Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Arbeitgeber ist nach § 99 Abs 1 BetrVG nicht verpflichtet, dem Betriebsrat Auskunft über den Inhalt des Arbeitsvertrages des einzustellenden Arbeitnehmers zu geben, soweit es sich nicht um Vereinbarungen über Art und Dauer der vorgesehenen Beschäftigung und die beabsichtigte Eingruppierung handelt. Der Arbeitsvertrag gehört nicht zu den vorzulegenden Bewerbungsunterlagen.
2. Beantragt der Arbeitgeber die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer geplanten personellen Maßnahme und stellt sich im Laufe des Verfahrens heraus, daß die Zustimmung des Betriebsrats mangels rechtzeitiger oder beachtlicher Zustimmungsverweigerung schon als erteilt gilt, so hat das Gericht auch ohne einen ausdrücklich darauf gerichteten Antrag des Arbeitgebers dahin zu entscheiden, daß die Zustimmung des Betriebsrats als erteilt gilt (Fortführung der Entscheidung des Senats vom 28. Januar 1986 - 1 ABR 10/84 - BAGE 51, 42 = AP Nr 34 zu § 99 BetrVG 1972).
Orientierungssatz
Soweit der Senat in seinen Entscheidungen vom 6. April 1973 - 1 ABR 13/72 = AP Nr 1 zu § 99 BetrVG 1972 und vom 6. Juni 1978 - 1 ABR 66/75 = AP Nr 6 zu § 99 BetrVG 1972 die Auskunftsrechte des Betriebsrats nach § 99 Abs 1 BetrVG auch im Hinblick auf die allgemeinen Aufgaben des Betriebsrats bestimmt hat, hält der Senat daran nicht fest.
Normenkette
ZPO § 308; BetrVG §§ 99, 80, 101
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 11.12.1986; Aktenzeichen 7 TaBV 4/86) |
ArbG Mannheim (Entscheidung vom 20.12.1985; Aktenzeichen 2 BV 25/85) |
Gründe
A. Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren um die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung des Kraftfahrzeugmechanikermeisters H.
Der Arbeitgeber - der Technische Überwachungsverein B e.V. - teilte am 26. August 1985 dem Betriebsrat der Hauptverwaltung und Dienststelle M mit, daß er den 54jährigen Kraftfahrzeugmechanikermeister H. zum 1. Oktober 1985 unbefristet als Prüfer einstellen wolle. Dieser wurde bereits seit dem 1. Juni 1984 aufgrund mehrfach verlängerter befristeter Arbeitsverhältnisse als Prüfer bei der Dienststelle M, Prüfstelle B, beschäftigt. Das letzte befristete Arbeitsverhältnis lief zum 30. September 1985 aus. H. war zuvor 20 Jahre Zeitsoldat bei der Bundeswehr und bezog aus diesem Rechtsverhältnis eine Pension.
Der vom Arbeitgeber anläßlich der Mitteilung vom 26. August 1985 verwendete formularmäßige Mitteilungsbogen enthielt Angaben über die fachliche Vorbildung des H., den vorgesehenen Arbeitsplatz und die zu übertragenden Tätigkeiten sowie über die vorgesehene Eingruppierung. Weiter heißt es in diesem Mitteilungsbogen:
"Weitere Vereinbarungen über die Vergütung sind
nicht getroffen.
Auswirkung der Einstellung: Keine Kündigung oder
sonstige Nachteile für im Betrieb beschäftigte
Mitarbeiter(innen).
Vorgelegte Bewerbung dieses Arbeitnehmers ist
beigefügt. Mitbewerber(innen) sind nicht vorhan-
den."
Der Betriebsrat verlangte noch am gleichen Tage, daß ihm die einzelnen Vertragsmodalitäten mitgeteilt würden. Der Arbeitgeber schrieb daher am 9. September 1985 an den Betriebsrat wie folgt:
"Auf Ihr Schreiben vom 26.08.1985 teilen wir Ihnen
mit, daß wir die arbeitsvertraglichen Bedingungen
analog den Regelungen des MTV gestalten wollen.
Als Pensionär unterliegt Herr H. gemäß § 1 Nr. 3 c
MTV nicht dem Manteltarifvertrag. Aus Gleichbehand-
lungsgründen halten wir jedoch eine einzelvertrag-
liche Vereinbarung des MTV für gerechtfertigt und
sinnvoll.
