Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsstellenspruch über Arbeitszeit von Redakteuren
Leitsatz (redaktionell)
Die Freiheit eines Zeitungsverlegers zur Tendenzverwirklichung wird nicht durch eine Betriebsvereinbarung beeinträchtigt, die für Redakteure Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage regelt, wenn diese Betriebsvereinbarung die für die Aktualität der Berichterstattung relevanten Entscheidungen des Arbeitgebers (Redaktionsschluß, Lage und Dauer von Redaktionskonferenzen, Besetzung der Redaktionen u.a.) als Vorgabe zugrunde legt und sichergestellt ist, daß die Arbeitszeitregelung auch künftigen Tendenzentscheidungen nicht entgegensteht.
Orientierungssatz
Auslegung des § 7 (Arbeitszeit) des Manteltarifvertrages für Redakteure an Tageszeitungen vom 28.5.1990.
Normenkette
TVG § 1; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2, § 118 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 08.01.1991; Aktenzeichen 11 TaBV 46/90) |
ArbG Hannover (Entscheidung vom 18.04.1990; Aktenzeichen 2 BV 4/90) |
Gründe
A. Der antragstellende Arbeitgeber und der Betriebsrat streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs, der bei dem Arbeitgeber, einer Verlagsgesellschaft, die unter anderem die Zeitung "H " herausgibt, die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit von Redakteuren auf die einzelnen Wochentage und die Lage der Arbeitszeit regelt. Die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit ist im Manteltarifvertrag (MTV) für Redakteure an Tageszeitungen geregelt. Der Arbeitgeber ist Mitglied des Verbandes Nordwestdeutscher Zeitungsverleger e. V., der wiederum tarifgebundenes Mitglied des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger e. V. ist.
Am 21. September 1989 beschloß die bei dem Arbeitgeber zur Regelung der Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit von Redakteuren gebildete Einigungsstelle folgende Regelung:
"§ 1 Sachlicher Geltungsbereich
Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle bei der
Verlagsgesellschaft M GmbH & Co. für die
N festangestellten Redakteure/innen im
Sinne der Protokollnotiz zu § 1 MTV für Redakteu-
re an Tageszeitungen.
§ 2 Regelmäßige Arbeitszeit
2.1. Die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit
richtet sich nach § 7 Abs. 1 des Mantelta-
rifvertrages für Redakteure an Tageszei-
tungen, gültig ab 01.01.1985, in der je-
weils geltenden Fassung.
2.2. Der Redakteur/die Redakteurin arbeitet an
fünf Tagen in der Kalenderwoche.
2.3. Die Arbeitszeit des Redakteurs/der Redak-
teurin wird sowohl innerhalb wie auch au-
ßerhalb des Redaktionsgebäudes erbracht.
2.4. Die tägliche Arbeitszeit beträgt in der
Regel 7,7 Stunden (tägliche Regelarbeits-
zeit).
§ 3 Gleitzeit
3.1. Ab 01. Oktober 1989 gilt für alle Redak-
teure/innen die Gleitzeitregelung mit
Zeitausgleich nach Maßgabe der nachfolgen-
den Bestimmungen.
3.2. Die betriebliche Gesamtarbeitszeit inner-
halb des Redaktionsgebäudes ergibt sich
aus der Kernzeit zuzüglich der Gleitzeit
und der Eckzeiten. Diese Zeiten werden
jeweils für die einzelnen Ressorts
festgesetzt.
3.3. Gleitzeit ist der zeitliche Rahmen, inner-
halb dessen die Redakteure/innen ihre Ar-
beitsleistung im Redaktionsgebäude grund-
sätzlich frei bestimmen können.
3.4. Kernzeit ist die Zeit, während derer die
Redakteure/innen grundsätzlich zur Erbrin-
gung der Arbeitsleistung verpflichtet
sind.
3.5.1. Von der Einhaltung der Kernzeit kann im
Einvernehmen von Redakteur und Ressortlei-
tung/Chefredaktion abgesehen werden.
3.5.2. Arbeitszeitliche Anweisungen der Ressort-
leitung/Chefredaktion im Gleitzeitrahmen
sind zulässig, wenn der Produktionsablauf
im Ressort anders nicht sichergestellt
werden kann.
3.6.1. Eckzeiten sind die, während derer durch
Dienstplaneinteilung sichergestellt wird,
daß das Ressort auch außerhalb der Gleit-
zeit mit mindestens einem Redakteur/einer
Redakteurin besetzt ist.
3.6.2. Die Dienstplaneinteilung für die Eckzeiten
erfolgt monatlich im voraus, und zwar in
Abstimmung mit dem Betriebsrat insoweit,
als die grundsätzliche Gleichmäßigkeit der
Verteilung der Dienste betroffen ist
(unter Beachtung von § 7.1. S 1).
3.6.3. Die Ressortleitung/Chefredaktion kann von
der Einhaltung eingeteilter Eckzeiten ent-
binden.
3.6.4. Kernzeiten haben keine Verbindlichkeit für
die in Eckzeiten eingesetzten Redakteu-
re/innen.
§ 4 Lage der Arbeitszeit innerhalb des Redak-
tionsgebäudes
4.1. Als Grundsatz für Beginn und Ende der Ar-
beitszeit wird die Arbeitszeit des Redak-
teurs/der Redakteurin zugrunde gelegt, die
im Redaktionsgebäude zu verbringen ist.
