sich ausschließlich auf die individuelle Vertragsgestaltung. Auf den Inhalt individual-rechtlicher Regelungen habe der Betriebsrat aber keinen Einfluß. Der Arbeitgeber könne frei über die von ihm eingesetzten Vertragsmuster entscheiden. Aus der Betriebsvereinbarung vom 4. Juli 1985 ergäben sich für den Betriebsrat keine weitergehenden Rechte. Der in Betracht gezogene variable Einsatz von Teilzeitbeschäftigten lasse sich mit dieser Betriebsvereinbarung vereinbaren. Diese Betriebsvereinbarung enthalte keine Bestimmung, die dem Arbeitgeber vorschreibe, im Arbeitsvertrag die Verteilung der Arbeitsstunden auf die einzelnen Wochentage ein für allemal festzulegen.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Auf die Beschwerde des Arbeitgebers hat das Landesarbeitsgericht den Antrag abgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist begründet.
I. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen.
1. Der Antrag bedarf der Auslegung; er ist der Auslegung fähig. Dem Arbeitgeber soll untersagt werden, während der Geltung der Betriebsvereinbarung vom 4. Juli 1985 in Arbeitsverträgen mit Teilzeitbeschäftigten zu vereinbaren, daß der Arbeitseinsatz sowie die Lage und Dauer der Arbeitszeit entsprechend dem Arbeitsanfall erfolgt. Dies ist ein Antrag auf Unterlassung der bezeichneten Handlungen (vgl. § 890 Abs. 1 ZPO). Die mündliche Anhörung vor dem Senat hat ergeben, daß der Betriebsrat seinen Antrag so verstanden wissen will.
2. Der Antrag des Betriebsrats betrifft ein Verhalten des Arbeitgebers bei Abschluß einzelner Arbeitsverträge mit seinen Mitarbeitern. Dem Betriebsrat geht es damit nicht nur um den tatsächlichen Einsatz der Arbeitnehmer im Betrieb. Er will bereits die Vertragspraxis des Arbeitgebers beeinflussen. Das macht den Antrag aber nicht unzulässig. Es ist eine Frage der Begründetheit, ob dem Betriebsrat dieser - weitergehende - Anspruch zusteht.
3. Der Antrag auf Unterlassung bestimmter Handlungen ist ein Leistungsantrag. Für Anträge dieser Art wird - anders als bei Anträgen auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses - kein besonderes Rechtsschutzinteresse verlangt. Die Wiederholungsgefahr, die eine Verurteilung zur Unterlassung künftigen Verhaltens rechtfertigen soll, ist keine Verfahrensvoraussetzung. Sie ist materielle Voraussetzung eines Unterlassungsanspruchs. Fehlt sie, wird der Antrag nicht als unzulässig, sondern als unbegründet abgewiesen (vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 2. Juni 1987 - 1 AZR 651/85 -, zu II 2 der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen).
II. Der Antrag des Betriebsrats ist begründet. Der Betriebsrat kann verlangen, daß der Arbeitgeber keine Arbeitsverträge abschließt, in denen der Arbeitnehmer verpflichtet wird, seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen. Dies ergibt sich aus der Betriebsvereinbarung vom 4. Juli 1985.
1. Anspruchsgrundlage ist die Betriebsvereinbarung vom 4. Juli 1985. Diese Betriebsvereinbarung hat der Arbeitgeber nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG im Betrieb durchzuführen. Umstritten ist lediglich, ob sich der Anspruch des Betriebsrats auf Durchführung einer Betriebsvereinbarung unmittelbar aus § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ergibt oder ob er seinen Grund in der Betriebsvereinbarung selbst hat. Darauf kommt es hier jedoch nicht an. Jedenfalls kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber die Durchführung aller getroffenen Vereinbarungen verlangen, gleichgültig, ob diese Vereinbarungen eine Pflicht des Arbeitgebers begründen oder sie - wäre nur § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG Anspruchsgrundlage - voraussetzen (vgl. dazu Beschluß des Senats vom 24. Februar 1987 - 1 ABR 18/85 -, zu B II 1 der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Der Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung bestimmter Handlungen des Arbeitgebers aus einer Betriebsvereinbarung oder aus § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist kein Anspruch auf Unterlassung mitbestimmungswidrigen Verhaltens. Nur für diese allgemeinen Unterlassungsansprüche ist streitig, ob neben den Unterlassungsansprüchen nach § 23 Abs. 3 BetrVG noch allgemeine Unterlassungsansprüche zur Sicherung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats möglich sind (vgl. BAGE 42, 11 = AP Nr. 2 zu § 23 BetrVG 1972; BAGE 42, 366 = AP Nr. 19 zu § 80 BetrVG 1972). Darum geht es hier nicht.