Eine Aufnahme von Herrn H. in unsere betriebliche
Altersversorgung kommt nicht in Betracht und wird
vertraglich ausgeschlossen. Herr H. wurde davon
informiert und ist damit einverstanden.
Wir gehen davon aus, daß Sie Ihrem Wunsch entspre-
chend informiert sind und bitten um Ihre Zustimmung
auf beiliegender Einstellungsmitteilung."
Noch am 9. September 1985 antwortete der Betriebsrat wie folgt:
"Mit Schreiben vom 26.08.1985 hatten wir Ihnen mit-
geteilt, daß es für uns besonders wichtig ist, die
Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses genau zu ken-
nen. Wir gingen dabei davon aus, daß Sie uns in die-
sem Fall das unterschriftsreife Einstellungsschrei-
ben oder den Einstellungsvertrag vorlegen würden.
Ihr Antwortschreiben vom 09.09.1985 ist deshalb in
keinem Fall ausreichend. Zu einer vollständigen Un-
terrichtung gehört nicht nur die Aussage, daß eine
betriebliche Altersversorgung vertraglich ausge-
schlossen sei, es ergeben sich hier noch eine Menge
zusätzlicher Fragen, die nur durch die Vorlage der
genannten Unterlagen beantwortet werden können. Z.B.
stellt sich die Frage, in welchem Umfang Herr H. die
Unterstützungseinrichtung GmbH in Anspruch nehmen
kann, da Herr H. als Pensionär Ansprüche anderer-
seits geltend machen kann. Auch die Frage der Lohn-
fortzahlung bei Krankheit ist in diesem Fall nicht
ohne weiteres durch die Anwendung des MTV geregelt.
Weitere Punkte wären die Frage, ob für Herrn H. eine
Unfallversicherung abgeschlossen ist, ferner die Fra-
ge, wie im Falle eines Betriebsunfalles bei Herrn H.
verfahren würde.
Alle diese Fragen, die keinen Anspruch auf Vollstän-
digkeit erheben, können durch das Einstellungsschrei-
ben oder den Einstellungsvertrag beantwortet werden.
Solange uns die geforderte Unterlage nicht vorliegt,
müssen wir der vorgesehenen personellen Einzelmaßnah-
me widersprechen, da sie mangels ausreichender Infor-
mation gegen ein Gesetz verstoßen würde."
Der Arbeitgeber beantragte daraufhin am 16. September 1985 beim Arbeitsgericht,
die Zustimmung des Betriebsrats ... zur Ein-
stellung des H. als amtlich anerkannter Prü-
fer in der Dienststelle M , Prüfstelle
B , ... zu ersetzen.
Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er hat geltend gemacht, er sei vom Arbeitgeber nicht ausreichend unterrichtet worden. Er müsse befürchten, daß der Arbeitgeber Sondervereinbarungen mit H. getroffen habe, die zu Lasten anderer Beschäftigter gingen. Auch sei nicht einzusehen, daß ein Pensionär eingestellt werde, während gleichzeitig junge Ingenieure arbeitslos bleiben müßten bzw. im Betrieb des Arbeitgebers nur befristet beschäftigt werden könnten.
Das Arbeitsgericht hat die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung des H. ersetzt. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Abweisungsantrag weiter.
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist nicht begründet. Auf den Antrag des Arbeitgebers war jedoch nicht die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung des H. zu ersetzen, vielmehr festzustellen, daß die Zustimmung des Betriebsrats (bereits) als erteilt gilt.
I. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat am 26. August 1985 über die geplante Einstellung des H. unterrichtet und um dessen Zustimmung gebeten. Innerhalb einer Woche, d.h. bis zum 2. September 1985, hat der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung nicht schriftlich unter Angabe von Gründen verweigert. Seine Zustimmung gilt daher nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt.
1. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Landesarbeitsgerichts, daß die Frist des § 99 Abs. 3 BetrVG nur zu laufen beginnt, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat zuvor ordnungsgemäß über die geplante personelle Maßnahme unterrichtet hat. Das entspricht der Entscheidung des Senats vom 28. Januar 1986 (BAGE 51, 42 = AP Nr. 34 zu § 99 BetrVG 1972).
a) Im vorliegenden Falle hat der Arbeitgeber den Betriebsrat ausreichend und ordnungsgemäß am 26. August 1985 unterrichtet. Die Mitteilung des Arbeitgebers gibt Auskunft über die Person des H., den vorgesehenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung sowie über die Auswirkungen der geplanten Einstellung, indem sie darauf verweist, daß Kündigungen oder sonstige Nachteile für im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer nicht zu erwarten sind. Die Bewerbungsunterlagen des H. waren beigefügt und dem Betriebsrat wurde mitgeteilt, daß Mitbewerber nicht vorhanden sind.
b) Über den Inhalt des Arbeitsvertrages im einzelnen - abgesehen von der vorgesehenen Eingruppierung - braucht der Arbeitgeber den Betriebsrat anläßlich einer Einstellung nicht zu unterrichten. Gegenstand der Beteiligung des Betriebsrats bei einer Einstellung ist die Beschäftigung des einzustellenden Arbeitnehmers, seine Hereinnahme in den Betrieb, nicht aber der Abschluß des Arbeitsvertrages und dessen Inhalt. Auch soweit der Betriebsrat bei einer Einstellung darüber zu wachen hat, daß die Einstellung nicht gegen ein Gesetz oder gegen eine sonstige in § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG genannte Rechtsvorschrift verstößt, geht es nur darum, ob die vorgesehene Einstellung, d.h. die Beschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb, gegen eine Rechtsvorschrift verstößt, nicht aber darum, ob einzelne Bestimmungen des Arbeitsvertrages einen Rechtsverstoß beinhalten. Der Senat hat daher in seiner Entscheidung vom 16. Juli 1985 (BAGE 49, 180 = AP Nr. 21 zu § 99 BetrVG 1972) auch ausgesprochen, daß der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung eines Arbeitnehmers nicht mit der Begründung verweigern könne, die vertraglich vorgesehene Befristung des Arbeitsverhältnisses sei unzulässig.
c) Nähere Einzelheiten über den Inhalt des mit H. abzuschließenden Arbeitsvertrages waren dem Betriebsrat auch nicht deswegen mitzuteilen, um ihm die Prüfung zu ermöglichen, ob ein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur Einstellung im Sinne von § 99 Abs. 2 BetrVG gegeben ist. Richtig ist, daß die Unterrichtung des Betriebsrats durch den Arbeitgeber Voraussetzung dafür ist, daß dieser seine Rechte nach § 99 Abs. 2 BetrVG wahrnehmen kann (BAGE 51, 42 = AP Nr. 34 zu § 99 BetrVG 1972). Daraus folgt, daß die Unterrichtung des Arbeitgebers sich auf diejenigen tatsächlichen Umstände erstrecken muß, die die Prüfung eines Zustimmungsverweigerungsgrundes ermöglichen. Mit dem einzustellenden Arbeitnehmer vereinbarte Vertragsbedingungen können im Hinblick auf die möglichen Zustimmungsverweigerungsgründe jedoch nur insoweit von Bedeutung sein, als sie den vorgesehenen Einsatz des Arbeitnehmers, seine Tätigkeit im Betrieb, betreffen. Nur aus dieser Tätigkeit können sich Nachteile für die im Betrieb schon beschäftigten Arbeitnehmer ergeben, nicht aber aus möglicherweise ungewöhnlichen oder gar unzulässigen Vereinbarungen im Arbeitsvertrag. Auch der einzustellende Arbeitnehmer wird durch die Einstellung, d.h. durch die von ihm gewünschte Beschäftigung im Betrieb, nicht benachteiligt, auch wenn Vereinbarungen im Arbeitsvertrag für ihn ungünstig sind.
d) Dem steht nicht entgegen, daß der Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auch die Aufgabe hat, darüber zu wachen, daß die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden und er zur Durchführung dieser Aufgabe vom Arbeitgeber gegebenenfalls auch über einzelne Vereinbarungen in den Arbeitsverträgen der Arbeitnehmer zu unterrichten ist. Eine allein nach § 80 Abs. 2 BetrVG vom Arbeitgeber geschuldete Unterrichtung des Betriebsrats steht jedoch in keinem Zusammenhang mit der Beteiligung des Betriebsrats an einer Einstellung und mit den dagegen vom Betriebsrat vorzubringenden Zustimmungsverweigerungsgründen. Der Zeitpunkt der Unterrichtung des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 BetrVG ist daher auch für den Lauf der Frist, innerhalb derer der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung eines Arbeitnehmers verweigern kann, ohne Bedeutung. Soweit der Senat in seinen Entscheidungen vom 6. April 1973 und 6. Juni 1978 (- 1 ABR 13/72 - AP Nr. 1 zu § 99 BetrVG 1972 und - 1 ABR 66/75 - AP Nr. 6 zu § 99 BetrVG 1972) die Auskunftsrechte des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG auch im Hinblick auf die allgemeinen Aufgaben des Betriebsrats bestimmt hat, hält der Senat daran nicht fest.