4.2. Der Gleitzeitrahmen, die Kernarbeitszeit
und die Eckzeiten werden für die einzelnen
Ressorts wie folgt festgelegt:
Politik
Gleitzeit 11.00 - 20.30 Uhr
Kernzeit 14.15 - 19.15 Uhr
Eckzeit 22.00 Uhr
Lokales
Gleitzeit 10.30 - 19.30 Uhr
Kernzeit 13.30 - 18.30 Uhr
Eckzeit 22.00 Uhr
Wirtschaft
Gleitzeit 10.15 - 19.00 Uhr
Kernzeit 12.00 - 17.00 Uhr
Kultur
Gleitzeit 10.30 - 19.00 Uhr
Kernzeit 13.00 - 18.00 Uhr
TV-Journal
Gleitzeit 10.00 - 18.30 Uhr
Kernzeit 11.30 - 16.30 Uhr
Eckzeit 8.30 Uhr
Vermischtes/Niedersachsen
Gleitzeit 11.30 - 20.45 Uhr
Kernzeit 14.15 - 19.15 Uhr
Eckzeit 11.00 Uhr / 20.45 Uhr
Sport
Gleitzeit 11.30 - 20.30 Uhr
Kernzeit 13.00 - 18.00 Uhr
Eckzeiten 11.00 Uhr / 23.00 Uhr
Sport sonntags
Gleitzeit 13.00 - 20.00 Uhr
Eckzeiten 11.00 Uhr / 0.30 Uhr
Produktion
Gleitzeit 11.00 - 19.30 Uhr
Eckzeit 10.00 Uhr
Für den ressortübergreifenden Spätdienst
gilt abweichend eine Arbeitszeit bis
23.00 Uhr (ein Arbeitnehmer) und bis
0.30 Uhr (ein Arbeitnehmer).
4.3. Im Rahmen der Gleitzeitregelung wird die
wöchentliche tarifliche oder vertraglich
vereinbarte Arbeitszeit zwischen den o.g.
Arbeitszeiten abgeleistet. Ein Zeitaus-
gleich während der Kernarbeitszeit ist im
Einvernehmen von Redakteur/in und Ressort-
leitung/Chefredaktion zulässig.
4.4. § 4.1 und 4.2 finden dann keine Anwendung,
wenn innerhalb oder außerhalb des
Redaktionsgebäudes Termine außerhalb des
Gleitzeitrahmens wahrgenommen werden.
§ 5 Lage der Arbeitszeit außerhalb des Redak-
tionsgebäudes
5.1. Abweichend von § 4 Abs. 1 und 2 bestimmt
der Redakteur/die Redakteurin außerhalb
des Redaktionsgebäudes seine/ihre
Arbeitszeit nach den redaktionellen
Notwendigkeiten selbst, sofern er/sie
nicht von den Vorgesetzten mit der
Wahrnehmung bestimmter Termine beauftragt
ist. Kernzeit- und Gleitzeitregelung gemäß
§ 4 Abs. 1 und 2 gelten nicht. Die
Arbeitszeitregelung dieser
Betriebsvereinbarung für die Arbeitszeiten
innerhalb des Redaktionsgebäudes (§ 4 +
4.2) findet für diesen Tag keine
Anwendung, es sei denn, es handelt sich
lediglich um kurzzeitige Unterbrechungen
der im Redaktionsgebäude aufgenommenen und
beendeten Arbeit von insgesamt bis zu
2 Stunden.
5.2. Bei einer Beauftragung hat die Arbeitszeit
grundsätzlich zusammenhängend zu liegen.
Abweichungen von diesem Grundsatz sind nur
aus Tendenzgründen möglich.
§ 6 Soll- und Ist-Zeiten
6.1. Soll-Arbeitszeit ist die tarifliche Ar-
beitszeit. Abrechnungszeitraum ist der
Kalendermonat.
6.2. Ist-Zeit ist die Summe der geleisteten
Arbeitszeit.
Bezüglich der einzuhaltenden Pausen gilt
die AZO.
6.3. Eine Übertragung von Zeitguthaben und
Zeitschulden (Saldo) auf die nächsten Ab-
rechnungsperioden ist zulässig.
Zeitguthaben und Zeitschulden sollen je-
weils zum Schluß eines Kalendermonats das
Doppelte der täglichen Regelarbeitszeit im
Sinne des § 2.4. gegenüber der tariflichen
Soll-Arbeitszeit nicht überschreiten,
soweit sie nicht auf Mehrarbeit
zurückzuführen sind.
Ein höherer Saldo ist bis zum übernächsten
Monatsschluß auszugleichen. Dadurch werden
Vergütungsansprüche nicht berührt.
Bei Überschreitung des zulässigen Saldos
an Zeitguthaben ist der Betriebsrat über
die Abgeltung gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 MTV
zu informieren.
6.4. Für ein Zeitguthaben in Höhe der regelmä-
ßigen bzw. vereinbarten täglichen
Arbeitszeit ist nach Wahl des Mitarbeiters
nach Absprache mit der
Ressortleitung/Chefredaktion ein freier
Tag zu gewähren, es sei denn, dringende
betriebliche Belange stehen entgegen. Auch
die Ressortleitung/ Chefredaktion kann
einen Ausgleich durch freie Tage fordern,
wenn ansonsten Vergütungsansprüche
entstehen.
§ 7 Abweichungen
7.1. Aus tendenzbedingten Gründen kann von den
vorstehenden Festlegungen der Arbeitszeit
durch diese Betriebsvereinbarung im Ein-
zelfall abgewichen werden. Der Betriebsrat
soll über diese Abweichungen vorher
informiert werden. Soweit dies nicht
möglich ist, ist er nachträglich zu
informieren.
7.2. Wegen der Befugnis des Unternehmens, die
Arbeitszeitfestlegungen dieser Betriebs-
vereinbarung aus Tendenzgründen generell
zu ändern und wegen der etwaigen Beteili-
gung des Betriebsrates insoweit gilt die
gesetzliche Regelung."