Das Landesarbeitsgericht hat sich in seinem Beschluß nicht darauf beschränkt, zu prüfen, welchen Inhalt die Betriebsvereinbarung vom 4. Juli 1985 hat. Das Landesarbeitsgericht erörtert auch den Umfang der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Einführung kapazitätsorientierter Arbeitszeiten (§ 4 Abs. 1 BeschFG). Diese Erörterungen liegen neben der Sache. Es geht nicht um die Frage, ob und welche Mitbestimmungsrechte der Betriebsrat bei der Regelung der betrieblichen Arbeitszeit für Teilzeitbeschäftigte hat. Die zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbarte Betriebsvereinbarung kann auch eine freiwillige Betriebsvereinbarung im Sinne von § 88 BetrVG sein. Der Anspruch auf Durchführung einer nicht gekündigten Betriebsvereinbarung hängt nicht davon ab, ob und in welchem Umfang ein Mitbestimmungsrecht bei der Regelung dieser Angelegenheit bestand.
Deshalb kommt es auch nicht auf die Begründung an, mit der das Landesarbeitsgericht Mitbestimmungsrechte bei der Einführung von kapazitätsorientierter variabler Arbeitszeit abgelehnt hat. Der Senat sieht sich jedoch veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß eine Einschränkung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats bei der Festlegung des Beginns und Endes der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) nicht mit der Begründung gerechtfertigt werden könnte, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats stehe dem sozialpolitischen Ziel der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit entgegen. Für die vom Landesarbeitsgericht als erwünscht bezeichnete Einschränkung gibt es in § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG keine Anhaltspunkte. Das Beschäftigungsförderungsgesetz regelt nur individual-rechtliche Voraussetzungen und Folgen für Arbeitsverträge mit einer vereinbarten Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall. Betriebsverfassungsrechtliche Fragen werden im Beschäftigungsförderungsgesetz nicht angesprochen (vgl. dazu GK-TzA Lipke, Art. 1 § 2 BeschFG Rz 426, mit weiteren Nachweisen).
2. Der Arbeitgeber kann Teilzeitmitarbeiter nur unter den in der Betriebsvereinbarung genannten Voraussetzungen beschäftigen. Er darf Arbeitsverträge nur mit dem zwischen ihm und dem Betriebsrat vereinbarten Inhalt abschließen.
a) Die Betriebsvereinbarung gilt für alle Teilzeitmitarbeiter. Sie erfaßt alle Arbeitnehmer, deren regelmäßige Wochenarbeitszeit kürzer ist als die regelmäßige Wochenarbeitszeit vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer des Betriebs (§ 2 Abs. 2 Satz 1 BeschFG). Sie unterscheidet nicht zwischen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern, mit denen feste Arbeitszeiten vereinbart wurden und Teilzeitmitarbeitern, mit denen ein Abruf der Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall vereinbart wurde. Das folgt aus Nr. 1 und 2 der Vereinbarung. In Nr. 1 der Betriebsvereinbarung wird der gegenwärtige Zustand bei der Beschäftigung der Teilzeitmitarbeiter beschrieben. Danach mußten die Arbeitszeiten für Teilzeitmitarbeiter im voraus festgelegt werden. Es gab keine Teilzeitmitarbeiter, die ihre Arbeitsleistung auf Abruf zu erbringen hatten. Daran sollte sich nach Nr. 2 der Betriebsvereinbarung in der Zukunft nichts ändern. Nach dieser Bestimmung soll auch in der Folgezeit eine Beschäftigung von Teilzeitmitarbeitern nur innerhalb der dann näher bezeichneten Grenzen zulässig sein.
b) Teilzeitmitarbeiter dürfen nach der Betriebsvereinbarung vom 4. Juli 1985 nur beschäftigt werden, wenn zuvor im Arbeitsvertrag die Arbeitszeiten festgelegt werden. Nur so kann die Betriebsvereinbarung verstanden werden.