e) Die Unterrichtung des Betriebsrats in der Mitteilung vom 26. August 1985 war auch nicht deswegen unvollständig, weil sie hinsichtlich der Auswirkungen der geplanten Einstellung des H. lediglich die Aussage enthielt, daß für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer keine Kündigungen oder sonstigen Nachteile zu erwarten sind. Der Arbeitgeber, der nach seiner Planung subjektiv keine nachteiligen Auswirkungen für andere Mitarbeiter zu erkennen vermag, kann keine weitergehenden Auskünfte erteilen. Erscheinen dem Betriebsrat solche Nachteile gleichwohl möglich, wird er dafür aufgrund seiner eigenen Kenntnisse des Betriebes und der Beschäftigungssituation konkrete Anhaltspunkte haben. Insoweit wird er vom Arbeitgeber auch ergänzende Auskünfte verlangen können. Solche Auskünfte hat er jedoch in seinem Schreiben vom 9. September 1985 nicht verlangt. Das hier geäußerte Verlangen des Betriebsrats bezieht sich ausschließlich auf Einzelheiten des mit H. abzuschließenden Arbeitsvertrages, nicht aber auf irgendwelche tatsächlichen Umstände, aus denen sich ergeben könnte, daß die Einstellung des H. im Betrieb, seine Beschäftigung als Prüfer in der Prüfstelle B, Nachteile für andere Arbeitnehmer zur Folge haben könnte.
Der Betriebsrat hat im Laufe des Verfahrens solche Nachteile aufgezeigt. Er hat geltend gemacht, daß durch die Einstellung des H. jungen Ingenieuren oder Arbeitnehmern, die lediglich in einem befristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt wurden, dadurch die Chance genommen würde, anstelle des Klägers in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt zu werden. Ob diese Erwägungen ausgereicht hätten, um ein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats zu begründen, braucht hier nicht entschieden zu werden. Dieses Vorbringen des Betriebsrats im Laufe des Verfahrens macht aber deutlich, daß die vom Betriebsrat geltend gemachte Besorgnis von Nachteilen für andere Arbeitnehmer aus Umständen hergeleitet wird, die dem Betriebsrat ohnehin bekannt waren und auch dann nicht in ihren Einzelheiten näher konkretisiert worden wären, wenn der Arbeitgeber die vom Betriebsrat gewünschten Auskünfte über den Inhalt des Arbeitsvertrages gegeben hätte.
Der Betriebsrat ist damit vom Arbeitgeber am 26. August 1985 im erforderlichen Umfange über die geplante Einstellung des H. unterrichtet worden. Der Betriebsrat hätte daher bis zum 2. September 1985 seine Zustimmung schriftlich verweigern müssen.
2. An einer beachtlichen Zustimmungsverweigerung durch den Betriebsrat fehlt es auch dann, wenn man zugunsten des Betriebsrats davon ausgeht, daß der Arbeitgeber die Frist für die Stellungnahme des Betriebsrats dadurch verlängert hat, daß er auf dessen Verlangen vom 26. August 1985 hin am 9. September 1985 noch weitere Auskünfte zum Inhalt des Arbeitsvertrages gab und nunmehr nochmals um Zustimmung zur Einstellung des H. bat, ohne sich auf den Ablauf einer Frist zu berufen. Auch innerhalb der dann laufenden Wochenfrist bis zum 16. September 1985 hat der Betriebsrat seine Zustimmung nicht in beachtlicher Weise verweigert. Sein Schreiben vom 9. September 1985 genügt nicht den Anforderungen des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG.
Nach der Entscheidung des Senats vom 26. Januar 1988 (- 1 AZR 531/86 - zur Veröffentlichung vorgesehen) ist eine Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer personellen Einzelmaßnahme dann ausreichend begründet, wenn die vom Betriebsrat für die Verweigerung seiner Zustimmung vorgetragene Begründung es als möglich erscheinen läßt, daß einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG abschließend genannten Zustimmungsverweigerungsgründe geltend gemacht wird. Eine Begründung, die offensichtlich auf keinen der Verweigerungsgründe Bezug nimmt, ist unbeachtlich mit der Folge, daß die Zustimmung des Betriebsrats als erteilt gilt.