Zum Zeitpunkt des Spruchs der Einigungsstelle fand im Betrieb des Arbeitgebers der Manteltarifvertrag für Redakteure an Tageszeitungen vom 21. Mai 1986 Anwendung, dessen § 7 Ziff. 1 Abs. 1 wie folgt lautet:
"Die Regelarbeitszeit des Redakteurs beträgt bis
zum 30.09.1986 40 Stunden, ab dem 01.10.1986
38,5 Stunden in der Woche. Überschreitet die zu-
gewiesene oder nachträglich anerkannte Tätigkeit
40 Stunden bzw. 38,5 Stunden in der Woche und er-
gibt sich bis zum Ablauf der folgenden zwei Ka-
lendermonate kein Zeitausgleich, so hat eine fi-
nanzielle Abgeltung zu erfolgen. Diese beträgt
für jede darüber hinaus geleistete Stunde bis zum
30.09.1986 - 1/133 und ab dem 01.10.1986 - 1/128
des vereinbarten Monatsgehalts."
Dieser Tarifvertrag wurde durch den neuen Manteltarifvertrag für Redakteure an Tageszeitungen vom 28. Mai 1990, der rückwirkend ab 1. November 1989 von den Tarifvertragsparteien in Kraft gesetzt wurde, abgelöst. Die Arbeitszeitregelung in § 7 dieses Manteltarifvertrages lautet jetzt:
"§ 7 Arbeitszeit
1. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des
Redakteurs/der Redakteurin beträgt
bis zum 30.04.1993 38,5 Stunden
ab 01.05.1993 37,5 Stunden
ab 01.05.1995 36,5 Stunden
ab 01.05.1998 35,0 Stunden
Überschreitet die zugewiesene oder nachträg-
lich anerkannte Tätigkeit des Redakteurs/der
Redakteurin die tarifvertraglich vorgeschrie-
bene Arbeitszeit einer Woche, so hat der Re-
dakteur/die Redakteurin Anspruch auf Zeitaus-
gleich möglichst innerhalb der folgenden zwei
Wochen. Danach erfolgt im Rahmen der betrieb-
lichen Möglichkeiten der Ausgleich vorrangig
in vollen Tagen, wenn der Anspruch des Redak-
teurs/der Redakteurin acht und mehr Stunden
beträgt. Wird dieser Zeitausgleich bis zum Ab-
lauf der folgenden zwei Kalendermonate nicht
gewährt, hat eine finanzielle Abgeltung zu er-
folgen. Diese beträgt für jede darüber hinaus
geleistete Stunde bis
zum 30.04.1993 1/128
ab dem 01.05.1993 1/125
ab dem 01.05.1995 1/122
ab dem 01.05.1998 1/117
des vereinbarten Monatsgehalts.
Eine Pauschalierung der finanziellen Abgeltung
ist unter folgenden Voraussetzungen zulässig:
a) sie ist jeweils gesondert im Anstellungs-
vertrag auszuweisen;
b) ihre Höhe muß mindestens der durchschnitt-
lichen monatlichen Vergütung im Wege der
Einzelabrechnung entsprechen.
Für Arbeitsverhältnisse, für die bis zum
31.05.1990 keine Pauschalierung vereinbart
worden war, ist eine solche Abgeltung nicht
zulässig.
2. Der Redakteur/die Redakteurin arbeitet an fünf
Tagen in der Kalenderwoche.
Im einzelnen gilt folgendes:
a) Die freien Tage sind nach Absprache mit
dem zuständigen Vorgesetzten/der
Vorgesetzten unter Abwägung der
persönlichen Belange des Redakteurs/der
Redakteurin zu nehmen. Dreimal im
Kalendermonat sind zwei freie Tage
zusammenhängend zu gewähren. Diese zusam-
menhängenden Tage müssen einmal einen
Samstag und Sonntag und einmal einen
Samstag oder Sonntag umfassen.
Sportredakteure/Sportredakteurinnen haben
abweichend von Satz 3 Anspruch auf neun
freie Wochenenden im Kalenderjahr (ohne
Anrechnung auf die Urlaubszeit).
b) Arbeitet der Redakteur/die Redakteurin an
einem gesetzlichen Feiertag, so ist
ihm/ihr dafür spätestens im folgenden
Kalendermonat ein freier Tag zu geben.
c) Sofern dem Redakteur/der Redakteurin aus
zwingenden betrieblichen Gründen ein
freier Tag nicht gewährt werden kann,
erhält er/sie als Ausgleich innerhalb der
nächsten drei Monate für jeden nicht
gewährten freien Tag einen anderen freien
Tag. Dabei ist Arbeit an Wochenenden durch
freie Tage an Wochenenden auszugleichen.
3. Durch Urlaub, Krankheit und gesetzliche Feier-
tage ausfallende Arbeitszeit gilt als gelei-
stet."
Der Arbeitgeber hat die Auffassung vertreten, der Spruch der Einigungsstelle sei insgesamt unwirksam. Die §§ 2.4., 6.3. und 6.4. des Einigungsstellenspruches seien mit § 7 des MTV vom 28. Mai 1990, der rückwirkend ab 1. November 1989 gelte, nicht mehr vereinbar. Dies habe auch der Betriebsrat im Schreiben vom 18. Juni 1990 eingeräumt und selbst vorgeschlagen, diese Bestimmungen des Spruches der Einigungsstelle tarifkonform zu gestalten. Im übrigen schließe § 7 MTV für Redakteure an Tageszeitungen vom 21. Mai 1986 ein Mitbestimmungsrecht aus. Für die Tätigkeit eines Redakteurs eines Zeitungsunternehmens lasse sich eine Regelung der täglichen Arbeitszeit vernünftigerweise nicht treffen. Deshalb hätten die Tarifvertragsparteien in § 7 MTV bewußt nur eine Regelung der Wochenarbeitszeit und nicht der täglichen Arbeitszeit getroffen. Zwischen den Tarifvertragsparteien habe auch Übereinstimmung darüber bestanden, daß dies eine abschließende Regelung sein solle. Darüber hinaus sei die Lage der Arbeitszeit der Redakteure entscheidend für die Aktualität der Berichterstattung. Dementsprechend sei für den vorliegenden Fall das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG durch die Bestimmung des § 118 Abs. 1 BetrVG ausgeschlossen, soweit es um betriebliche Regelungen der täglichen Arbeitszeit für Redakteure gehe. Zur Gewährleistung der Aktualität der Zeitung gehöre untrennbar die Möglichkeit, Redakteure im Rahmen der geltenden Arbeitszeitregelungen nach eigenen Vorstellungen einsetzen zu können. Durch die Festlegung von Gleit-, Kern- und Eckzeiten in den §§ 3 und 4 des Einigungsstellenspruchs werde die Entscheidungsfreiheit des Verlegers unzulässig eingeschränkt. So bleibe etwa die Bestimmung des Redaktionsschlusses als tendenzbezogene Vorgabe nicht mehr mitbestimmungsfrei.