Nr. 1 der Betriebsvereinbarung vom 4. Juli 1985 gibt den Zustand wieder, wie er bei Abschluß der Betriebsvereinbarung bestand. Danach wurden zwischen Arbeitgeber und Teilzeitmitarbeitern die Zahl der Arbeitsstunden vereinbart, die der Arbeitnehmer monatlich zu leisten hatte. Diese Arbeitszeit wurde von vornherein auf die einzelnen Wochentage verteilt. Es wurden jeweils Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit festgelegt.
Daran sollte sich auch in Zukunft nichts ändern. Die zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbarten "Grenzen" für eine Beschäftigung von Teilzeitmitarbeitern werden nur beachtet, wenn weiterhin die Arbeitszeiten der Teilzeitmitarbeiter im voraus vertraglich festgelegt werden. Das folgt aus Nr. 2 b der Betriebsvereinbarung. In dieser Bestimmung wird mehrfach auf die "vertragliche Arbeitszeit von Teilzeitmitarbeitern" verwiesen. Diese wöchentliche vertragliche Arbeitszeit ist auf höchstens fünf Werktage zu verteilen. Nur für Wochen mit langen Samstagen kann eine Verteilung auf sechs Tage vereinbart werden. Eine Vereinbarung über eine solche Verteilung wird im Arbeitsvertrag getroffen. Danach müssen also die Arbeitszeiten im Arbeitsvertrag vereinbart werden. Der letzte Absatz dieser Nr. 2 b der Betriebsvereinbarung bestätigt diese Auslegung. Verträge mit Teilzeitmitarbeitern, die diese Grenzen nicht einhalten, müßten an sich nach dieser Betriebsvereinbarung geändert werden. Doch sieht die Betriebsvereinbarung Ausnahmen vor. Vertragliche Regelungen mit abweichenden individuellen Arbeitszeitvereinbarungen sollen weiter bestehen bleiben. Merkmal dieser Verträge war jedoch die voraufgegangene Festlegung der individuellen Arbeitszeit.
Auch nach Nr. 2 c und d der Betriebsvereinbarung ist der Arbeitgeber verpflichtet, vertragliche Arbeitszeiten festzulegen. Soll diese Arbeitszeit vertraglich geändert werden, ist der Betriebsrat rechtzeitig zu informieren. Beide Bestimmungen bestätigen die Auslegung, wonach teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer nur zu den vertraglich im voraus festgelegten Arbeitszeiten beschäftigt werden dürfen.
Von diesem System vertraglich festgelegter Arbeitszeiten würde der Arbeitgeber abweichen, wenn er die Arbeitsleistung der Teilzeitbeschäftigten entsprechend dem Arbeitsanfall abrufen würde. Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit vertraglich festgelegt wurde, brauchen ihre Arbeitsleistung nicht auf Abruf entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen. Da eine Beschäftigung nur auf der Grundlage zuvor vertraglich vereinbarter Arbeitszeiten möglich ist, kann der Arbeitgeber auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 4. Juli 1985 von den Möglichkeiten des § 4 BeschFG keinen Gebrauch machen.