Das Schreiben des Betriebsrats vom 9. September 1985 mahnt weitere Auskünfte über den Inhalt des Arbeitsvertrages mit H. an. Es wird die Frage gestellt, ob H. die Unterstützungseinrichtung in Anspruch nehmen kann, ob er Lohnfortzahlung bei Krankheit erhält und wie im Falle eines Betriebsunfalls des H. verfahren wird. Anschließend heißt es, daß der Betriebsrat der vorgesehenen Einstellung widersprechen müsse, solange die geforderte Unterlage - der Arbeitsvertrag - nicht vorliegt, da die Einstellung "mangels ausreichender Information gegen ein Gesetz verstoßen würde".
Diese Begründung weist nur äußerlich einen Bezug zu dem in § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgrund auf, wonach der Betriebsrat seine Zustimmung zu einer Einstellung verweigern kann, wenn diese gegen ein Gesetz verstößt, hat aber mit der geplanten Einstellung selbst nichts zu tun. Die geforderten und - angeblich - gesetzwidrig nicht erteilten Auskünfte betreffen nicht die Einstellung des H., sondern den Inhalt des mit H. abzuschließenden Vertrages. Dieser ist jedoch nicht Gegenstand der Beteiligung des Betriebsrats anläßlich einer Einstellung. Schon deswegen ist die vom Betriebsrat gegebene Begründung für seine Zustimmungsverweigerung unbeachtlich (vgl. Hunold, BB 1986, 527 und von Hoyningen-Huene, SAE 1986, 186).
Darüber hinaus hat der Senat schon in seiner Entscheidung vom 28. Januar 1986 (BAGE 51, 42 = AP Nr. 34 zu § 99 BetrVG 1972) ausgesprochen, daß eine Verletzung der Unterrichtungspflicht des § 99 Abs. 1 BetrVG durch den Arbeitgeber keinen Gesetzesverstoß im Sinne von § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG darstellt.
Mangels rechtzeitiger bzw. beachtlicher Zustimmungsverweigerung durch den Betriebsrat gilt daher dessen Zustimmung zur Einstellung des H. als erteilt.
II. Der auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats gerichtete Antrag des Arbeitgebers ist nicht als unbegründet abzuweisen.
Zwar kann eine Zustimmung des Betriebsrats, die bereits als erteilt gilt und damit schon vorliegt, nicht mehr durch das Gericht ersetzt werden. Der Zustimmungsersetzungsantrag des Arbeitgebers ist jedoch nicht auf eine solche rechtsgestaltende Entscheidung des Arbeitsgerichts beschränkt.
Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 28. Januar 1986 (BAGE 51, 42 = AP Nr. 34 zu § 99 BetrVG 1972) für den Fall, daß Streit darüber besteht, ob die Zustimmung des Betriebsrats schon als erteilt gilt oder vom Gericht noch ersetzt werden muß, den Arbeitgeber auf die Möglichkeit verwiesen, in erster Linie die Feststellung zu beantragen, daß die Zustimmung des Betriebsrats als erteilt gilt, und nur hilfsweise einen Antrag auf Ersetzung der Zustimmung zu stellen. Daraus kann jedoch nicht hergeleitet werden, daß ohne einen solchen Feststellungsantrag der allein gestellte Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats abgewiesen werden muß.