Der Arbeitgeber hat beantragt
festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle
vom 21. September 1989 bezüglich der Arbeitszeit
für alle bei der Verlagsgesellschaft M GmbH
& Co. (H ) festangestellten
Redakteure rechtsunwirksam ist.
Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Zur Begründung hat er vorgetragen, ein Tarifvorrang bestehe nicht, da § 7 MTV keine Regelung über die Lage der Arbeitszeit enthalte. Die Kollision der Ziff. 6.3. und 6.4. des Spruchs der Einigungsstelle mit § 7 des neuen MTV führe nicht dazu, daß der gesamte Spruch der Einigungsstelle unwirksam sei. Der danach verbleibenden wirksamen restlichen Regelung stehe auch nicht § 118 Abs. 1 BetrVG entgegen. Diese Vorschrift schließe Beteiligungsrechte des Betriebsrats nur dann aus, wenn es sich um eine tendenzbezogene Maßnahme handele und die geistig-ideelle Zielsetzung des Unternehmens und deren Verwirklichung durch die Beteiligung des Betriebsrats verhindert oder jedenfalls ernstlich beeinträchtigt werden könne. Dies sei hier nicht der Fall, da die vom Arbeitgeber genannten tendenzbedingten Vorgaben den täglichen Arbeitszeiten zugrunde gelegt worden seien. Der Arbeitgeber habe den Redaktionsschluß für die einzelnen Ressorts (Politik, Lokales, Sport, Kultur u.a.) vorgegeben. Er habe entschieden, wann er die Redakteure in den einzelnen Redaktionen arbeiten lassen wolle und wie stark die Besetzung in den Eckzeiten sein solle. Darüber hinaus seien auch Abweichungsmöglichkeiten vom Kernzeit- und Gleitzeitrahmen zugelassen worden. Ferner sei dem Arbeitgeber in Ziff. 7 des Einigungsstellenspruches eingeräumt worden, aus Tendenzgründen generell Arbeitszeitfestlegungen zu ändern und im Einzelfall von Festlegungen der Betriebsvereinbarung abzuweichen. Der Arbeitgeber habe auch nicht vorgetragen, daß es bei der Anwendung der inzwischen zwei Jahre praktizierten Betriebsvereinbarung bisher zu Störungen gekommen sei.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Arbeitgebers abgewiesen. Auf die Beschwerde des Arbeitgebers hat das Landesarbeitsgericht die Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle festgestellt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung, während der Arbeitgeber um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist begründet. I. Arbeitgeber und Betriebsrat sind sich darin einig, daß die Regelungen des angefochtenen Spruchs in Ziff. 6.3. (Zeitausgleich bei Überschreitung der tarifvertraglich vorgeschriebenen Arbeitszeit) und in Ziff. 6.4. (Freie-Tage-Regelung) in Widerspruch stehen zu § 7 MTV vom 28. Mai 1990. Insoweit ist der Spruch der Einigungsstelle rechtsunwirksam geworden.
Die Unwirksamkeit dieses Teils des Spruchs der Einigungsstelle führt aber nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Spruchs. Der übrige Teil des Spruchs der Einigungsstelle enthält auch ohne die beiden unwirksamen Bestimmungen eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung (vgl. dazu BAGE 35, 205 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Vorschlagswesen; BAGE 51, 217, 224, 225 = AP Nr. 14 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, zu B II 1 der Gründe), denn in Ziff. 6.3. und 6.4. des Spruchs ist nur die Übertragung von Zeitguthaben geregelt, während die restliche Betriebsvereinbarung Normen über die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage und über die Lage der Arbeitszeit enthält. Eine solche Betriebsvereinbarung enthält auch ohne eine Bestimmung darüber, nach welchen Kriterien ein Zeitguthaben zu übertragen ist, eine sinnvolle und aus sich selbst heraus handhabbare Regelung.
II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, daß der übrige Teil des Spruchs aus anderen Gründen unwirksam sei.
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat grundsätzlich mitzubestimmen bei Regelungen über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen, sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage.
1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dieses Mitbestimmungsrecht werde vorliegend nicht durch § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG ausgeschlossen, da § 7 des Manteltarifvertrages für Redakteure und Redakteurinnen an Tageszeitungen keine abschließende Regelung über die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage und die Lage der Arbeitszeit enthalte.