Die Umstände, die der Arbeitgeber zum Zustandekommen der Betriebsvereinbarung vorgetragen hat, können am Auslegungsergebnis nichts ändern. Zwar könnte die Entstehungsgeschichte einer Betriebsvereinbarung zur Auslegung ergänzend herangezogen werden. Betriebsvereinbarungen sind nach den für die Tarifauslegung geltenden Grundsätzen auszulegen (vgl. BAG Urteil vom 27. August 1975 - 4 AZR 454/74 - AP Nr. 2 zu § 112 BetrVG 1972). Bei der Tarifauslegung kann auf die Entstehungsgeschichte zurückgegriffen werden, wenn bei entsprechender Auswertung des Tarifwortlauts und des tariflichen Gesamtzusammenhangs noch Zweifel über den Inhalt des Tarifvertrags bestehen (BAGE 46, 308, 314 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung). Hier hat der Arbeitgeber jedoch nur auf Erklärungen verwiesen, die er zuvor im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens zur Regelung ähnlicher Fragen in seiner Filiale B abgegeben hatte. Zum anderen hat der Arbeitgeber selbst darauf hingewiesen, daß der Betriebsrat des Betriebs B die Auffassung des Arbeitgebers nicht geteilt hat. Schon bei der Auslegung des Spruchs der Einigungsstelle für den Betrieb B gab es mithin Meinungsverschiedenheit über den Umfang der Verpflichtungen, die der Arbeitgeber eingegangen ist.
c) Nach der Betriebsvereinbarung ist der Arbeitgeber nicht nur gehindert, teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer im Betrieb entsprechend dem Arbeitsanfall zu wechselnden Arbeitszeiten einzusetzen. Er hat sich gegenüber dem Betriebsrat darüber hinaus noch verpflichtet, keine Arbeitsverträge abzuschließen, die ihm diese Möglichkeit später - wenn die Beschränkungen aus der jetzigen Betriebsvereinbarung weggefallen sind - eröffnen würden. Der Betriebsrat hat sich in der Betriebsvereinbarung vom 4. Juli 1985 nicht nur den Einfluß auf die tatsächliche Beschäftigung der Teilzeitarbeitnehmer im Betrieb gesichert. Er hat auch Einfluß genommen auf den Inhalt der Arbeitsverträge.
Dem Arbeitgeber ist zuzugeben, daß die Übernahme von Pflichten bei der Ausgestaltung der einzelnen Arbeitsverträge bisher nicht üblich ist. Dem Betriebsrat wird es häufig nur darauf ankommen, über den tatsächlichen Einsatz der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen. Individualarbeitsrecht und Betriebsverfassungsrecht können auseinanderfallen, wenn sich der Arbeitgeber individual-rechtlich weitergehende Möglichkeiten verschaffen will, von denen er zur Zeit aus betriebsverfassungsrechtlichen Gründen noch keinen Gebrauch machen kann.
Andererseits wird das System der festen Arbeitszeiten im wesentlichen durch Hinweise auf die Gestaltung der Arbeitsverträge beschrieben. Darf der Arbeitgeber mit den Arbeitnehmern keine Arbeitsverträge mit der Verpflichtung abschließen, die Arbeitsleistung sei entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen, ist sichergestellt, daß er von diesem System der Arbeitszeit nach Arbeitsanfall keinen Gebrauch machen kann. Durch die Beeinflussung der Vertragspraxis kann der vereinbarte Einsatz der Arbeitnehmer zu festen Arbeitszeiten entsprechend den Abreden in der Betriebsvereinbarung am besten gesichert werden. Das "Muster" eines Arbeitsvertrags, der die in der Betriebsvereinbarung beschriebenen Anforderungen nach Festlegung der Arbeitszeit erfüllt, wird in der Betriebsvereinbarung selbst in Bezug genommen (vgl. Nr. 1).
3. Damit ist der Antrag des Betriebsrats in vollem Umfang begründet. Die erstinstanzliche Entscheidung, die dem Antrag entsprochen hatte, muß wiederhergestellt werden. Dabei war nur die Beschlußformel klarzustellen.
Dr. Kissel Dr. Heither Matthes
K. H. Janzen Dr. Giese
Fundstellen
Haufe-Index 436944 |
DB 1988, 345-347 (LT1) |
CR 1988, 677-677 (S1-2) |
NZA 1988, 253-254 (LT1) |
RdA 1988, 61 |
SAE 1988, 214 |
AP § 77 BetrVG 1972 Auslegung, Nr 2 |
AR-Blattei, Betriebsvereinbarung Entsch 41 (LT1) |
AR-Blattei, ES 1560 Nr 16 (LT1) |
AR-Blattei, ES 520 Nr 41 (LT1) |
AR-Blattei, Teilzeitarbeit Entsch 16 (LT1) |
EzA § 611 BGB Teilzeitarbeit, Nr 2 (LT1) |