§ 99 Abs. 4 BetrVG verlangt grundsätzlich vom Arbeitgeber, das Arbeitsgericht anzurufen, wenn der Betriebsrat seine Zustimmung zu einer personellen Einzelmaßnahme schriftlich fristgemäß und unter Angabe von Gründen verweigert hat. Zwar kann der Arbeitgeber, der die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats für unbeachtlich hält, davon ausgehen, daß die Zustimmung des Betriebsrats als erteilt gilt, und die personelle Maßnahme durchführen. Er läuft dabei aber Gefahr, daß ihm auf Antrag des Betriebsrats nach § 101 BetrVG aufgegeben wird, die personelle Maßnahme wieder aufzuheben, weil entgegen seiner Ansicht die Zustimmung des Betriebsrats nicht als erteilt gilt und mangels eines von ihm gestellten Antrages auch nicht ersetzt worden ist. Stellt der Arbeitgeber aber den Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats, so will er damit seiner gesetzlichen Verpflichtung genügen. Ist er gleichzeitig der Ansicht, daß die Zustimmung des Betriebsrats schon als erteilt gilt, will er mit dem gestellten Antrag das oben aufgezeigte Risiko vermeiden. Ziel seines Vorgehens in diesem Falle ist es, eine gerichtliche Entscheidung darüber zu erlangen, daß er dem Betriebsrat gegenüber berechtigt ist, die geplante personelle Maßnahme durchzuführen. Aus welchem Grunde das Arbeitsgericht diese betriebsverfassungsrechtliche Berechtigung bejaht, ist für ihn regelmäßig ohne Interesse. Von daher kann auch nicht gesagt werden, daß der Arbeitgeber dann, wenn er lediglich einen Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats stellt, nur eine Entscheidung darüber begehrt, ob der Betriebsrat seine Zustimmung zu Recht verweigert hat. Eine solche Entscheidung wäre, wenn es auf die Berechtigung der Zustimmungsverweigerung nicht mehr ankommt, eine bloße gutachtliche Äußerung und könnte daher vom Gericht nicht getroffen werden. Dem Arbeitsgericht bliebe daher nur die Möglichkeit, den Antrag auf Ersetzung der Zustimmung abzuweisen mit der Begründung, daß die Zustimmung bereits als erteilt gilt. Diese Begründung nähme jedoch an der Rechtskraftwirkung der Entscheidung nicht teil. In einem vom Betriebsrat anhängig gemachten Aufhebungsverfahren nach § 101 BetrVG könnte damit die Frage anders beurteilt werden mit der Folge, daß dem Arbeitgeber mangels als erteilt geltender Zustimmung des Betriebsrats die Aufhebung der Maßnahme wieder aufgegeben würde.
Dem Arbeitgeber, der seiner gesetzlichen Verpflichtung genügen will und einen Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats stellt und dabei nicht erkennt, daß die Zustimmung des Betriebsrats schon als erteilt gilt, kann dieses Risiko nicht auferlegt werden. Von daher gebieten es Gründe der Verfahrensökonomie und der Zweck des Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG, daß in einem Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats das Gericht auch ohne einen darauf gerichteten Antrag des Arbeitgebers die Feststellung ausspricht, daß die Zustimmung des Betriebsrats bereits als erteilt gilt, wenn sich dies im Laufe des Verfahrens herausstellt.
Darin liegt kein Verstoß gegen § 308 ZP0, wonach ein Gericht nicht befugt ist, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Versteht man, wie oben dargelegt, den Antrag des Arbeitgebers auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats dahin, daß dieser eine dem Betriebsrat gegenüber wirkende Entscheidung über die betriebsverfassungsrechtliche Zulässigkeit der geplanten personellen Maßnahme begehrt, so wird von diesem Begehren auch eine Entscheidung des Gerichts umfaßt, daß die geplante Maßnahme betriebsverfassungsrechtlich zulässig ist, weil die Zustimmung des Betriebsrats - schon - als erteilt gilt.
Matthes Dr. Weller Dr. Etzel
Mager H. Blanke
Fundstellen
Haufe-Index 436844 |
BAGE 60, 57-66 (LT1-2) |
BAGE, 57 |
BB 1989, 626-628 (LT1-2) |
DB 1989, 530-532 (LT1-2) |
EBE/BAG 1988, 44-46 (LT1-2) |
AiB 1989, 221-221 (LT1) |
AiB 2013, 194 |
AiB 2013, 197 |
AuB 1989, 195-196 (T) |
BetrR 1989, 122-125 (LT1-2) |
Gewerkschafter 1989, Nr 4, 39-39 (ST1) |
NZA 1989, 355-358 (LT1-2) |
RdA 1989, 130 |
ZTR 1989, 201-201 (LT1-2) |
AP § 99 BetrVG 1972 (LT1-2), Nr 57 |
AR-Blattei, Betriebsverfassung XIVC Entsch 119 (LT1-2) |
AR-Blattei, ES 530.14.3 Nr 119 (LT1-2) |
EzA § 99 BetrVG 1972, Nr 69 (LT1-2) |
ZfPR 1989, 115 (L) |