In § 7 Abs. 1 MTV wird zunächst die Dauer der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit geregelt, die bis 30. April 1993 38,5 Stunden, ab 1. Mai 1993 37,5 Stunden, ab 1. Mai 1995 36,5 Stunden und ab 1. Mai 1998 35 Stunden beträgt. In § 7 Abs. 2 MTV ist festgelegt, daß der Redakteur/die Redakteurin an fünf Tagen in der Kalenderwoche arbeitet. Eine Regelung über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit enthält § 7 MTV ebensowenig wie eine Bestimmung darüber, wieviel Stunden an den fünf Tagen zu arbeiten ist. Darüber hinaus regelt der MTV, wie zu verfahren ist, wenn die tariflich vorgeschriebene Wochenarbeitszeit überschritten ist, regelt den Freizeitausgleich und die Abgeltung von Mehrarbeitsstunden. Enthält § 7 MTV aber keine Regelung über die Verteilung der wöchentlichen Arbeitsstunden auf die einzelnen Arbeitstage sowie die Lage der Arbeitszeit, bleibt hierfür der für die Ausübung eines Mitbestimmungsrechts erforderliche Regelungsspielraum bestehen (vgl. die entsprechenden Ausführungen des Senats für die insoweit vergleichbare Vorschrift des § 9 MTV für Redakteure an Zeitschriften i. d. F. vom 12. Mai 1987 im Beschluß vom 30. Januar 1990 - 1 ABR 101/88 - BAGE 64, 103, 110 = AP Nr. 44 zu § 118 BetrVG 1972, zu B II 2 der Gründe).
2.a) Der Einigungsstellenspruch ist auch nicht wegen Nichtbeachtung des Tendenzschutzes unwirksam (§ 118 Abs. 1 BetrVG). Nach § 118 Abs. 1 BetrVG findet das Betriebsverfassungsgesetz keine Anwendung auf Unternehmen und Betriebe, die unmittelbar und überwiegend Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung dienen, auf die Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Anwendung findet, soweit die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebes dem entgegensteht. Betriebe und Unternehmen dienen insbesondere der Berichterstattung oder Meinungsäußerung, wenn sie Zeitungen oder Zeitschriften herausgeben (vgl. Senatsbeschlüsse vom 1. September 1987 - 1 ABR 22/86 - und - 1 ABR 23/86 - BAGE 56, 71 und 56, 81 = AP Nr. 10 und Nr. 11 zu § 101 BetrVG 1972, beide m. w. N.; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 118 Rz 25, m. w. N.). Bei Redakteuren handelt es sich um sog. Tendenzträger (Beschluß vom 8. Mai 1990 - 1 ABR 33/89 - AP Nr. 46 zu § 118 BetrVG 1972, zu B II 1 der Gründe, m. w. N.).
b) § 118 Abs. 1 BetrVG steht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit der Redakteure nicht grundsätzlich entgegen.
Bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, daß die Bestimmungen des BetrVG nur insoweit keine Anwendung finden, als die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebes dem entgegensteht, ergibt sich, daß § 118 Abs. 1 BetrVG die Ausnahme von der Regel ist, daß der Betriebsrat nach den Vorschriften des BetrVG zu beteiligen ist. Zutreffend verweisen Weiss/Weyand in ihrem Gutachten (S. 3 f.) ergänzend darauf, daß § 118 Abs. 1 BetrVG gegenüber den Vorgängerbestimmungen des § 67 BRG 1920 und § 81 Abs. 1 BetrVG 1952 den Tendenzschutz einschränkt, obwohl die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats im BetrVG 1972 erweitert worden sind. Der Gesetzgeber hat die Erweiterung der Mitbestimmungsrechte für nicht tendenzschädlich gehalten. Dementsprechend heißt es im Ausschußbericht, für eine Einschränkung der Rechte des Betriebsrats im Tendenzbereich bestehe "keinerlei Anlaß" (zu BT-Drucks. VI/2729, S. 17). Eine Einschränkung gegenüber den Tendenzschutzbestimmungen im BRG 1920 und BetrVG 1952 enthält § 118 Abs. 1 BetrVG insoweit, als die zu ausufernden Interpretationen einladende Passage "und ähnliche Bestimmungen" ersatzlos gestrichen ist, so daß § 118 Abs. 1 BetrVG 1972 nur noch eine abschließende Anzahl von Tendenzzwecken schützt. Eine weitere Restriktion gegenüber den Vorgängerbestimmungen ergibt sich daraus, daß nach § 118 Abs. 1 BetrVG die angesprochenen Unternehmen und Betriebe "unmittelbar und überwiegend" den im Gesetz genannten Zweckbestimmungen dienen müssen. Dementsprechend hat auch der zuständige Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung ausgeführt, bei § 118 Abs. 1 BetrVG 1972 handele es sich um eine Ausnahmevorschrift (zu BT-Drucks. VI/2729, S. 17). Was das Verhältnis von Tendenzschutz und Mitbestimmung im Bereich des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG angeht, so hat der Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung ausgeführt, die Vorschrift sei als Versuch zu begreifen, "eine ausgewogene Regelung zwischen dem Sozialstaatsprinzip und den Freiheitsrechten" zu finden (zu BT-Drucks. VI/2729, S. 17).
Allein die Tatsache, daß es sich bei § 118 Abs. 1 BetrVG um eine Ausnahmevorschrift handelt, hat jedoch nicht zur Folge, daß die Tendenzschutzbestimmungen des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG restriktiv auszulegen sind. Vielmehr ist, worauf Dütz in seinem Gutachten (S. 9 f.) zu Recht hingewiesen hat, die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu beachten.
Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluß vom 6. November 1979 (- 1 BvR 81/76 - AP Nr. 14 zu § 118 BetrVG 1972), mit dem es die Verfassungsbeschwerde gegen das Senatsurteil vom 7. November 1975 (- 1 AZR 282/74 - AP Nr. 4 zu § 118 BetrVG 1972) zurückgewiesen hat, zum Verhältnis von Pressefreiheit, Tendenzschutz nach § 118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG und den Beteiligungsrechten des Betriebsrats grundsätzlich Stellung genommen. Das Bundesarbeitsgericht hatte in dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteil (aa0) entschieden, der Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG stehe § 118 Abs. 1 BetrVG auch dann nicht entgegen, wenn die Kündigung eines Tendenzträgers aus tendenzbedingten Gründen erfolge. Gegen die tendenzbedingten Motive der beabsichtigten Kündigung könne der Betriebsrat allerdings Bedenken nur insoweit erheben, als auch soziale Gesichtspunkte in Betracht kämen. In seiner Begründung der die Verfassungsbeschwerde zurückweisenden Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, § 118 Abs. 1 BetrVG schränke die Pressefreiheit nicht ein, sondern schirme sie gerade - im Rahmen der Reichweite der Norm - vor einer Beeinträchtigung durch betriebliche Mitbestimmungsrechte ab. Da Normen, die die Pressefreiheit der Verleger beschränken, nicht aufzuweisen seien, könnten insoweit das Sozialstaatsprinzip und Grundrechte der Arbeitnehmer in ihrer Bedeutung für die Auslegung grundrechtsbegrenzender Regelungen keine Rolle spielen. In seinen weiteren Ausführungen kommt das Bundesverfassungsgericht dann zu dem Ergebnis, das Sozialstaatsprinzip sei zwar auch für die Auslegung grundrechtsausgestaltender Regelungen heranzuziehen; nur dürfe eine solche Auslegung - bei aller Unsicherheit der Grenzziehung - nicht in eine Beschränkung des Grundrechts umschlagen. Entscheidend sei daher allein, ob die Auslegung des § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu einer Beschränkung der Pressefreiheit führe. Dies verneint das Bundesverfassungsgericht mit der Begründung, die Pflicht zur Information des Betriebsrats über tendenzbezogene Kündigungsgründe wirke sich nicht auf die Verwirklichung der Tendenz einer Zeitung aus. Die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich geschützte Tendenzautonomie befreie weder schlechthin von der Beachtung gesetzlicher Vorschriften noch von der angemessenen Berücksichtigung der sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmer. Diesen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts ist zu entnehmen, daß die Auslegung des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG nicht zu einer Einschränkung der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich geschützten Pressefreiheit führen darf.
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats wird durch § 118 Abs. 1 BetrVG aber nicht schon dann ausgeschlossen, wenn es sich um eine tendenzbezogene Maßnahme handelt. Vielmehr ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, daß die Beteiligungsrechte des Betriebsrats durch § 118 Abs. 1 BetrVG nur dann ausgeschlossen werden, wenn es sich um eine tendenzbezogene Maßnahme handelt und die geistig-ideelle Zielsetzung des Unternehmens und deren Verwirklichung durch die Beteiligung des Betriebsrats verhindert oder jedenfalls ernstlich beeinträchtigt werden kann.
c) Dementsprechend reicht die Tatsache, daß es sich bei dem Betrieb des Arbeitgebers um einen Tendenzbetrieb handelt und die Redakteure Tendenzträger sind, wie auch das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, für den Ausschluß des Beteiligungsrechts des Betriebsrats nicht aus. Die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs steht der Ausübung der Beteiligungsrechte nicht bei allen Maßnahmen gegenüber Tendenzträgern entgegen. Durch die Vorschrift des § 118 Abs. 1 BetrVG soll das Grundrecht der Pressefreiheit des Verlegers geschützt werden. Die Pressefreiheit des Verlegers und damit auch seine Freiheit, die Tendenz seiner Zeitschrift festzulegen, beizubehalten, zu ändern und diese Tendenz zu verwirklichen, soll vor einer Beeinträchtigung durch betriebliche Mitbestimmungsrechte abgeschirmt werden. Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats in Presseunternehmen müssen daher nur insoweit zurücktreten, wie durch ihre Ausübung die Freiheit des Verlegers zur Tendenzbestimmung und Tendenzverwirklichung ernsthaft beeinträchtigt und damit das Grundrecht der Pressefreiheit verletzt werden kann (Senatsbeschlüsse vom 30. Januar 1990 - 1 ABR 101/88 - BAGE 64, 103 = AP Nr. 44 zu § 118 BetrVG 1972 und vom 8. Mai 1990 - 1 ABR 33/89 - AP Nr. 46 zu § 118 BetrVG 1972, beide mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur). Da es zunächst um den wertneutralen Arbeitsablauf des Betriebes geht, kommt eine Einschränkung der Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten nur in Ausnahmefällen in Betracht (Beschluß des Senats vom 6. November 1990 - 1 ABR 88/89 -, zu II 1 a der Gründe, m. w. N., EzA § 87 BetrVG 1972 Nr. 15, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 118 Rz 108, 127; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 118 Rz 62). Dementsprechend hat der Senat im Beschluß vom 22. Mai 1979 (- 1 ABR 100/77 - AP Nr. 13 zu § 118 BetrVG 1972) in einem Falle, in dem der Arbeitgeber wegen der beabsichtigten Erweiterung einer Zeitschrift um zwei aktuelle Farbseiten auch für Redakteure vorübergehend Sonntagsarbeit anordnete, ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bejaht. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, aus der Tatsache, daß Redakteure eines Zeitschriftenverlages sogenannte Tendenzträger seien, folge nicht, daß jede ihre Arbeitszeit betreffende Anordnung des Arbeitgebers eine tendenzbezogene und deshalb mitbestimmungsfreie Maßnahme sei. Gehe es nur darum, den Einsatz der Redakteure dem technisch-organisatorischen Ablauf des Herstellungsprozesses der Zeitschrift anzupassen, ohne daß dabei besondere tendenzbedingte Gründe, wie etwa die Aktualität der Berichterstattung, eine Rolle spielen, müsse wegen der Eigenart eines Presseunternehmens das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht zurücktreten. Auch hat der Senat im Beschluß vom 13. Juni 1989 (- 1 ABR 15/88 - AP Nr. 36 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit) entschieden, der Betriebsrat habe in einer Privatschule nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG bei der Festlegung der Höchstgrenze für Vertretungsstunden gegenüber vollbeschäftigten Lehrern mitzubestimmen. Nach dem Beschluß vom 30. Januar 1990 (- 1 ABR 101/88 -, aa0), wird die Aktualität der Berichterstattung zumindest dann nicht beeinträchtigt, wenn der Betriebsrat bei der Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit der Redakteure auf die einzelnen Wochentage, nicht aber bei der Festlegung des Beginns und des Endes der Arbeitszeit mitbestimmt. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, bei einer solchen Regelung könne der Arbeitgeber den Redaktionsschluß und alle anderen Maßnahmen, die zur Tendenzverwirklichung erforderlich sind, allein bestimmen. Dazu gehöre beispielsweise, daß der Arbeitgeber ohne Mitbestimmung des Betriebsrats einen Redakteur anweisen könne, einen Beitrag bis zum Redaktionsschluß noch fertigzustellen und Recherchen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt einzuholen.
Das Landesarbeitsgericht hat sich auf die in der Entscheidung des Senats vom 30. Januar 1990 dargelegten Ausführungen zur Abgrenzung des Mitbestimmungsrechts bei der Arbeitszeit von Redakteuren gestützt und u. a. ausgeführt, der Spruch der Einigungsstelle bestimme konkret den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit der Redakteure und nehme dem Verleger damit die Befugnis, darüber einseitig zu befinden. Die von der Einigungsstelle festgelegte Gleitzeitregelung erlaube es den Redakteuren, ihre Arbeitsleistung im Redaktionsgebäude im zeitlichen Rahmen der Gleitzeit frei zu bestimmen. Dies beeinträchtige die Tendenzverwirklichung des Verlegers einer Tageszeitung ernsthaft. Die Gleitzeitregelung habe nämlich zum einen unmittelbare Auswirkungen auf die Festlegung des Redaktionsschlusses und damit auch auf die Aktualität einer Zeitung. Es müsse dem Verleger überlassen bleiben, diese durch Verlegung des Redaktionsschlusses zu erhöhen. Zum anderen hindere der Einigungsstellenspruch den Verleger daran, die Arbeitszeit von einzelnen oder von Gruppen von Redakteuren anders als in der Regelung vorgesehen, festzulegen, sie jederzeit für die aktuelle Berichterstattung einzusetzen und z. B. ganz bestimmte Themen durch von ihm dafür für geeignet gehaltene Mitarbeiter bearbeiten und recherchieren zu lassen.
d) Zutreffend ist der Ausgangspunkt der Ausführungen des Landesarbeitsgerichts. Die Mitbestimmung bei der Regelung der Arbeitszeiten von Tendenzträgern kann der Eigenart des Unternehmens oder des Betriebes entgegenstehen. Dies gilt insbesondere für die Arbeitszeitgestaltung von Redakteuren, die ein Zeitungsverlag für eine aktuelle Berichterstattung jederzeit einsetzen können muß (vgl. außer der Entscheidung des Senats vom 30. Januar 1990, aaO, auch die Entscheidung des Senats vom 6. November 1990 - 1 ABR 88/89 -, zu II 1 a der Gründe, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde gehört die Aktualität der Berichterstattung zu den tendenzbedingten Gründen, die eine Einschränkung des Mitbestimmungsrechts bei Arbeitszeitfestlegungen von Redakteuren rechtfertigen können. Wie der unterschiedliche Charakter von Tages-, Wochen- und Monatszeitungen bzw. -zeitschriften, aber auch von Boulevardzeitungen und anspruchsvolleren Tageszeitungen sowie lokalen und überregionalen Zeitungsausgaben zeigt, wird die inhaltliche, sprachliche und optische Gestaltung eines Presseerzeugnisses maßgeblich durch seine Erscheinungsweise und seine Aktualität bestimmt. Dies ist auch im Schrifttum unbestritten (vgl. Weiss/Weyand, AuR 1990, 33, 42, m. w. N. in Fußn. 84). Daraus ergibt sich, daß es dem Verleger vorbehalten bleiben muß, solche für die Arbeitszeit der Redakteure erheblichen Entscheidungen unbeeinflußt vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu treffen, durch die die Aktualität der Berichterstattung berührt wird. Zur Tendenzautonomie gehören beispielsweise die Festlegung der Redaktionszeiten, die Zeitvorgaben für den Redaktionsschluß, Lage und Umfang von Redaktionskonferenzen, die Entscheidung über die regelmäßige Wochenendarbeit und die Entscheidung, daß ein Redakteur bzw. eine Gruppe von Redakteuren eine bestimmte Arbeitszeit haben, damit die Gestaltung einzelner Themen gewährleistet bleibt (vgl. Weiss/Weyand, AuR 1990, 33, 42, m. w. N. aus dem Schrifttum).
e) Das Landesarbeitsgericht hat aber nicht hinreichend berücksichtigt, daß ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verbleibt, soweit im Rahmen der tendenzbezogenen Zeitvorgaben die Arbeitszeiten technisch-organisatorisch umgesetzt werden, d. h. die wöchentliche Arbeitszeit auf die mitbestimmungsfrei festgelegte Redaktionszeit verteilt wird (vgl. dazu Weiss/Weyand, aaO und Plander, Die Lage der Arbeitszeit von Zeitungsredakteuren als Mitbestimmungsproblem, AuR 1991, 353 ff.). Im Rahmen der Zeitvorgaben kann die Arbeitszeit der Redakteure etwa durch Dienst- und Schichtpläne oder wie vorliegend durch die Einrichtung von Gleit- und Kernarbeitszeiten umgesetzt werden (zur Mitbestimmungspflichtigkeit der Einführung der gleitenden Arbeitszeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG vgl. Beschlüsse des Senats vom 18. April 1989 - 1 ABR 3/88 - AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit und vom 7. August 1990 - 1 ABR 58/89 - AP Nr. 10 zu Art. 56 ZA-Nato-Truppenstatut).
aa) Das Landesarbeitsgericht hat nicht beachtet, daß die Aktualität der Berichterstattung ihre Grenzen findet in den unternehmerischen Vorgaben und deren organisatorisch-technischer Umsetzung im Betrieb: Entscheidet der Arbeitgeber, daß die Zeitung zu einem bestimmten Zeitpunkt die Haushalte erreichen soll, muß zu einem bestimmten Zeitpunkt davor der Druckvorgang abgeschlossen sein. Von der Organisation und den Zeitabläufen der Fertigstellung der Zeitung ist der Redaktionsschluß für die einzelnen Sparten abhängig, ebenso hängt von ihr die Möglichkeit ab, noch einen Beitrag in die Zeitung aufzunehmen. Unstreitig hat aber die Einigungsstelle alle verlegerischen Zeitvorgaben den Festlegungen der Gleit-, Kern- und Eckzeiten zugrunde gelegt. Nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts, auf die das Landesarbeitsgericht (S. 11) Bezug genommen hat, sind als verlegerische Zeitvorgaben der Erscheinungstermin, der Redaktionsschluß, die Regelung der "Überwochenendarbeit" und die zeitliche Lage und der Umfang der Redaktionskonferenzen hingenommen worden. In diesem Zusammenhang rügt der Betriebsrat mit der Rechtsbeschwerde zu Recht, das Landesarbeitsgericht habe sein unwidersprochen gebliebenes Vorbringen nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt, daß die Einigungsstelle ihrem Spruch auch die vom Arbeitgeber angegebenen "Eckzeiten" zugrunde gelegt hat. Damit ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht ersichtlich, daß der Spruch der Einigungsstelle gegen vom Arbeitgeber mitbestimmungsfrei getroffene tendenzbezogene Arbeitszeitvorgaben verstößt.
bb) Zu berücksichtigen sind insoweit auch die besonderen Bestimmungen des Einigungsstellenspruchs, mit denen weiteren Flexibilitätsanforderungen der Redaktion Rechnung getragen worden ist. So bestehen Abweichungsmöglichkeiten bezüglich der Einhaltung der Kernzeit (Ziff. 3.5.1.). Ferner sind zur Sicherstellung des Produktionsablaufs arbeitszeitliche Anweisungen im Gleitzeitrahmen zulässig (Ziff. 3.5.2., 5.1., 5.2.).
cc) Außerdem hat die Einigungsstelle mit Ziff. 7.1. des Spruchs auf die Tendenzautonomie zusätzlich in besonderer Weise Rücksicht genommen. Nach Ziff. 7.1. des Einigungsstellenspruchs kann von den im Spruch enthaltenen Festlegungen der Arbeitszeit "im Einzelfall" aus tendenzbedingten Gründen abgewichen werden. Damit wird die Freiheit zur Tendenzverwirklichung auch in den Fällen gewährleistet, in denen sie theoretisch an den im Einigungsstellenspruch getroffenen Arbeitszeitfestlegungen scheitern könnte (vgl. Plander, aaO, S. 358).
Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist Ziff. 7.1. des Einigungsstellenspruchs nicht zu unbestimmt. Es dürfte kaum möglich sein, alle in Betracht kommenden "tendenzbedingten Gründe" erschöpfend im einzelnen in einen Spruch aufzunehmen. Was zu den tendenzbedingten Gründen gehört, die den Arbeitgeber zu einem Abweichen von den Vorgaben berechtigen, ergibt sich im einzelnen aus der Rechtsprechung zum Tendenzschutz im Pressebereich. So hat es der Senat z. B. auch für ausreichend bestimmt gehalten, wenn in einem Beschlußverfahren über Tendenzschutzfragen im Antrag die in Betracht kommenden Personen lediglich als "Tendenzträger" bezeichnet werden, wenn diese entsprechend dem Anlaß des Verfahrens näher individualisiert werden können (vgl. Beschluß vom 6. Dezember 1988 - 1 ABR 42/87 -, n. v.).
dd) Auch Ziff. 7.2. des Einigungsstellenspruchs ist nicht rechtsunwirksam. Die Einigungsstelle verweist wegen der Befugnis, die Arbeitszeitfestlegungen "dieser Betriebsvereinbarung" generell zu ändern und wegen der etwaigen Beteiligung des Betriebsrats auf die gesetzliche Regelung. Damit ist insoweit nicht selbst eine Regelung i. S. einer inhaltlichen Gestaltung des Verhältnisses zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber getroffen worden. Trifft ein Einigungsstellenspruch keine eigene Regelung, indem er nur auf die gesetzliche Regelung verweist, hat er lediglich deklaratorischen Charakter und entfaltet keine Rechtswirkungen (vgl. dazu Kraft/Raab, Anm. zum Beschluß des Senats vom 18. April 1989 - 1 ABR 2/88 - AP Nr. 34 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu III).
Da der Einigungsstellenspruch mit Ausnahme der Ziff. 6.3. und 6.4. rechtswirksam ist, war auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats der Beschluß des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts zurückzuweisen.
Dr. Kissel Dr. Weller Matthes
Bayer H. Paschen
Fundstellen
Haufe-Index 436859 |
BAGE 69, 187-204 (LT1) |
BAGE, 187 |
BB 1992, 1135 |
BB 1992, 1135-1137 (LT1) |
DB 1992, 1143-1145 (LT1) |
BetrVG EnnR BetrVG § 87 Abs 1, Nr 2 (10) (LT1) |
JR 1992, 352 |
JR 1992, 352 (S) |
NZA 1992, 512 |
NZA 1992, 512-515 (LT1) |
SAE 1992, 374-380 (LT1) |
AP § 118 BetrVG 1972 (LT1), Nr 49 |
AR-Blattei, ES 1570 Nr 48 (LT1) |
AfP 1992, 188-192 (ST) |
EzA § 118 BetrVG 1972, Nr 59 (LT1) |
JuS 1992, 890 (LT1) |
MDR 1992, 683-684 (LT1) |